Wahlvolk relativiert grüne Welle und sorgt für konservativen Rutsch
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Schweiz

Wahlvolk relativiert grüne Welle und sorgt für konservativen Rutsch

22.10.2023 14:52 - update 22.10.2023 17:18

Baseljetzt

Die SVP ist laut der SRG-Hochrechnung mit einem Wähleranteil von 29,0 Prozent klare Gewinnerin der Nationalratswahlen. Die Grünen verlieren über vier Prozentpunkte und fallen deutlich unter zehn Prozent.

Das zeigt die erste nationale Hochrechnung von GFS Bern im Auftrag der SRG. Demnach ist die SVP mit einem Wähleranteil von 29 Prozent (plus 3,4 Prozentpunkte) klare Gewinnerin der Nationalratswahlen. Die Grünen verlieren 4,1 Prozentpunkte und fallen mit 9,1 Prozent deutlich unter die 10-Prozent-Marke.

Mitte könnte FDP überflügeln

Bei den übrigen grösseren Parteien sind Bewegungen unter einem Prozentpunkt zu erwarten. Tendenziell gewinnen wird demnach die SP, die mit einem Wähleranteil von 17,2 Prozent deutlich die zweitstärkste Partei im Nationalrat bleibt. Die aus der Fusion von CVP und BDP entstandene Mitte-Partei könnte mit einem Wähleranteil von 14,7 Prozent (+0,9 Prozentpunkte) die FDP mit 14,6 Prozent (-0,5 Prozentpunkte) überholen, was historisch wäre.

Die GLP kommt gemäss der Hochrechnung auf einen Wähleranteil von 7,1 Prozent – ein Minus von 0,7 Prozentpunkten. Auch sie leidet darunter, dass 2023 anders als 2019 keine Klimawahlen waren.

Noch ist ungewiss, wie gross die Sitzverschiebungen in der grossen Kammer sein werden. Gemäss ersten Endresultaten aus kleinen bis mittelgrossen Kantonen sowie Hochrechnungen aus grösseren Kantonen gewinnt die SVP momentan zehn Sitze dazu. Sitzgewinne gibt es demnach in den Kantonen Bern, Waadt, Aargau, St. Gallen, Luzern, Tessin, Freiburg, Graubünden, Neuenburg, Jura und Glarus. In Nidwalden verlor die SVP ihren bisherigen Sitz.

Auf der anderen Seite verlieren die Grünen gemäss aktuellen Erkenntnissen aus den Kantonen acht Sitze – dies doppelt in Zürich, Bern und Genf. Einen Sitz weniger dürfte es in den Kantonen Waadt und Thurgau geben.

Gemischte Gefühle von Links

SP-Co-Präsident Cédric Wermuth hat gemischte Gefühle mit Blick auf die bisherigen Wahlergebnisse. «Ich bin sehr froh, legen wir etwas zu, gleichzeitig macht uns der Rechtsrutsch Sorgen», sagte Wermuth am Sonntagnachmittag zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

«Wir hatten überraschend positive Resultate, wie etwa in Schaffhausen, wo wir einen Sitz im Ständerat gewinnen könnten», sagte Wermuth. Der «Rechtsrutsch» des Parlaments sei aber in keiner Art und Weise wünschenswert, so Wermuth weiter. «Wir setzen aber trotzdem alles dran, Krankenkassenprämien, Klimapolitik und Gleichstellung voranzubringen», sagte Wermuth.

Die Präsidenten der GLP, der Mitte und der FDP haben den sich abzeichnenden Gewinn der SVP bei den Nationalratswahlen einen «Rechtsrutsch» genannt und zugleich relativiert. Es handle sich um eine Korrektur des Ergebnisses der Wahlen von vor vier Jahren, hiess es.

Vertrauensbeweis der Bevölkerung

Das «Verdickt» sei ein «Rechtsrutsch», sagte etwa GLP-Präsident Jürg Grossen in der Präsidentenrunde von Blick TV, aber er sei nicht riesig. Grossen erinnerte daran, dass es 2019 einen Rutsch in die andere Richtung gegeben habe. Damals konnten die Grünen zulegen, die dieses Jahr gemäss einer ersten Hochrechnung über vier Prozentpunkte verlieren könnten. Insgesamt seien die Verhältnisse stabil, es habe sich nicht wahnsinnig viel verändert, sagte Grossen.

FDP-Präsident Thierry Burkart sieht im «klaren Rechtsrutsch» eine «gewisse Korrektur zu vor vier Jahren.» Dieses vorläufige Resultat habe klar damit zu tun, dass das Thema Asyl ein grosses Gewicht erhalten habe. «Wir müssen da konsequenter werden, das ist ein klares Signal und ein Auftrag der Bevölkerung.» Burkart meinte damit, «wer einen positiven Bescheid hat, muss bleiben können, die anderen müssen gehen.»

Mitte-Präsident Gerhard Pfister verwies darauf, dass die Schweiz in der vergangenen Legislatur eine der schwierigsten Zeiten seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt habe. Dennoch zeige das Resultat, dass sich die politischen Blöcke stabil hielten, das sei auch ein Vertrauensbeweis der Bevölkerung.

Zu früh, um von einem Rechtsrutsch zu sprechen

Erlebt die Schweiz an diesem Wahlsonntag also einen Rechtsrutsch – oder ist es eine Korrektur gegenüber 2019, als grüne und feministische Kräfte überdurchschnittlich zugelegt hatten? Politologe Nenad Stojanović warnte gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vor voreiligen Schlüssen.

Man müsse die Gesamtresultate anschauen, sagte er: «Zum rechten Spektrum zählt nicht nur die SVP, und im linken Lager darf man nicht nur die Grünen anschauen». So habe die SP durchaus Gewinne erzielt, etwa in der Waadt, in Genf, in Bern oder überraschend auch mit einem Ständeratssitz in Neuenburg.

In der Elefantenrunde auf Blick.ch waren sich die Parteipräsidentinnen und -präsidenten nicht einig: Vertreter von Mitte-rechts sprachen von einer Korrektur, die SP-Vertreterin von einem Rechtsrutsch.

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23.10.2023 13:05

peco

Die Wähler haben genug von der Grünen Schönwetter Politik. Solarenergie funktioniert nur bei Sonnenschein, was geschieht bei einem Vulkan Ausbruch oder noch schlimmer bei einem Meteoriten Einschlag. Es kann Wochen, Monate oder Jahre ohne Sonnenschein geben.

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