Die Geschichte der Rebellen von der Rheingasse
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Ueli Bier
Unterhaltung

Die Geschichte der Rebellen von der Rheingasse

13.11.2024 06:08 - update 13.11.2024 21:13
David Frische

David Frische

Das Ueli Bier feiert sein 50-Jahr-Jubiläum. Entstanden ist es aus einem Verbot heraus. Der ehemalige sowie der heutige Ueli-Braumeister blicken anlässlich des runden Geburtstags zurück.

Craft Beer ist heute einer der Trend-Ausdrücke im Alkoholgeschäft. In den Regalen von Bars, Pubs und Geschäften reihen sich lauter IPAs, Weizen, Lager, Stouts und viele weitere Sorten. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Vor nicht allzu langer Zeit war das hierzulande völlig anders.

Das Verbot wurde zur Geburtsstunde

Vor genau 50 Jahren wurde der Schweizer Biermarkt von einem legalen Bierkartell kontrolliert. Die grossen Brauereien machten unter sich aus, welches Bier wo verkauft wird und wie viel es kostet. Ungefilterte und obergärige Biere waren verboten. Das Kartell regierte von 1935 bis 1991.

Im Jahr 1974 regte sich im Kleinbasel Widerstand gegen die Bestimmungen im Schweizer Biermarkt. Der Arzt Hans-Jakob Nidecker erwarb das Restaurant Fischerstube und wollte dort eigentlich Warteck Bier ausschenken. Das Kartell verbot dies aber. Da Nidecker keinen Bock auf das vorgeschriebene Anker Bier hatte, beschloss er, selbst Bier herzustellen. Er liess eine einfache Brauerei einrichten und engagierte den Emmentaler Bierbrauer Anton «Toni» Welti. Dieser hatte kurz zuvor die Ausbildung zum Braumeister abgeschlossen und arbeitete im afrikanischen Ghana in einer Grossbrauerei. Dann folgte sein Wechsel an die Rheingasse.

Nur Lager war Welti zu langweilig

Welti steht 50 Jahre später in der Ueli Brau Bar – dem ehemaligen Restaurant Linde in der Rheingasse – und erinnert sich an die Geburtsstunde der Brauerei Fischerstube und des Ueli Biers. «Es war eine harte Zeit», so Welti.

Er stellte in der einfachen Kleinbrauerei in schwerer Handarbeit das Ueli Bier her. Anfangs schleppten Welti und seine Frau Gerda die 80-Kilo-Säcke voll mit Malz einzeln in die Brauerei, da diese weder ein Silo noch eine Mühle hatte.

Welti fühlte sich schnell zu Höherem berufen. Bloss herkömmliches Lagerbier herzustellen, war dem Emmentaler zu langweilig. «Wir wollten ein Bier für die ‹Meitschi› entwickeln», erzählt er 50 Jahre später. An einem Jubiläumsanlass der Brauerei blicken er und der heutige Braumeister der Brauerei Fischerstube, Jürgen Pinke, zusammen auf die Geschichte des Basler Traditionsbieres zurück.

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Anton «Toni» Welti (links an der Bar) und Jürgen Pinke gaben am Montagabend in der Ueli Brau Bar Einblicke in die Geschichte der Brauerei Fischerstube. Bild: Baseljetzt

Welti dachte erst an ein mildes Bier für die Damen. Doch er merkte schnell: Das war ein Trugschluss. «Die Frauen mögen durchaus bitteres Bier!», so Welti. Und er kreierte sodann ein Malzgetränk, das etwas bitter und kräftig schmecken soll und dazu «eine schöne, helle Farbe» hat. Entstanden ist das Ueli Reverenz. Benannt ist es nach dem Reverenzgässlein im Kleinbasel. Und es ist bis heute das beliebteste Ueli Bier. 80 Prozent (!) des Absatzes entfallen aufs Ueli Reverenz, wie Geschäftsführer Adrian Baumgartner erklärt.

Und es ist unfiltriert. Was heute unspektakulär klingt, war 1974 eine Besonderheit – weil nicht erlaubt. Welti erinnert sich: Das Filtrieren sei ihm schnell zu mühsam geworden. «Zudem entzieht man dem Bier Hefe, Eiweiss und ziemlich viel Geschmacksvolumen.» So gab er es auf. Ebenso rasch hatte er die Inspektoren vor der Tür, die das Reverenz unter die Lupe nahmen. Sie hätten aber nichts zu beanstanden gehabt. Welti: «Die nicht filtrierten Zutaten sind auf natürlicher Basis.» Hefe habe es sowieso im Bier, Eiweiss sei ebenfalls unproblematisch. «Und es schmeckt besser und ist erst noch gesünder.» Weltis Wagnis machte Schule: In den kommenden Jahren begannen zahlreiche andere Brauereien, unfiltriertes Bier herzustellen.

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Das bekannteste und beliebteste Ueli Bier ist eines der ersten Stunde: das Ueli Reverenz. Bild: Baseljetzt

Bärendreck im Bier war zu viel des Guten

In seiner Experimentierlust entwickelte Welti zwei weitere Biere im Hause Fischerstube, die bis heute ausgeschenkt werden: das Ueli Weizen und das Ueli Robur. Auch das Weizenbier war damals gewissermassen ein Präzedenzfall in der Schweiz. Denn solches kannte man bis anhin nur aus dem benachbarten Deutschland. Als Welti 1977 das Ueli Weizen in den Ausschank gab, sei die Nachfrage riesig gewesen. «Die ersten 600 Liter waren ruck, zuck weg.»

Am meisten austoben konnte sich der Emmentaler aber rund um den Kleinbasler Feiertag Vogel Gryff: «Da war es immer am gäbigsten, weil dann hatten sie Durst.» Die eigens für den Anlass gebrauten Ueli Gryffe Bogg kamen unterschiedlich an. Eines von ihnen war das wohl verrückteste Ueli Bier, das je auf den Markt kam: «Ich braute mal ein Bier mit Lakritze», plaudert Toni Welti aus dem Nähkästchen. Den Bärendreck konnte er flüssig bestellen und mischte ihn munter dazu. Am Morgen des Vogel Gryff seien die Gäste traditionell zu Rösti, Läberli und einem Bier in die Fischerstube geströmt. «Ein zweites Bier bestellten sie aber nicht», so der Braumeister. Heute kann er darüber lachen. Welti ist inzwischen pensioniert.

Im Jahr 2010 übernahm Jürgen Pinke als Braumeister in der Fischerstube. Der Deutsche sah sich mit anderen Herausforderungen konfrontiert als sein Vorgänger, der dem Ueli Bier den Weg geebnet hatte.

Tutanchamun sorgte für den neuen Braumeister

Jürgen Pinke arbeitete bei der Lörracher Brauerei Lasser, als die Anfrage kam, ob er ins Kleinbasel wechseln wolle. Die Wahl hatte einen guten Grund, denn die beiden Brauereien Fischerstube und Lasser arbeiten seit 2004 zusammen. Zur Kooperation kam es damals wegen eines gewissen Tutanchamun. Anlässlich der Ausstellung rund um den ägyptischen Pharao im Basler Antikenmuseum wurde in der Fischerstube eigens das Tut-Anch-Ueli Bier gebraut. Da die Bestellung aber auch 3-dl-Flaschen umfasste, machte sich Toni Welti auf die Suche nach einer Brauerei, die zusätzliche Mengen des Spezialbiers brauen und in solche Flaschen abfüllen konnte. Er wurde bei Lasser und Braumeister Jürgen Pinke fündig. Und Pinke braute 2004 sein erstes Ueli Bier nach altem ägyptischen Rezept, bevor er überhaupt bei der Brauerei Fischerstube angestellt wurde.

Tut-Anch-Ueli und andere Spezialbiere

Das Tut-Anch-Ueli ist eines von mehreren Bieren, das die Brauerei Fischerstube eigens für spezielle Anlässe braute. Getreu dem Namen wurde das Bier nach einem Bier-Rezept aus dem alten Ägypten hergestellt, das der Religionswissenschaftler und Basler Stadtführer Mike Stoll zuvor ins Deutsche übersetzte. Es enthält neben Hopfen und Hefe auch Datteln und Emmer, eine der ältesten kultivierten Getreidesorten.

Andere Anlässe, für die eigens ein Ueli-Spezialbier gebraut wurde, waren unter anderem eine Bienenausstellung im Naturhistorischen Museum, zu der ein Met-Bier aufgelegt wurde, sowie das Dalbenloch-Fest 1975, für das Braumeister Toni Welti ein Bier mit Lerchenzweigen-Spitzen kreierte. (daf)

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Das Tut-Anch-Ueli wird 20 Jahre nach seiner Kreation anlässlich des Jubiläums der Brauerei nochmals aufgelegt. Bild: Ueli Bier

Unter Jürgen Pinkes Führung wurde die Brauerei Fischerstube ab 2010 weiter modernisiert. Ein Teil des Ueli Biers wird auch heute noch in der Fischerstube gebraut und dort sowie in der Ueli Brau Bar gelagert. Die Abfüllanlage verlegte man im Jahr 2011 aber in die nahegelegene Utengasse. Damit verbunden wurde eigens eine 127 Meter lange Bier-Pipeline zwischen den beiden Standorten verlegt. Ein weiteres Bauprojekt stand 2013 an, als die Brauerei einen neuen Keller bauen liess, um die Tanks unterirdisch lagern zu können. Der Bau nahm acht Wochen in Anspruch, die Produktion kam in dieser Zeit zum Stillstand. Braumeister Pinke und sein Team mussten das Bier entsprechend vorproduzieren. «Das war eine abenteuerliche Arbeit», erinnert er sich rund elf Jahre später.

Pinke brachte einen neuen Stil in die Brauerei

Seit Pinke bei der Brauerei das Ruder übernommen hat, ist das Ueli-Sortiment um weitere Biere reicher geworden. Im Jahr 2021 übernahm die Fischerstube das Restaurant Linde und gab diesem mit der Ueli Brau Bar einen neuen Namen und ein frisches Gewand. Der Geschäftsführung dürstete es auch nach einem neuen Bier. Pinke fasste den Auftrag und griff auf fünf alte Hopfensorten zurück. Er kreierte das erste India Pale Ale im Sortiment der Kleinbrauerei, das Ueli Old School Hops Cold IPA. Ganz nach seiner Vorstellung ist es «nicht zu bitter und kräftig». Ebenfalls aus Pinkes Hand stammt das erste Stout im Ueli-Regal.

Wie sein Vorgänger Welti tüftelt auch Pinke gerne mit der 100-Liter-Brauanlage an neuen Spezialbieren herum. Anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums der Brauerei brachte er ein Bier mit einer Geheimzutat heraus. Fans des süssen Geschmacks dürften Gefallen daran finden. Das Bier kann diese Woche in der Ueli Brau Bar getrunken werden, es ist aber entsprechend der Anlage auf 100 Liter limitiert. Anders als Welti lehnt sich Pinke nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn er neue Biere braut. «Ich versuche schon, Biere zu kreieren, die trinkbar sind», sagt er mit einem Schmunzeln. Geschmäcke sind bekanntlich verschieden.

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Der ehemalige und der aktuelle Braumeister: Toni Welti (links) und Jürgen Pinke. Bild: zVg

Wer die Ueli Biere an ihrem Ursprungsort kosten will, kann dies diese Woche in der Rheingasse tun. Zum Jubiläum veranstaltet die Brauerei verschiedene Anlässe rund ums Ueli Bier. Weitere Infos zum Jubiläumsprogramm findest du hier.

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Kommentare

Dein Kommentar

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13.11.2024 09:29

GlaibaslerGschwafel

Bestes Bier der Schweiz!

2 2
13.11.2024 10:35

Sonnenliebe

Das ist sicher nicht schlecht, aber noch besser ist das Bier der Braubude Basel (BBB), nur so als Tipp 😉

1 2
14.11.2024 13:20

Sonnenliebe

Haben Sie das super leckere Bier von der Braubude Basel überhaupt schon mal probiert? Einfach ein Genuss!

1 0
14.11.2024 09:37

Sonnenliebe

ja ja ja ja….jeder Geschmack ist anders…

1 0
13.11.2024 20:00

Sonnenliebe

Wer das Bier noch nie probiert hat, hat dazu auch nichts zu sagen.

2 1
13.11.2024 08:31

akjo

Schöne Geschichte vom ULI BIER…
1980 hatte ich in der Steinlemer Bar gearbeitet, es war die erste Bar in Basel wo es ULI BIER im offen ausschank gab, es war ein totaler Erfolg!!! Auch die Karaffen waren sehr beliebt als Geschenk. Es bleibt eine schöne Erinnerung. 🍻🍻

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