Europäischer Gerichtshof verurteilt Schweiz wegen Racial Profilings
©Bild: Keystone
Diskriminierung
Schweiz

Europäischer Gerichtshof verurteilt Schweiz wegen Racial Profilings

20.02.2024 11:10 - update 20.02.2024 16:17

Baseljetzt

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg hat die Schweiz wegen Diskriminierung verurteilt. Er hiess die Beschwerde eines dunkelhäutigen Mannes gut, der 2015 gebüsst worden war.

Gemäss dem am Dienstag veröffentlichten Urteil des EGMR gab es in dem Fall drei Verstösse gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Die Personenkontrolle sowie die darauf folgenden Verfahren vor Schweizer Gerichten verstiessen gegen das Diskriminierungsverbot, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie das Recht auf wirksame Beschwerde.

Er wollte keinen Ausweis zeigen

Der Beschwerdeführer Mohamed Wa Baile wurde 2015 im Zürcher Hauptbahnhof frühmorgens auf dem Weg zu seiner Arbeit von Zürcher Stadtpolizisten kontrolliert. Der Schweizer mit kenianischen Wurzeln, der damals als Bibliothekar bei der ETH arbeitete, weigerte sich, einen Ausweis zu zeigen oder seine Personalien anzugeben.

Er warf den Polizisten vor, Racial Profiling zu betreiben, ihn also einzig aufgrund seiner Hautfarbe zu kontrollieren. Die Polizisten durchsuchten seinen Rucksack und fanden dort einen AHV-Ausweis mit seinen Personalien darauf. Danach liessen sie Wa Baile gehen.

Einige Wochen später erhielt er für den Vorfall jedoch einen Strafbefehl wegen Nichtbefolgens einer polizeilichen Anweisung. Dafür sollte er eine Busse von 100 Franken bezahlen. Mit Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen zog der Betroffene den Strafbefehl vor Gericht. Verschiedene Schweizer Gerichte, zuletzt das Bundesgericht, stützten das Vorgehen der Polizei.

Einer der beteiligten Polizisten machte geltend, Wa Baile sei seinem Blick ausgewichen und habe versucht, einen Bogen um die Polizeipatrouille zu machen. Dies sei ihm verdächtig vorgekommen und deshalb habe man ihn kontrollieren wollen.

Schweizer Gerichte prüften Diskriminierung nicht

Gemäss Urteil des EGMR prüften die Schweizer Gerichte nicht ausreichend, ob bei der Personenkontrolle möglicherweise diskriminierende Gründe eine Rolle gespielt hätten.

Das Gericht äusserte in seinem Urteil aber auch Verständnis für die schwierige Situation der Polizisten, die innert sehr kurzer Zeit entscheiden mussten, eine Personenkontrolle durchzuführen oder nicht.

Der EGMR verurteilt die Schweiz zur Zahlung einer Entschädigung von knapp 24’000 Euro an Wa Baile, wenn das Urteil rechtskräftig wird.

Die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) begrüsste den Entscheid des EGMR in einer Mitteilung. Das Urteil zeige, dass die Praxis der Personenkontrollen in der Schweiz verbessert werden müsse.

Die «Allianz gegen Racial Profiling»; die Wa Baile beim Prozess unterstützte, äusserte sich am Nachmittag an einer Medienkonferenz in Bern. Zu ihren Forderungen gehören unter anderem sozialwissenschaftliche Untersuchungen der Polizeikorps mit Empfehlungen für Massnahmen zur Prävention von institutionellem Rassismus und Polizeigewalt. Zudem brauche es auf gesetzlicher Ebene klare Regelungen zur Verhinderung von rassistischen Polizeikontrollen.

(Urteile 43868/18 und 25883/21 vom 20. Februar 2024)

(sda/jab/daf)

Feedback für die Redaktion

Hat dir dieser Artikel gefallen?

Kommentare

Dein Kommentar

Mit dem Absenden dieses Formulars erkläre ich mich mit der zweckgebundenen Speicherung der angegebenen Daten einverstanden. Datenschutzerklärung und Widerrufshinweise

20.02.2024 15:22

mil1977

Die einen die keine Polizisten sind nennen es “Racial Profiling” weil es ihnen nicht passt, die anderen nennen es Erfahrungswerte.

2 0
20.02.2024 13:18

kutti

Man muss sich nicht wundern wenn Dunkelhäutige mehr Kontrolliert werden.

3 1

Kommentare lesen?

Um Kommentare lesen zu können, melde dich bitte an.