
Beizer vor Gericht: Covid-19-Kreditbetrüger halten die Staatsanwaltschaft auf Trab
Maximilian Karl Fankhauser
Im Kanton Basel-Stadt werden insgesamt 200 Strafverfahren wegen Covid-Kreditbetrugs geführt. Die Deliktsumme beträgt insgesamt über 20 Millionen Franken. Am vergangenen Donnerstag musste sich ein Beizer vor dem Strafgericht verantworten.
Während der Pandemie musste alles sehr schnell gehen. Klein- und Mittelunternehmen sahen sich plötzlich mit finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert, die Kundschaft blieb aus, auf Lieferungen musste teilweise monatelang gewartet werden. Der Bund stellte deswegen Covid-Kredite in der Höhe von rund 17 Milliarden Franken aus.
Der Gedanke dahinter: Die kurz- und mittelfristige Stabilisierung dieser Unternehmen. Anhand des Umsatzerlöses der Vorjahre konnten diese ihren Kredit einfordern. Anhand der Daten, die die Inhaberinnen und Inhaber der Unternehmen auf einem A4-Dokument eintragen mussten, sollte die Vergabe dieser Kredite rasch und niederschwellig abgewickelt werden können. Zehn Prozent des Umsatzerlöses standen den Firmen zu.
Ein Vorteil, der auch für weniger gutmütige Zwecke missbraucht wurde, wie nun die Aufarbeitung dieser Vergaben zeigt. «Im Kanton Basel-Stadt führte und führt die Abteilung Wirtschaftsdelikte der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt bislang über 200 Strafverfahren wegen Verdachts des Betrugs, der Urkundenfälschung und der Veruntreuung/ungetreuen Geschäftsbesorgung im Zusammengang mit COVID-19-Kreditvereinbarungen», sagt Martin Schütz, Mediensprecher der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt. Der Deliktsbetrag belaufe sich auf gesamthaft über 20 Millionen Franken.
Operatives Geschäft erliegt in der Pandemie
Einer dieser Fälle beschäftigte das Basler Strafgericht am vergangenen Donnerstag. Der Gastronomieunternehmer, der in Basel ein Restaurant führt, beantragte über zwei verschieden GmbHs Kredite in der Gesamthöhe von 438’000 Franken. Bei der Nachbearbeitung dieser Vergaben fielen mehrere Unregelmässigkeiten auf.
Der Mann, der sein Restaurant ab 2012 über GmbH Nummer eins führte, gründete im 2019 GmbH Nummer zwei. Deren Zweck war es, das Restaurant weiterzuführen, während über GmbH Nummer eins Team-Events, Kochkurse und Auslieferungen von im Restaurant produzierten Speisen abgewickelt werden sollten. Das Problem: Durch die Pandemie kam das operative Geschäft der GmbH Nummer eins zum Erliegen.
Dennoch beantragte der Verurteilte am 30. März 2020 für die erste Firma einen Covid-Kredit in der Höhe von 210’000 Franken. Diese Zahl basierte auf einer Schätzung, wie viel das Unternehmen generieren würde, wenn es floriert und nicht auf den Vorjahres-Umsatzerlösen. Einen Tag später wiederholte er diesen Vorgang bei einer anderen Bank für die zweite Firma. Der Kredit, der aus dem geschätzten Umsatzerlös entsprang, belief sich in diesem Fall auf 228’000 Franken.
Kredit ist bei Schätzungen gedeckelt
Zum Vergleich: GmbH 1 erzielte im Jahr 2018 einen Umsatz in der Höhe von 432’078.95 Franken, GmbH 2 im Jahr 2019 571’198 Franken. Der Unternehmer habe sich laut Anklageschrift also um mehr als das Vierfache bereichert. Schätzungen hätte er zudem nur machen dürfen, falls es sich um ein neu gegründetes Unternehmen gehandelt hätte. Die Obergrenze bei den in diesem Fall ausbezahlten Krediten hätte bei 50’000 Franken gelegen.
Vor Gericht sagte der Beizer aus, dass er von Seiten der Bank dazu gedrängt worden sei, solch hohe Summen auszufüllen. Den verantwortlichen Bankangestellten wollte er aber nicht als Zeugen vor Gericht ziehen, da dieser Angst um seine Stelle gehabt habe. Auch der Verteidiger sprach von einem Missverständnis. Man hätte «eine Lupe benötigt, um das Kleingedruckte lesen zu können».
Auch bei den Aussagen zu Verwendung des Geldes gab es immer wieder Ungereimtheiten. Der Verurteilte erzählte von weiter laufenden Strom- und Telefonkosten, die die GmbH 1 weiterhin zu stemmen hatte. Hohe Bargeldbeträge, die er abgehoben hatte (16’000 Franken am Tag nach der Überweisung des Kredits), entschuldigte er mit Betreibungskosten für soziale Ausgaben seiner Mitarbeitenden, die er in Bar beglichen habe. Auf Nachfrage des Gerichts beim Betreibungsamt sei vom Angeklagten aber nur eine Rechnung mit Karte beglichen worden.
Lebensunterhalt bezahlt
Auch weitere Zahlungen und Transaktionen liessen aufhorchen: Begleichung von Krankenkassenbeiträgen, Lebensunterhaltszahlungen an die Ehefrau und Geld für die Pflegedienstleistungen, die sein Vater in Anspruch genommen hatte. Der Verurteilte meinte, dass er sich in dieser Zeit nie einen Lohn ausgezahlt habe und «auch irgendwie leben musste».
Richter René Ernst machte dem Verurteilten im Laufe der Verhandlung klar, dass seine Aussagen nicht deckungsgleich mit anderen Angaben seien und er sich auch widerspreche. «Ich weiss nicht, ob ich jetzt schweigen soll», sagte der Angeklagte daraufhin. Die Antwort von Ernst kam prompt: «Das ist vielleicht gar nicht das Dümmste.»
Die von der Staatsanwaltschaft geforderten 22 Monate bedingte Freiheitsstrafe gab es dann nicht ganz, den vom Verteidiger geforderten Freispruch aber auch nicht. Der Beizer erhielt eine 17 Monate lange, bedingte Freiheitsstrafe wegen mehrfachen Betrugs, Urkundenfälschung und Verstoss gegen das Covid-Gesetz. und muss die Deliktsumme von 170’880.20 Franken bezahlen. Dies aus dem Grund, dass die Strafen der beiden GmbHs nicht addiert, sondern angemessen erhöht werden. Eine Arglist sei ihm laut den Richtern nicht zu unterstellen, ein Missverständnis würde aber auch ausgeschlossen, da es sich beim Verurteilten um einen erfahrenen Geschäftsmann handle.
Strafmass wird auf Einzelfall bezogen
In den Jahren 2021 bis 2023 habe die Staatsanwaltschaft jeweils mehrere Dutzend solcher Verfahren mit unterschiedlichen Abschlussarten abschliessen können, sagt Schütz. «In etwa siebzig Prozent der Fälle kommt es zu Urteilen oder Strafbefehlen.» Hinzu kämen auch erste Entscheide des Appellationsgerichts.
Nach der Pandemie, in den sogenannten «Post-Covid»-Jahren, seien die Anzeigen wegen diesen Kreditdelikten stetig gestiegen und bis vor Kurzem auf einem konstant hohen Niveau geblieben. «Dies hat die Abteilung Wirtschaftsdelikte stark belastet und fordert sie weiter stark heraus», sagt Schütz. In den vergangenen beiden Jahren stellte die Basler Politik deswegen je eineinhalb auf drei Jahre befristete Stellen zur Verfolgung von Covid-19-Kreditbetrügen zur Verfügung.
Die Höhe der Bestrafung in diesen Fällen sei immer auf den Einzelfall bezogen. «Das Strafmass variiert von der Verhängung von Bussen bis hin zur Verurteilung zu Freiheisstrafen», sagt Schütz.
Mehr dazu
Feedback für die Redaktion
Hat dir dieser Artikel gefallen?
Kommentare lesen?
Um Kommentare lesen zu können, melde dich bitte an.
Kommentare
Dein Kommentar
Mit dem Absenden dieses Formulars erkläre ich mich mit der zweckgebundenen Speicherung der angegebenen Daten einverstanden. Datenschutzerklärung und Widerrufshinweise