Daniel Stucki zieht Bilanz: «In diesem Transferfenster waren wir nie nervös»
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Medienrunde
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Daniel Stucki zieht Bilanz: «In diesem Transferfenster waren wir nie nervös»

12.09.2025 06:15 - update 12.09.2025 10:21
Florian Vögeli

Florian Vögeli

Das Transferfenster ist geschlossen. In der Medienrunde zieht Sportchef Daniel Stucki Bilanz, erklärt Basels Strategie zwischen Talenten und Verkäufen und formuliert ambitionierte Ziele für Meisterschaft und Europa League.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Sportliche Ziele – Der FCB will beide Titel verteidigen und in der Europa League die K.o.-Phase erreichen.
  • Champions-League-Aus – Das Aus lag an kleinen Nuancen und Kopenhagens Erfahrung, nicht an der Innenverteidigung.
  • Finanzen & Transfers – Basel setzt auf Weiterverkaufsbeteiligungen und konnte trotz Angeboten Leistungsträger halten.

Medien: Habt ihr als Sportkommission alles dafür getan, um in die Champions League zu kommen?

Daniel Stucki: Zugegeben, wir hatten keine grosse Breite im Kader für das Rückspiel gegen Kopenhagen. Den verletzungsbedingten Ausfall von Bénie Traoré konnte man nicht vorhersehen. Aber hätten wir mit mehr Spielern bessere Chancen gehabt, in die Champions League zu kommen? Das ist eine hypothetische Frage. Die Frage ist eher, was «alles» bedeutet und ob wir «alles» machen wollten. Wir sind unserer Strategie treu geblieben. Es waren zwei sehr enge Spiele, aber leider haben wir es nicht geschafft.

Xherdan Shaqiri hatte sich bereits zu Beginn der Vorbereitungen mehr Erfahrung in der Innenverteidigung gewünscht. Wieso habt ihr da nicht frühzeitig reagiert?

Einen gestandenen Innenverteidiger zu holen, ist für uns unrealistisch. Die Löhne in der Schweiz können mit denen in Top-Ligen oder Ländern wie Belgien oder den Niederlanden nicht mithalten. Wir müssten das Fünffache zahlen, und das entspricht nicht unserer Strategie. Wenn aber ein Spieler wie beispielsweise Manuel Akanji zurückkäme, wäre das etwas anderes, weil er neben Qualität auch Identität mitbringt. Grundsätzlich setzen wir aber auf unsere jungen Innenverteidiger und ergänzen sie gezielt mit erfahrenen Spielern.

Meinst du damit die Verpflichtung des österreichischen Nationalspielers Flavius Daniliuc?

Flavius kennen wir schon lange. Er hat in Österreich und der Serie A gespielt und bringt die nötige Erfahrung mit. Allerdings hat er in der letzten Zeit keine Spiele bestritten. Ob er uns sofort oder erst in ein paar Wochen helfen kann, wird sich noch zeigen.

Kam er mit Blick auf die gescheiterte Qualifikation für die Champions League zu spät?

Das glaube ich nicht. Es ist nicht sicher, ob wir mit einem erfahrenen Innenverteidiger gegen Kopenhagen durchgekommen wären. Unsere beiden Innenverteidiger haben zweimal einen guten Job gemacht. Klar, Jonas Adjetey hat im Hinspiel den Ball vor dem Gegentor verloren. Danach gab es aber eine Verkettung von Fehlern. Mit unseren drei Innenverteidigern haben wir in der letzten Saison die wenigsten Gegentore kassiert. Ausserdem hatten wir in diesem Transferfenster ein Angebot in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags für einen unserer Innenverteidiger auf dem Tisch. Wir erhielten sogar Angebote für zwei Innenverteidiger. Ich glaube also nicht, dass wir wegen der Innenverteidiger die Champions League verpasst haben.

Woran lag es also?

Unsere Mannschaft hat zwei gute Spiele gemacht, aber es fehlten Nuancen. Mit Andreas Cornelius hat Kopenhagen einen sehr effizienten Stürmer. Das konnte man nicht nur bei seinem Treffer im Rückspiel, sondern auch beim Offsidetor im Hinspiel sehen. Er verdient aber auch etwa das Fünffache unserer Stürmer. Und schlussendlich hat Kopenhagen auch die deutlich erfahrenere Mannschaft auf internationaler Ebene.

Ein weiteres Mal hat der FCB das Transferfenster mit einem Millionengewinn abgeschlossen. Wie zufrieden bist du damit?

Millionen zu erwirtschaften, ist nicht mein primäres Ziel. Wir müssen einen guten Kader haben, um unsere sportlichen Ziele zu erreichen. Das ist mein Job. Aber natürlich ist auch eine nachhaltige und gute wirtschaftliche Situation sehr wichtig für den Verein. Deshalb sind wir sehr zufrieden, obwohl wir nur wenige Abgänge hatten.

Spieler wie Traoré, Philip Otele oder Jonas Adjetey konnte man halten. Gab es keine guten Angebote?

Es gab viele und gute Angebote, die auch sehr konkret waren. Wir stehen aber mittlerweile in einem sehr guten Austausch mit den Spielern und ihren Beratern. Ausserdem hat in dieser Saison jeder Spieler bei uns die Chance, in der Europa League zu spielen. Dort können sie mehr Erfahrung sammeln und sich noch mehr zeigen. Das hat uns sicher dabei geholfen, gewisse Top-Spieler zu halten. Schlussendlich fühlen sie sich hier aber auch sehr wohl. Gemeinsam haben wir dann entschieden, dass sie bis zur nächsten Transferperiode hierbleiben.

Wie siehst du die Situation im Sturm?

Mit Albian Ajeti, Moritz Broschinski und Kaio haben wir drei Stürmer. Albi hat eine starke Rückrunde gespielt, viele Tore erzielt und bringt internationale Erfahrung mit. Moritz ist mit 25 Jahren zwar kein typischer Nachwuchsspieler mehr, hat aber Potenzial, ist schnell und kann uns vor allem auf europäischer Bühne mit seinem Tempo helfen. Kaio ist ein junger Brasilianer, den wir selbst entwickeln wollen. Zudem haben wir die Möglichkeit, mit einer sogenannten «falschen Neun» zu spielen, etwa mit Otele oder Ibrahim Salah.

Der Vertrag mit Torwart Marwin Hitz läuft Ende der Saison aus. Was habt ihr hier vor?

Alle Optionen sind denkbar. Es ist noch zu früh in der Saison, um mit Marwin darüber zu sprechen. Er war in den ersten Saisonspielen überragend. Er war topfokussiert und hat viele Paraden gemacht. Deswegen werde ich uns aktuell alle Türen offenlassen. Wenn es in Richtung Saisonhälfte geht, werden wir darüber sprechen und schauen, was wir nächsten Sommer machen werden. Falls es einen Wechsel im Tor geben wird, müssen wir natürlich gut vorbereitet sein.

Juan Gauto steht nicht mehr auf der Kontingentliste. Was habt ihr mit ihm vor?

Wir stehen in gutem Austausch. Es gab die Möglichkeit, ihn auszuleihen. Aber nichts war optimal für beide Seiten. Das ist immer eine gemeinsame Entscheidung. Er hat noch mit einer Verletzung zu kämpfen. Deswegen haben wir beschlossen, einen sauberen Aufbau mit ihm zu machen. Er hat bei La Coruña sehr wenig gespielt und hat nun bei der U21 die Chance, Spielpraxis zu sammeln.

Alvyn Sanches ist zu YB gewechselt. War er nicht auch auf eurer Liste?

Er stand schon lange auf unserer Liste. Er ist ein sehr interessanter Spieler, den wir schon lange beobachten. Aber bereits in der letzten Saison war er zu teuer für uns. Deshalb war es immer sehr unrealistisch. Im Gegensatz zu Bern waren wir jetzt nicht bereit, so viel in einen verletzten Spieler zu investieren.

Mit Ludovic Magnin ist sein ehemaliger Trainer beim FCB. Wäre da nicht mehr möglich gewesen?

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir mit Shaqiri bereits den mit Abstand besten Spieler der Schweiz auf der Zehner-Position haben. Diese Position ist also blockiert, wenn er fit ist. Dahinter haben wir mit Koba Koindredi, Marin Soticek und Salah noch weitere Spieler, die diese Position bespielen können. Aus Sicht der Kaderplanung hätte man das System kurz- bis mittelfristig ändern müssen. Es gab zu viele Kriterien, die nicht mehr passten.

Habt ihr also kein Angebot für ihn platziert?

Nein, wir sind gar nicht aktiv geworden. Wir wussten, in welchen finanziellen Sphären wir uns bewegen. Dann haben wir uns entschieden, dass wir dort nicht konkurrieren wollen. Wir hatten nie Kontakt mit Lausanne.

In der Medienmitteilung von YB stand, dass Sanchez nur zu YB wechseln wollte. Schmerzt dich das?

Es wäre sehr spannend gewesen zu sehen, was passiert wäre, wenn wir auch ein Angebot abgegeben hätten. Ich bin ziemlich sicher, dass dann eine andere Aussage gekommen wäre. Natürlich wären wir enttäuscht, wenn sich Spieler nicht für uns entscheiden. So war es in diesem Fall aber nicht. Ich hoffe, dass er bei YB den nächsten Schritt machen kann. Das ist auch wichtig für den Schweizer Fussball. Ich wünsche ihm, dass er gut aus der Verletzung zurückkommt.

Am letzten Tag des internationalen Transferfensters habt ihr noch zwei Spieler verpflichtet. Wieso so spät?

Es kann sich immer wieder mal hinauszögern, bis die Gegenseite nachgibt. Wir stehen ziemlich weit unten in der Nahrungskette und müssen da einfach Tribut zollen. Aber wir waren in diesem Transferfenster nie nervös.

Ihr habt viele Offensivspieler. Wird damit bereits für allfällige Abgänge im Winter vorgesorgt?

Offensiv sind wir extrem gut besetzt. Wir haben viele potenzielle Starter. Das wird für Ludovic Magnin sehr schwierig zu handhaben sein. Damit wären wir aber bereit gewesen, falls es im Sommer bereits zu einem Abgang auf den Flügelpositionen gekommen wäre. Aber wir planen jetzt nicht mit Abgängen im Winter. Der Kader wurde für die gesamte Saison geplant. Natürlich dürfte das Interesse im Winter noch grösser sein, wenn die Spieler auf der europäischen Bühne überzeugen.

Ihr verkauft eure Spieler nur noch mit Weiterkaufsbeteiligung. Wie muss man sich das genau vorstellen?

Spieler, die beim FCB waren, schaffen fast immer den Sprung in eine höhere Liga, was uns wichtige Einnahmen bringt. Gerade bei jungen Spielern wie Zeki Amdouni oder Riccardo Calafiori ist das Potenzial riesig. Deshalb versuchen wir, bei Transfers möglichst viel über Weiterverkaufsbeteiligungen herauszuholen. Die Modelle sind sehr individuell: Mal erfolgt die Beteiligung in Prozent und mal in Form einer fixen Summe. Manchmal behalten wir sogar 50 % Beteiligung an einem Spieler, der grosses Potenzial hat. Dafür geben wir ihn dem aufnehmenden Verein für sehr wenig Geld ab.

Bei Calafiori gab es einen Rechtsstreit mit der AS Roma bezüglich der Weiterkaufsbeteiligung. Wie wurde das geregelt?

Im Fall mit der AS Roma haben wir uns aussergerichtlich geeinigt. Es war rechtlich nicht ganz eindeutig, wie ein Gericht entschieden hätte. Das Risiko war für uns zwar klein, aber ein Prozess hätte lange gedauert. Darum haben wir uns auf einen Kompromiss eingelassen, mit dem beide Seiten leben können.

Bist du eigentlich mit Granit Xhaka in Kontakt?

Nein, auch bevor er seine Ankündigung beim Abschied seines Bruders getätigt hat, stand ich mit ihm nicht in Kontakt. Für mich war und ist klar, dass Granit ein absoluter Top-Spieler ist. Aufgrund unserer finanziellen Möglichkeiten ist es unrealistisch, dass er nach Basel zurückkommen würde. Auch sportlich ist der FCB noch zu weit entfernt für eine Rückkehr. Dafür spielt er einfach zu gut.

Schliessen wir die Transferphase ab. Wie zufrieden bist du mit der Punktausbeute in der Meisterschaft bisher? Fehlen dir ein paar Punkte?

Ja, aber neun Punkte aus fünf Spielen sind okay und solide. Der Sieg in Sion war sehr wichtig. Ich bin aber eigentlich davon ausgegangen, dass wir das Auftaktspiel in St. Gallen gewinnen werden. Wir hatten eine gute Vorbereitung und einen guten Kader für das erste Spiel. Wir hatten Chancen, das Spiel zu gewinnen, aber St. Gallen hat es noch gedreht. Dennoch blicke ich auf einen positiven Saisonstart zurück.

Wen siehst du auf nationaler Ebene in dieser Saison als grössten Konkurrenten?

YB wird wohl unser grösster Konkurrent sein. Wenn man die Kader vergleicht, sind die Berner am nächsten dran. Aber es gibt immer wieder Teams, die in einen Flow kommen und für Überraschungen sorgen. Letzte Saison wurden wir im Sommer nicht als Titelkandidaten gehandelt und haben es am Ende mit einer starken Rückrunde trotzdem geschafft.

Was unterscheidet euch von YB auf dem Transfermarkt?

Wir haben eine andere Strategie. YB kauft Erfahrung und Leistung dazu, wir setzen auf Spieler mit Entwicklungspotenzial, die bei uns den nächsten Schritt machen und später für mehr Geld verkauft werden können. Hohe Summen für erfahrene Spieler zahlen wir nicht. Das entspricht nicht unserer Club-Philosophie. Wir investieren lieber in Talente, die wir für Europa vorbereiten. Welche Strategie besser ist, will ich nicht werten. Auf der sportlichen Ebene waren sie in den letzten Jahren auf jeden Fall erfolgreicher, muss man fairerweise anmerken.

Durch das Verpassen der Champions League wurde das erste Saisonziel verfehlt. Wie hat sich das auf eure übrigen Ziele ausgewirkt?

Es sind immer noch die gleichen. Wir wollen natürlich versuchen, die beiden Titel zu verteidigen, die wir in der letzten Saison gewonnen haben. Das sind sehr hohe Ziele, aber mit unserem Kader sicher realistisch. Zusätzlich wollen wir in der Europa League unter die ersten 24 kommen, um weiterzukommen. Wir haben aber sehr gute Gegner. Trotzdem bin ich überzeugt, dass wir mit unserem Kader konkurrenzfähig sind.

Der Job als Sportchef ist sehr intensiv. Wie geht es dir persönlich nach dieser Transferphase?

Für alle ist diese Zeit sehr intensiv. Den Ausdruck «Work-Life-Balance» kennen wir nicht. Da kommen immer wieder Extraschichten hinzu. Man gewöhnt sich daran. Es ist noch intensiver, wenn man einen gewissen Anspruch hat und bei einem so grossen Club arbeitet. Aber man macht es wahrscheinlich auch nicht 20 Jahre lang.

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Kommentare

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12.09.2025 10:29

Maxli

Der Baumeister des gegenwärtigen Erfolgs des FCB ist für mich klar Daniel Stucki. Der Mann weiss, worum es geht und verfolgt seine Linie konsequent.

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