Direktorin der Liste Art Fair: «Die Kunst wird wieder politischer»
©Bilder: Gina Folly, Moritz Schermbach / Montage: Baseljetzt
Messe
Basel-Stadt

Direktorin der Liste Art Fair: «Die Kunst wird wieder politischer»

14.06.2023 10:23 - update 14.06.2023 14:27
Jennifer Weber

Jennifer Weber

Parallel zur Art Basel findet auch jeweils die Liste Art Fair Basel statt. Baseljetzt sprach mit der Direktorin Joanna Kamm über aktuelle Trends auf dem Kunstmarkt und das Thema Nachhaltigkeit.

Seit 28 Jahren lädt die Liste Art Fair Basel Galerien der jüngeren Generation ein, die aktuellsten Entwicklungen in der zeitgenössischen Kunst zu zeigen. 88 Galerien aus 35 Ländern zeigen in der Halle 1.1 der Messe Basel über 100 Künstler:innen.

Am Montag eröffnete die Liste. Baseljetzt traf Joanna Kamm, Direktorin der Liste Art Fair Basel am Tag danach zum Interview.

Baseljetzt: Was gibt es dieses Jahr an der Liste Art Fair zu sehen? Kann man da gewisse Trends hervorheben?

Joanna Kamm: Sehr spannend finde ich, dass die Kunst wieder politischer wird. Während der Pandemie hat man gemerkt, dass sich viele Künstler:innen mehr damit beschäftigt haben, die eigene Fragilität zu thematisieren. Was auch sehr verständlich ist zu dieser Zeit, finde ich. Jetzt geht der Blick wieder mehr nach aussen und es wird beobachtet, was in der Welt passiert. Und das widerspiegelt sich in der Kunst. Ausserdem haben wir viel zeitbasierte Kunst dieses Jahr, was auf dem Kunstmarkt nicht selbstverständlich ist. Von Videoarbeiten, Soundarbeiten, über künstliche Intelligenz, computergenerierte Kunst bis hin zu Geruch – auch das ist temporär.

Direktorin der Liste Art Fair: «Die Kunst wird wieder politischer»
Die Direktorin der Liste Art Fair: Joanna Kamm. Bild: Gina Folly

Wie ist die Liste gestartet?

Bombastisch! Es war ein ganz toller Auftakt. Unglaublich viele hochkarätige Leute sind gekommen. Viele sehr gute Sammler:innen, Institutionen, und Museumsdirektor:innen sowie auch Kritiker:innen und Presse. Die Galerist:innen sahen alle sehr glücklich aus.

Die Nachhaltigkeit ist bei der Liste ein grosses Thema. Wie äussert sich das?

Auf verschiedenen Ebenen. Einerseits versuchen wir als Organisation, viele Massnahmen umzusetzen. Wir konnten dank Fördergelder eine Nachhaltigkeitsmanagerin ins Team holen. Sie hat Daten gesammelt aus den letzten zwei Jahren, damit wir einen Carbon-Footprint-Report machen konnten. Zudem arbeitet sie auch eng mit der «Gallery Climate Coalition» zusammen. Das ist eine Organisation aus London, die weltweit die Anlaufstation für alle aus dem Kunstbetrieb ist. Dann haben wir aber auch ganz praktische Sachen umgesetzt. Bis zu zehn Stunden Distanz legen wir beispielsweise mit dem Zug zurück. Zudem bieten wir Wasserstationen an, um mitgebrachte Trinkflaschen aufzufüllen. Schon während dem Aufbau haben wir damit Hunderte von Plastikflaschen gespart. Wir setzen auf wiederverwendbare Materialien im Messebau, so haben wir unter anderem wiederverwendbare Stoff-Flaggen für unsere Signaletik produziert. Bei den Besucher:innen und Aussteller:innen beginnen wir, Erhebungen zu machen, um herauszufinden, wie sie anreisen und wie die Kunstwerke transportiert werden. Auch inhaltlich haben wir das Thema Nachhaltigkeit integriert, indem wir die Kuratorin Sarah Johanna Theurer, eingeladen haben. Sie hat das Ausstellungsprojekt «Whistlers» kuratiert, in dem sie auf die Frage der Nachhaltigkeit eingeht. Teil der Ausstellung ist die Klanginstallation «In Curved Water» von Tomoko Sauvage, bei der es um die Transformation von Eis zu Wasser zu Sound geht.

Zum dritten Mal findet die Liste in der Messehalle 1.1 statt. Hat sich dieser Standort bewährt?

Die ersten zwei Jahre war es eine temporäre Vereinbarung mit der Art Basel, die uns während der Pandemie solidarisch unterstützen wollte, damit wir einen «luftigeren» Ort haben. Letztes Jahr fragte ich die Galerien, ob sie bevorzugen würden, wieder zurück zum Warteck zu gehen oder hier zu blieben. Die grosse Mehrheit sprach sich dafür aus, hier zu bleiben. Die meistgenannten Gründe waren, dass es hier demokratischer ist, alle mehr oder weniger die gleichen Voraussetzungen haben und der Ort für alle zugänglich ist. Im dritten Jahr haben wir ausserdem das Gefühl, so richtig angekommen zu sein. Wir wissen, dass wir jetzt erstmal für die nächsten paar Jahre hier bleiben.

Die Digitalisierung wird in allen Bereich immer wichtiger. Die Liste hat auch zwei digitale Formate, die Liste Showtime Online und die Liste Expedition Online. Gibt es dafür ein grosses Bedürfnis?

Diese Formate sind in der Zeit der Pandemie entstanden. Liste Showtime ist enorm vielseitig, weil sie für uns – und das ist auch nachhaltig – zum Beispiel den Katalog ersetzt. Zudem ist es aber auch eine digitale Verkaufsplattform und somit auch für all jene zugänglich, die nicht anreisen können. Für die Galerien ist es eine erweiterte Möglichkeit nebst der Messe ein:e Künstler:in vertiefter auf dieser Plattform zu präsentieren. Liste Expedition ist dann die langfristige Transformation von Liste Showtime zu einem Künstler:innen-Index. Das ist sehr schön für uns, da wir so auch weiterhin die grosse Arbeit der Galerien wertschätzen können, wenn es um die Präsentation ihrer Kunstschaffenden geht. Unterdessen haben wir schon 300 Künstler:innen im Index. Jedes Jahr kommen 80 bis 90 neue aus aller Welt dazu.

Gibt es für Sie ein ganz persönliches Highlight an der diesjährigen Liste?

Ich bin für alle 88 Galerien da (lacht).

Feedback für die Redaktion

Hat dir dieser Artikel gefallen?

Kommentare

Dein Kommentar

Mit dem Absenden dieses Formulars erkläre ich mich mit der zweckgebundenen Speicherung der angegebenen Daten einverstanden. Datenschutzerklärung und Widerrufshinweise

Kommentare lesen?

Um Kommentare lesen zu können, melde dich bitte an.