Mein Jahr
Basel-Stadt

Gassenküche-Leiter: «Das Wichtigste ist, dass man keine Vorurteile hat»

29.12.2023 07:12

Baseljetzt

Der 50. Prix Schappo ging an die Basler Gassenküche. Leiter Andy Bensegger hat seither noch weniger Probleme, Freiwillige zu finden. Im Interview erzählt er, worauf es bei seiner Arbeit am meisten ankommt.

Baseljetzt: Wurde es mit dem gewonnenen Preis einfacher, Freiwillige zu finden?

Andy Bensegger: Wir hatten selten zu wenige Freiwillige. Über 50 Menschen sind es momentan, die uns unterstützen. Wir haben sogar mehr Nachfrage als Angebot im Moment.

Das ist eigentlich eine privilegierte Situation, oder?

Das ist so. Die Gassenküche ist etwas, was die Leute kennen. Ausserdem sind die Menschen sehr motiviert wenn es darum geht, den Armutsbetroffenen etwas zu Essen zu geben.

Sie leiten die Gassenküche nun seit fünf Jahren. Gab es in dieser Zeit nie Schwierigkeiten, Freiwillige zu finden?

Doch, immer wieder mal. Aber jetzt hat sich das alles durch den Prix Schappo deutlich vereinfacht und wir haben mehrere Anfragen bekommen.

Was sind das für Menschen, die sich freiwillig in der Gassenküche engagieren?

Allerlei. Darunter auch viele Pensionierte, die Zeit haben. Aber auch solche, die einen Hintergrund haben, den sie motiviert, in der Gassenküche zu arbeiten. Es gibt viele verschiedene Bezüge. Es ist einfach eine sinnvolle Arbeit, die sehr gefragt ist.

Als Leiter haben Sie bestimmt viel mit der Einteilung dieser Leute zu tun. Oder wie sieht ihr Alltag aus?

Die Koordination der Freiwilligen ist relativ aufwendig. Es gibt immer wieder Leute, die kurzfristig absagen und dann ersetzt werden müssen. Diese Aufgabe übernimmt aber eine meiner Kolleginnen. In der Küche übernehmen die Köche die Koordination. Ich mache alles rundherum.

Was ist Ihre Motivation, diesen Job zu machen?

Das war erst ganz neu für mich. Eine Kollegin sagte mir damals: Ich kenne dich von früher, du kannst das. Und dann habe ich mir das angeschaut. Das Wichtigste ist, dass man keine Vorurteile hat. Denn in der Gassenküche trifft man auf Menschen, mit denen man sonst im Leben nichts zu tun hätte. Man muss mit diesen Menschen anständig sein, sie haben alle grössere oder kleinere Probleme, und das müssen wir so annehmen.

Hat sich die Zusammensetzung der Menschen, die in die Gassenküche kommen, in den letzten Jahren verändert?

Nach Corona mussten wir die alte Gassenküche am Lindenberg schliessen, weil alles zu eng wurde. Jetzt sind wir an der Markgräflerstrasse im St. Josef-Saal. Das ist eine ganz andere Gassenküche als früher. Vorher waren wir in einer «Höhle», heute haben wir einen grossen Saal, ähnlich wie eine Kantine. Dieser Wandel hat aber auch andere Menschen zu uns gebracht. Im Quartier leben viele alleinstehende ältere Leute in kleinen Wohnungen, die auch kommen.

Suchen diese Leute die Gesellschaft oder die Verpflegung?

Alles. Es ist sicher auch der Hunger, weil sie sich teils selbst nicht gut ernähren können. Zum anderen ist es auch die Geselligkeit, das Reden mit anderen und das Rausgehen. So versauern sie nicht in ihren Wohnungen, das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Was hat die Basler Bevölkerung für einen Umgang mit der Armut?

Ich glaube, dass es vielen gar nicht bewusst ist, dass es das gibt. Es gibt hier einfach Menschen, die zu wenig Geld haben, um für sich selbst zu sorgen. Viele Betagte aber auch Menschen mit Behinderungen. Nun haben sie einen Ort, an dem sie zusammenfinden und das schätzen wir sehr.

Das Matthäusquartier gilt derzeit als Brennpunkt und Zentrum des Drogenhandels. Betrifft Sie das auch oder ist das eine separate Welt?

Bedingt ja. Wir sind ja nicht weit weg von dem Ganzen. Im Sommer hatten wir mehrmals Probleme. Mit den Rangern auf der Dreirosenanlage hat sich das aber relativiert und jetzt läuft es gut.

Feedback für die Redaktion

Hat dir dieser Artikel gefallen?

Kommentare

Dein Kommentar

Mit dem Absenden dieses Formulars erkläre ich mich mit der zweckgebundenen Speicherung der angegebenen Daten einverstanden. Datenschutzerklärung und Widerrufshinweise

Kommentare lesen?

Um Kommentare lesen zu können, melde dich bitte an.