
Chemiker über K.-o.-Tropfen-Bändeli: «Gaukeln eine falsche Sicherheit vor»
David Frische
Die Basler Politik fordert griffigere Massnahmen gegen K.-o.-Tropfen. Ein Mittel sind Armbänder mit einem integrierten Schnelltest fürs Getränk. Doch die Rechtsmedizin warnt vor den Bändeli.
Ein Tropfen des Biers oder Cocktails aufs Armband und kurz darauf sieht man, ob K.-o.-Tropfen im Getränk sind. So das Verkaufsargument der Schnelltests, die seit einigen Jahren auf dem Markt sind und Menschen im Ausgang vor einem Knockout bewahren sollen. Die sind ein Mittel, das im Kampf gegen K.-o.-Tropfen eingesetzt werden. Im Sommer 2021 und 2022 griff die Basler Polizei erstmals zu den Armbändern, als das Thema in der Gesellschaft akuter wurde.
Nach den Vorfällen mit K.-o.-Tropfen an Silvester im und vor dem Hirscheneck sind in der Basler Politik die Stimmen nach Massnahmen gegen solche Übergriffe wieder lauter geworden. FDP-Grossrätin Silvia Schweizer will in einer Interpellation von der Regierung und der Polizei Antworten, was sie gegen das Problem mit den K.-o.-Tropfen zu tun gedenken und fordert, dass die Armbänder wieder an die Bevölkerung verteilt werden.
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«Gefahr von falsch-negativen Ergebnissen»
Die Armbänder funktionieren ähnlich wie ein Corona-Schnelltest. Gibt man einige Tropfen des Getränks auf das Armband, misst dieses über einen Farbumschlag, ob eine bestimmte Substanz in der Flüssigkeit enthalten ist. So weit, so gut.
Doch das greife oftmals zu kurz, erklärt Görz Schlotterbeck, Leiter forensische Chemie und Toxikologie am Institut für Rechtsmedizin Basel: «Ein grosses Problem bei diesen Schnelltests ist, dass sie spezifisch nur für eine Substanz konzipiert sind. Damit besteht die Gefahr, dass falsch-negative Ergebnisse auftauchen.» Heisst: Es können also K.-o.-Tropfen im Getränk enthalten sein, der Schnelltest zeigt sie aber nicht an. «Die falsch-negativen Ergebnisse gaukeln einem eine Sicherheit vor», so Schlotterbeck.
Die wohl populärste Substanz in K.-o.-Tropfen ist das Gammahydroxybutyrat (GHB). Viele der Schnelltests sind auf den Nachweis dieser Substanz ausgelegt. Als K.-o.-Tropfen kann aber eine Vielzahl an verschiedenen Substanzen missbraucht werden, wie der Chemiker erklärt – von Designer-Benzos bis hin zu Tiermedizin. «Die Gefahr ist: Wenn nur eine Substanz angezeigt oder vielleicht angezeigt wird, sieht man die anderen Substanzen nicht.»
Polizei: Bändeli in erster Linie ein «Eisbrecher»
Trotz der Mängel sieht die Basler Polizei in den Armbändern einen Zweck. Als das Problem im Jahr 2021 aufkam, habe die Präventionsstelle der Polizei nach Lösungen gesucht, erklärt Sprecher Stefan Schmitt. «In den Bändchen fand sie einen guten Eisbrecher, um auf der Strasse mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und sie für die Gefahren zu sensibilisieren.»
Zurzeit verteilt die Polizei keine Schnelltests an die Bevölkerung. Gut möglich, dass die präventive Massnahme im Frühling und Sommer wieder aufgenommen wird, wenn Basel diverse Grossanlässe wie der ESC und die Women’s Euro ins Haus stehen. Ausschliessen will sie das jedenfalls nicht.
Die Polizei habe aber festgestellt, dass die Bänder «nicht sehr benutzerfreundlich» seien, räumt Schmitt gegenüber dem SRF-Regionaljournal Basel Baselland ein. Die Polizei suche aktuell nach effektiveren Produkten, die sicherer und einfacher testen.
In der Politik liegt der Ball aktuell bei der Basler Regierung. Sie wird Antworten auf die Interpellation der FDP geben müssen, die ebenfalls nach griffigen Massnahmen gegen K.-o.-Tropfen fragt. Die Regierung wird sich voraussichtlich im Februar dazu äussern.
Mitarbeit: Shahed Staub
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