Drei junge Männer vor Gericht: Die Vorwürfe sind happig
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Strafgericht
Basel-Stadt

Drei junge Männer vor Gericht: Die Vorwürfe sind happig

09.01.2024 18:31 - update 11.01.2024 09:31
Manuela Humbel

Manuela Humbel

Versuchte vorsätzliche Tötung, besonders gefährlicher Raub und Körperverletzung: Drei junge Männer standen am Dienstag vor dem Strafgericht. Ihr mutmassliches Opfer ist nach dem Vorfall auf lebenslange Pflege angewiesen.

Am Dienstag standen drei junge Männer vor dem Basler Strafgericht. Die Vorwürfe gegen sie sind happig: Versuchte vorsätzliche Tötung, ein besonders gefährlicher Raub oder Körperverletzung sind nur einige der Straftatbestände, die der Anklageschrift zu entnehmen sind. Zwei der drei mutmasslichen Täter sind bereits vorbestraft. Ob die neuen Vorwürfe gegen sie bestätigt werden, wird sich am Donnerstagnachmittag zeigen.

Angefangen mit einer Ohrfeige

Im Zentrum der Gerichtsverhandlung steht der frühe Morgen des 12. Augusts 2022. Die drei Beschuldigten und das Opfer sind vor einer Bar an der Steinentorstrasse aufeinandergetroffen. Zwischen einem der mutmasslichen Täter und dem Geschädigten soll es zu einem Streit gekommen sein: Das Opfer schulde ihm zwischen 500 bis 1’000 Franken. Der angebliche Schuldner soll das bestritten haben, daraufhin von einem zweiten mutmasslichen Täter bedrängt worden sein und diesen in der Folgen rassistisch beleidigt haben. Daraufhin soll ihm dieser eine Ohrfeige verpasst haben.

Tod «billigend in Kauf» genommen

Die Lage spitzte sich zu. Der erste Beschuldigte soll «äusserst brutal» auf das Opfer eingeschlagen und der zweite mutmassliche Täter ihm einen Fusstritt verpasst haben – nachdem der Mann zu Boden gefallen sei.

Mit den «heftigen Schlägen und Tritten» gegen den Kopf soll der mutmassliche Haupttäter den Tod des Opfers beabsichtigt oder mindestens «billigend in Kauf» genommen, lebensgefährliche Verletzungen oder eine schwere Schädigung des Körpers beabsichtigt oder hingenommen haben. Auch die anderen Beschuldigten sollen die genannten Folgen in Kauf genommen und erste Hilfe unterlassen haben.

Opfer kann nicht mehr alleine leben

Das Opfer hat unter anderem ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und mehrere Verletzungen am Kopf und im Gesicht erlitten. Der Mann ist jetzt auf dauernde Pflege und Unterstützung angewiesen und kann nicht mehr alleine in einer Wohnung leben – auch nicht mit Hilfe anderer.

Am Dienstagnachmittag hat er den Verhandlungen kurz beigewohnt. Er ist jetzt auf einen Rollstuhl und einen Beistand angewiesen.

Opfer kann nicht mehr kommunizieren, wie es ihm geht

Sein Anwalt betonte in seinem Plädoyer wiederholt, dass sein Mandant Opfer einer «äusserst gewaltsamen und heftigen Tat» wurde. «Er war den Beschuldigten numerisch unterlegen», sei nach kurzer Zeit zu Boden gefallen und hätte sich nicht mehr zur Wehr setzen können. Das Opfer sei in eine tiefe Bewusstlosigkeit gefallen, was zu einer unmittelbaren Lebensgefahr geführt hätte. Auch die starken Blutungen am Kopf, eine spätere schwerwiegende Lungenendzündung, ausgelöst durch die Tat, sowie ein in der Folge septischer Schock, hätten tödlich enden können.

«Aufgrund seines Gesundheitszustandes ist es ihm nicht mehr möglich, mitzuteilen, wie sich sein Leben wegen der Tat verändert hat», sagte sein Verteidiger vor Gericht. Aber Bekannte von ihm hätten ihn davor als gesprächigen, lieben, aufgestellten und witzigen Menschen wahrgenommen, der viel lachte. Er habe oft FCB-Spiele besucht, als DJ aufgelegt und gerne soziale Kontakte gepflegt.

«Haben ihm die Möglichkeit genommen, selbstständig an Leben teilzunehmen»

Nach der Tat ist das Opfer in ein einmonatiges Wachkoma gefallen und mit bleibenden neurologischen und kognitiven Schäden aufgewacht. Er reagiere oft verzögert, habe Mühe, seine Aufmerksamkeit auf Reize zu lenken und könne auf teilweise einfache Fragen nicht antworten, führt sein Anwalt weiter aus.

Sein Mandant werde nie mehr in der Lage sein, sein Leben autonom zu gestalten. «Er ist zeitlebens auf Hilfe angewiesen und lebt in einem Heim, das 24 Stunden Hilfe anbietet.» Die mutmasslichen Täter hätten ihm die Möglichkeit genommen, «selbstständig an seinem Leben teilzunehmen, ein Gespräch mit Freund:innen zu führen oder einen Spaziergang zu machen».

Kann sich kaum an Tat erinnern, aber an Farbe von Socken

Vor Gericht wollen sich zwei der Angeklagten zuerst gar nicht erinnern, mitgekriegt zu haben, dass das Opfer auf den Boden fiel. Der Dritte verweigert bei jeder Frage zur Anklageschrift der Staatsanwaltschaft seine Aussage. Der 26-Jährige mutmassliche Täter sei laut eigenen Angaben «zu dicht gewesen» um sich an den genauen Vorfall erinnern zu können. «Ich wusste nicht, wo links und rechts ist.» Was er an dem Tag anhatte, konnte er bis auf die Farbe und die Socken jedoch sehr detailliert wiedergeben.

Er wird in der Anklageschrift beschuldigt, dass er mindestens einmal auf das Opfer eintrat, als es bereits auf dem Boden lag. Er selbst sagt, er habe nicht mitbekommen, was in der Unterführung abging und habe das Opfer nicht verletzt.

Konnte trotz hohem Alkoholpegel rennen

Der Richter geht auf die Videoaufnahmen ein, auf denen zu sehen ist, wie die drei jungen Männer vom mutmasslichen Tatort wegrennen. Warum er denn weggerannt sei, will er vom Beschuldigten wissen. «Weil die anderen beiden plötzlich weggerannt sind, da dachte ich mir, ich renne auch mit», entgegnet dieser. «Sie haben gesagt, sie seien so betrunken gewesen, dass sie nichts mehr mitbekommen haben. Aber rennen konnten sie offenbar?», hakte der Richter nach. «Ja, das habe ich auch gesehen», antwortet der jungen Mann fast etwas erstaunt und nimmt Bezug auf die Videoaufnahmen.

Ohrfeige sei nicht hart gewesen: «Wie wenn man sie kleinem Kind gibt»

Der zweite Angeklagte, ein 30-jähriger Mann, gibt zu, dem Opfer eine Ohrfeige verpasst zu haben, aber sie sei nicht hart gewesen. «Wie wenn man sie einem kleinen Kind gibt und sagt: ‘mach so etwas nicht’.»

Auch er gibt an, nicht gesehen zu haben, dass das Opfer auf dem Boden lag. Der Richter bemerkt, dass auf den Videoaufnahmen zu sehen ist, wie die drei mutmasslichen Täter hintereinander wegrennen. Zwischen den einzelnen Männern liege nur ein Abstand von wenigen Sekunden. «Sie wollen mir sagen, dass in fünf, meinetwegen zehn Sekunden, das Opfer vom dritten Angeklagten derart verletzt wurde, dass es plötzlich auf dem Boden lag?»

«Ein Leben für 256 Franken»

In der Anklageschrift ist auch die Rede davon, dass der 30-Jährige und der Haupttäter, der sich nicht äussern will, dem Opfer die Tasche und das Handy entwendet haben sollen. Auch darüber wird diskutiert. Ersterer hat gesagt, er sei davon ausgegangen, es sei die Tasche seines 25-Jährigen Kollegen – obwohl dieser während des ganzen Abends einen augenscheinlich andersfarbigen Sportbeutel trug.

Mit den Kreditkarten sollen die beiden kurz nach dem Vorfall Käufe in einem «Tamilen-Laden» und der «Don’t worry be happy»-Bar getätigt haben. «Ein Leben für 256 Franken», schlussfolgerte der Anwalt des Opfers in seinem Plädoyer.

«Er ist eine tickende Zeitbombe»

Die Staatsanwaltschaft beantragt für die drei Angeklagten folgende Strafen: Der Haupttäter habe keinerlei Skrupel geäussert, brutal vorzugehen, um seinen Bedürfnissen nachzugehen. Der einzige Zweck seiner mutmasslichen Tat, sei die Beschaffung von Geld gewesen. Er habe eine äusserst grosse Gewaltbereitschaft und sei eine tickende Zeitbombe, man wisse nie, wann er zuschlage. Zudem habe er keine Reue und kein Geständnis an den Tag gelegt. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten und dann eine Landesverweisung für 15 Jahre. Er stammt nämlich aus Deutschland.

Der 30-Jährige solle für fünf Jahre und drei Monate ins Gefängnis und ebenfalls des Landes verwiesen werden. Und der 25-Jährige für vier Jahre und drei Monate hinter Gitter und danach ebenfalls die Schweiz verlassen.

Schwer geschädigtes Opfer: Rechtsvertretungen fordern Freispruch

Die Anwält:innen verlangten, dass ihre Mandanten von der versuchten vorsätzlichen Tötung und dem Raub freigesprochen, sowie, dass sie nicht aus der Schweiz ausgewiesen werden.

Wie es mit den drei jungen Männern weitergeht, wird sich am Donnerstagnachmittag zeigen. Auf dann ist nämlich die Urteilsverkündung angesetzt.

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Kommentare

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09.01.2024 19:41

XxX84

Das hat fast 2 Jahre gebraucht sie vor Gericht zu bringen? Ist nicht euer ernst oder… 🤦‍♂️ sollte definitiv schneller gehen! 1Monat nach der Tat maximal. Zeit zum packen reicht somit auch!

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