Franz-Xaver Leonhardt: «Unsere Aufgabe ist es, für Minderheiten da zu sein»
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Gleichstellung
Basel-Stadt

Franz-Xaver Leonhardt: «Unsere Aufgabe ist es, für Minderheiten da zu sein»

04.12.2023 17:23 - update 05.12.2023 11:54
Jessica Schön

Jessica Schön

Der Entwurf zum neuen Gleichstellungsgesetz berücksichtigt Menschen aus dem LGBTQAI-Spektrum. «Unnötig», finden die einen. Eine Herausforderung, bei der Basel zurecht eine Vorreiterrolle einnimmt, die anderen.

Bis jetzt umfasste das kantonale Gleichstellungsgesetz zumindest sprachlich nur Frauen und Männer. Mit der Ausarbeitung des neuen Gesetzesentwurfes, den die Justiz-, Sicherheits-, und Sportkommission (JSSK) am Dienstag vorlegte, soll sich das ändern: Neu soll das Gesetz auch explizit Menschen aus dem LGBTQAI-Spektrum einschliessen.

Das Medienecho auf die innerfeministische Debatte, die durch den Entwurf angestossen wurde, ist gross. An dieser Stelle lohnt sich ein kurzer Blick in die Vergangenheit: Im Gesetzes-Anstoss’ seitens des Grossen Rates von 2020 wurden non-binäre Menschen nicht erwähnt. Der revidierte Vorschlag der Regierung vor eineinhalb Jahren verzichtete demgegenüber ganz auf die Begriffe «Mann» und «Frau»: Eine progressive Stossrichtung, die im bürgerlichen Spektrum klar auf Ablehnung stiess, aber eben auch unter Feminist:innen zu kontroversen Diskussion führte.

Mit dem neuen Vorschlag der JSSK verhält es sich ähnlich. Und das, obwohl neben der Anerkennung non-binärer Lebenswirklichkeiten auch Frauen und Männer weiterhin genannt werden. Prominent stört sich wiederholt der Verein «Justizia ruft» an der Vorlage: Mit dem Fokus auf die Geschlechtervielfalt gerate die strukturelle Ungleichheit zwischen Frauen und Männern aus dem Blickfeld. Ferner basiere die Vorlage «auf einer umstrittenen Gendertheorie, die dem Gesetz übergestülpt wird», heisst es auf der Webseite des Vereins.

Ein Kompromiss, viele Gewinner

Sie glaube nicht, dass die Forderung nach einer expliziten Nennung von Frauen und Männern im aktuellen Entwurf allen Feministinnen wichtig war, zeigt sich Bajour Co-Chefredaktorin Ina Bullwinkel im Sonntagstalk von Telebasel überzeugt. Die teils kontroversen Debatten zeigten aber, dass die Finalisierung von Gesetzesentwürfen langwierige Prozesse seien.

Ginge es nach dem SVP-Grossrat Pascal Messerli hätten diese Diskussionen auf kantonaler Ebene gar nicht erst stattgefunden: «Ich sehe keinen Mehrwert, wenn der Kanton vorprescht und ein Gesetz in die Welt schafft, dass niemand braucht.»

Anders sieht es Mitte-Grossrat Franz-Xaver Leonhardt. Nicht nur sei er davon überzeugt, dass der Kompromiss «viele Gewinner» zu Tage gefördert habe; er glaube auch, dass gesellschaftliche Entwicklungen gesetzlich abgebildet gehörten.

«Wir in Basel haben eine Vorreiterfunktion»

Klar ist, dass der neue Gesetzesentwurf im Hinblick auf das binäre Geschlechtermodell ein Umdenken fordert. Eine Diskussion, die in der Academia und in queer-feministischen Kreisen schon lange geführt wird – und die in den letzten Jahren auch Einzug in die Schweiz gehalten hat. Dass man mit diesen Entwicklungen mithalten könne, will man nun auch auf kantonaler Ebene zeigen.

«Wir in Basel haben eine Vorreiterfunktion», glaubt Leonhardt. «Wir haben die schweizweit älteste Universität und wir überlegen uns, wie wir für neue Entwicklungen Antworten finden.» Dafür brauche es Gesetze – selbst wenn die Gesamtbevölkerung diese Entwicklungen noch nicht ganz nachvollziehen könne. Als Gesellschaft gehe es schliesslich auch darum, für Minderheiten da zu sein.

Das sei gerade für betroffene Menschen zentral, so Bullwinkel. Für einen grossen Wurf halte sie den Gesetzesentwurf allerdings nicht: Es könne auf relativ kleiner Basis Hilfe für Betroffene ermöglichen – mehr aber nicht. «Es geht und die Gleichstellung aller Menschen die im Kanton leben.»

Der neue Entwurf zum Gleichstellungsgesetz in Kürze

Im aktuellen Entwurf sind Männer und Frauen erwähnt. Auch die Gelder für ihre Gleichstellung sollen nicht gekürzt werden. LGTQIA-Menschen sollen aber zusätzlich ihre eigene Stelle bekommen. Es handelt sich also um einen Ausbau, welcher der Grosse Rat im kommenden Jahr diskutieren wird. Die Kosten dieses Ausbaus liegen in den ersten Jahren bei über 400’000 Franken.

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