Die Organspende als letzter Strohhalm im Kampf ums Überleben
©Bilder: Baseljetzt / Pixabay, Montage: Baseljetzt
Gesundheit
Region

Die Organspende als letzter Strohhalm im Kampf ums Überleben

09.09.2023 18:34 - update 09.09.2023 20:59
Pascal Kamber

Pascal Kamber

Soll ich meine Organe spenden oder nicht? Am nationalen Organ- und Gewebespendetag sprachen sich im Basler Unispital Betroffene für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dieser Frage aus.

Wenn das eigene Kind stirbt, ist das wohl die schlimmste Erfahrung, die Eltern machen müssen. Genau das mussten Daniela und Marc Paltzer durchmachen. Vor drei Jahren kam ihr damals 17-jähriger Sohn Noah bei einem Verkehrsunfall ums Leben.

Noch in der Unfallnacht mussten Vater und Mutter Paltzer entscheiden, ob sie die Organe ihres Kindes zur Spende freigeben wollen oder nicht. «Diese Frage ist an uns herangetragen worden zu dem Zeitpunkt, als es keine Hoffnung mehr gab», erinnert sich Marc Paltzer. «Für uns war das der letzte Strohhalm, an dem man sich gehalten hat, um zu sagen: Wenn, dann soll wenigstens das einen Sinn in dieser ganzen Tragödie geben.»

Trauer, Leere und eine schwierige Frage

Der Schicksalsschlag hat Marc Paltzer und seine Frau komplett überfordert. «Man klammert sich an jeden Gedanken und sagt sich, dass es irgendwie schon gut kommt», sagt er. In dem Moment, in dem die Realität aber da sei, «ist es primär eine sehr grosse Trauer, eine Leere, eine Hoffnungslosigkeit. Man funktioniert einfach».

Neben der Trauer hat ihnen die Frage nach der Organspende viel abverlangt. «Nicht zu wissen, wie die Entscheidung unseres Sohnes gelautet hätte, war etwas vom schwierigsten. Er war 17, wir haben mit ihm nie über die Organspende gesprochen», sagt Marc Paltzer. Heute seien er und seine Frau überzeugt davon, wie wichtig dieser Austausch ist. «Die Diskussion ist ein zentrales Element, das eben dazu führt, dass diese Last, dieser Druck von den Angehörigen, die noch hier sind, weggenommen wird. Egal, ob jemand dafür oder dagegen ist», so Paltzer.

Unbeschreibliches Gefühl

Auch Michelle Hug musste sich von etwas trennen: von ihrem Herz. Wegen eines angeborenen Herzfehlers bekam die Ostschweizerin 2012 ein Spenderherz. Heute bezeichnet sie diesen Tag als zweiten Geburtstag. «Es ist unbeschreiblich, wenn man diese Chance bekommt. Sonst wäre ich seit elf Jahren nicht mehr hier», sagt Hug.

Die Operation sei aber auch für sie als Empfängerin eines Organes psychisch belastend gewesen. Ihre medizinische Berufsausbildung hilft ihr dabei, das Ganze aus einer neutralen Position anzuschauen. «Die Person ist nicht wegen mir gestorben. Sie musste gehen und die Familie sagte in dieser schwierigen Zeit ja zur Organspende, was ich extrem schön finde. Das ist für jedes Leben, das geschenkt wird, wichtig», sagt Hug und betont: «Man muss sich als Empfängerin bewusst sein, dass man nicht schuld ist an diesem Schicksal.»

Vor diesen Überlegungen überwog bei ihr die Ungewissheit, ob es überhaupt ein Herz für sie geben würde oder nicht. «Ich hätte jeden Tag selber sterben können, aber das verdrängt man automatisch», sagt Michelle Hug. Stattdessen kreisten andere, belastende Gedanken in ihrem Kopf umher. «Nämlich, wie es meiner Familie geht, wenn ich es nicht überleben werde», sagt Hug.

Der Ball liegt beim Bund

Heute kann Michelle Hug bis auf ein paar Tabletten pro Tag wieder ein normales Leben führen. Diesen Wunsch ist in der Schweiz einigen Menschen vorerst noch vergönnt. Aktuell warten gemäss Swisstransplant über 1400 Personen auf ein neues Organ.

Auch aus diesem Grund setzen sich Daniela und Marc Paltzer und Michelle Hug dafür ein, dass möglichst viele Leute festhalten, was mit ihren Organen geschehen soll. Sie hoffen diesbezüglich, dass die im Mai 2022 in einer eidgenössischen Abstimmung gutgeheissene erweiterte Widerspruchslösung wie vorgesehen 2025 umgesetzt werden kann. «Das Volk hat ja gesagt, jetzt muss der Bund vorwärts machen. Es geht um Menschenleben», sagt Hug.

Feedback für die Redaktion

Hat dir dieser Artikel gefallen?

Kommentare

Dein Kommentar

Mit dem Absenden dieses Formulars erkläre ich mich mit der zweckgebundenen Speicherung der angegebenen Daten einverstanden. Datenschutzerklärung und Widerrufshinweise

Kommentare lesen?

Um Kommentare lesen zu können, melde dich bitte an.