FHNW feiert historischen Launch: Wird diese Sonde die Rätsel des Universums aufdecken?
©Bild: ATG / ESA
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FHNW feiert historischen Launch: Wird diese Sonde die Rätsel des Universums aufdecken?

04.07.2023 06:28 - update 04.07.2023 14:42
Larissa Bucher

Larissa Bucher

Seit Jahren arbeiten Wissenschaftler aus 15 Ländern an der Weltraumsonde Euclid. Mit dabei: ein Team der FHNW. Das Teleskop ist nun im Weltall, wo es dabei helfen soll, die Geheimnisse des Universums zu lüften.

Hast du schon Mal von dunkler Energie gehört? Oder vielleicht von dunkler Materie? First things first: Nein, es geht hier nicht um die neuste Spinoff-Show von Star Wars. Es geht um unser Universum. Genauer gesagt um die 95 Prozent des Universums, die unerforscht sind. Diese bestehen nämlich aus dunkler Energie und Materie. Du weisst immer noch nicht, was das genau heissen soll? Keine Angst, das weiss nämlich niemand so wirklich.

Um etwas Licht ins Dunkle zu bringen, wurde Anfangs Juli die Weltraumsonde Euclid an Bord einer Falcon-9-Rakete von Space-X ins All geschossen. Ihr Zielpunkt liegt 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. An der Entwicklung der Sonde arbeiteten 2’000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 15 Ländern über eine Zeitspanne von über zehn Jahren. Auch die Fachhochschule Nordwestschweiz spielte dabei eine wichtige Rolle und veranstaltete nach dem Launch sogar ein grosses Fest. Dazu aber später mehr.

Zuerst willst du sicherlich noch eine professionellere Antwort auf die Frage «Was sind dunkle Energie und dunkle Materie?» lesen. Und: Falls du es genau wissen willst, hier ein paar Facts zur Sonde:

Die dunkle Seite des Universums

Wie bereits erwähnt, sind nur knapp fünf Prozent des Universums erforscht. Das heisst, fünf Prozent bestehen aus Sternen, Planeten und anderer Materie, die wir kennen und identifizieren können. Der Rest ist ein Rätsel für die Wissenschaft.

Was wir wissen: Die Gravitationskraft der dunklen Materie ist dafür verantwortlich, dass es überhaupt Galaxien gibt und dass diese stabil sind. Die dunkle Energie ist das Gegenteil dazu. Sie hält die Galaxien nicht zusammen, sondern treibt sie auseinander. Mit ihr erklärt man die Ausdehnung unseres Universums. Kurz gesagt: Dunkle Energie beschleunigt die Expansion des Universums und dunkle Materie beeinflusst die Formation kosmischer Strukturen.

Ein Blick in die Vergangenheit

Hier das Ziel der Mission nochmals «einfach» zusammengefasst: Herausfinden, was dunkle Materie und Energie genau sind und wie sie mit der Entwicklung des Universums in Zusammenhang stehen. Das Teleskop wird mithilfe von zwei wissenschaftlichen Instrumenten Karten des Universums erstellen. Darin werden Galaxien abgebildet, die bis zu zehn Milliarden Lichtjahre entfernt sind. Anders gesagt: Das Teleskop kann damit bis zu zehn Milliarden Jahre in die Vergangenheit schauen. «Das Licht braucht in diesem Fall zehn Milliarden Jahre, bis es bei uns ankommt. Somit sehen wir durch das Teleskop ein Bild aus einer lange vergessenen Zeit», erklärt Martin Melchior, Forscher am Institut für Data Science FHNW, das bei der Entwicklung mitwirkte.

In die Vergangenheit zu sehen sei besonders wichtig, denn die Wissenschaft kann so Einblick in unser Universum erhalten, als es noch etwa ein Drittel der heutigen Grösse hatte.

Euclid ist auf dem Weg ins All. (Video: Youtube/ ESA)

Zurück zur Karte: Diese wird die grösste und genaueste 3D-Karte des Universums werden und soll ein Drittel des ganzen Himmels abdecken. Die Daten daraus werden dabei helfen, besser verstehen zu können, wie das Universum expandiert und wie sich kosmische Strukturen bilden. Das wiederum lässt die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Eigenschaften von dunkler Energie und Materie ableiten.

Aber wieso ist es überhaupt wichtig, diese Dinge zu erforschen? «In der Wissenschaft geht es immer darum, sich mehr Wissen anzueignen», sagt Melchior. «Wir können so besser verstehen, wie das Universum entstanden ist und wie es sich in Zukunft verhalten wird.» Grundsätzlich gilt: Wenn wir das Universum, in dem wir leben, verstehen wollen, müssen wir mehr über diese beiden Phänomene wissen. Im Alltag wird dich jedoch weder dunkle Materie noch dunkle Energie jemals betreffen, da es keine Wechselwirkung mit normaler Materie (also Menschen, Pflanzen, Planeten etc.) gibt.

Grosses Projekt für die FHNW

Um diese gigantischen Karten anzulegen, müssen die Daten aus dem Weltall zurück zur Erde finden und verarbeitet werden. Das ist alles andere als einfach. Denn ein einzelnes Bild wird aus circa 6,5 Gigabytes bestehen. Hier kommt die Fachhochschule Nordwestschweiz ins Spiel. Seit elf Jahren arbeiten die Data Scientists vor Ort gemeinsam mit Forschenden weltweit an Methoden, solche enormen Datenmengen verarbeiten zu können. «Wir arbeiten seit über zehn Jahren an der Entwicklung einer Komponente mit, die dafür verantwortlich ist, die sehr komplexe Prozesskette der Euclid-Pipeline abzuarbeiten und diese verteilt rechnen zu können», erklärt Melchior. 

Die Mission im All soll rund sechs Jahre dauern. In dieser Zeit werden circa 150 Ptabytes an Daten verarbeitet werden müssen. Das ist schwer vorstellbar? Hier ein Vergleich: Man schätzt, dass alle von Menschen je geschriebenen Werke in allen Sprachen insgesamt rund 50 Petabytes an Daten entsprechen. Zur Verarbeitung werden diese Daten durch die von Melchior erwähnte Euclid-Pipeline an neun Datenzentralen geschickt. Eine davon ist auch in der Schweiz.

Feier für die Öffentlichkeit

An der Fachhochschule Nordwestschweiz in Brugg wurde der Euclid-Launch am Montag mit einem Fest gefeiert. Vorträge, Slams, Konzerte zum Thema Weltall sowie weitere Angebote standen für Jung und Alt zur Verfügung. Dazu konnte man die Sonde per Livestream auf ihrem Weg zum Endpunkt ins All verfolgen.

Das ganze Team war glücklich darüber, dass der Start gelungen ist. «Wir waren schon etwas nervös», sagt Melchior mit einem Lächeln. «Man weiss ja nie, ob wirklich alles funktioniert bei diesen Starts.» Nach dem gelungenen Launch ist das Team jetzt gespannt, ob alles so funktionieren wird, wie es gemäss Spezifikation vorgesehen und in unzähligen Tests überprüft worden ist. Und natürlich: «Wir sind neugierig darauf, welche neue Wissenschaft aus diesem einzigartigen Datenset entwickelt werden wird – etwas, das nicht wir leisten werden, aber wozu wir einen wichtigen Beitrag geleistet haben». So sei die Arbeit an solch einem grossen Wissenschaftsprojekt sehr spannend, aber auch herausfordernd gewesen.

Wie gross die Bedeutung dieses Projekts für die Menschheit ist, betont auch Jürg Christener, Direktor der Hochschule für Technik FHNW, während seiner Ansprache am Fest. Und: «Es ist besonders und wichtig, dass wir als Fachhochschule bei solch grossen Projekten mitwirken können.»

Stimmt Einsteins Theorie der Gravitation überhaupt?

Und zum Schluss: Hier noch ein Gedanke, der dich heute den ganzen Tag lang beschäftigen kann. Das Euclid-Teleskop könnte nämlich das Fundament der Physik und damit unser heutiges Weltbild komplett erschüttern und auf den Kopf stellen, sagt Physiker Martin Kunz gegenüber SRF. Er vertritt die Schweiz beim Euclid-Projekt der europäischen Weltraumagentur ESA.

Kurz erklärt: Albert Einstein hat eine berühmte Gleichung, die sogenannte kosmologische Konstante, eingeführt. Diese war Teil seiner allgemeinen Relativitätstheorie. Bis heute orientieren sich Forschende auf der ganzen Welt an dieser Gleichung. Sie ist ein fester Bestandteil der gängigen Erklärung der Entstehung des Universums. Mit dem kosmologischen Modell scheint jedoch etwas nicht zu stimmen. «Die Teilchenphysik-Modelle sagen vorher, dass es viel mehr von dieser Art der dunklen Energie geben sollte. Und zwar so viel, dass unser Universum gar nicht existieren könnte», sagt Kunz. Das wirft grosse Fragen auf. Darunter auch, ob die Theorie der Gravitation auf den Skalen des Universums überhaupt richtig ist.

Euclid ist also nicht nur eine weitere Sonde im Weltall, die uns sowieso nicht interessieren muss. Ganz im Gegenteil: Sie könnte Licht in die dunkelsten Ecken des Universums und der Wissenschaft bringen.

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