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Hunziker nach erneuter Knieverletzung: «Für mich brach eine Welt zusammen»

23.11.2023 04:45 - update 23.11.2023 10:36
Florian Metzger

Florian Metzger

FCB-Stürmer Andrin Hunziker hat sich zum zweiten Mal in seiner Karriere eine schwere Knieverletzung zugezogen. Drei Monate nach dem Kreuzbandriss treffen wir den 20-Jährigen aus Therwil zum grossen Interview.

Schon zum zweiten Mal in seiner noch jungen Karriere wurde FCB-Stürmer Andrin Hunziker von einer Knieverletzung heimgesucht. Vor zwei Jahren zwang ihn dies zu einer fast einjährigen Pause. Damals war der Meniskus im linken Knie betroffen. Nun erlitt das 20-jährige Eigengewächs einen Kreuzbandriss sowie einen Teilriss am Innenband im anderen Knie.

Der Zeitpunkt ist eine weitere Parallele zur damaligen Verletzung. Nach einer Leihsaison bei Aarau kehrt Hunziker im Sommer 2023 zu seinem Heimatverein zurück und erzielt in den ersten beiden Saisonspielen je ein Tor. Erneut wird er mitten im Aufschwung von einer Verletzung gebremst.

Baseljetzt: Andrin Hunziker, vor genau drei Monaten haben Sie sich verletzt. Wie haben Sie die Diagnose Kreuzbandriss aufgenommen?

Andrin Hunziker: Im ersten Moment brach für mich eine Welt zusammen. Ich wollte es gar nicht glauben. Als junger Spieler macht man sich wahrscheinlich mehr Gedanken, als wenn man schon fünf Jahre Profi ist. Aber dann ging es von Tag zu Tag besser. Und jetzt konnte ich meinen Vertrag bis 2026 verlängern. Diese Geste und damit die Unterstützung des Vereins haben mich ein bisschen beruhigt. Ich weiss, dass man mich nach wie vor schätzt und mir vertraut. Deshalb bin ich sehr ruhig und nehme mir die Zeit, die ich brauche.

Wie viel Zeit benötigten Sie, um diese Verletzung zu akzeptieren?

Ein paar Tage später wurde ich operiert. Seitdem habe ich eigentlich nur nach vorne geschaut. Ich darf auch jetzt nicht daran denken, was passiert ist und warum. Das will ich auch gar nicht.

Sie kennen diese Situation…

Ja, schon meine erste Verletzung kam zu einem schlechten Zeitpunkt, obwohl es keinen guten Zeitpunkt gibt. Aber auch damals war ich gut drauf. Ich war in der U18 des FCB und habe in 21 Spielen 12 Mal getroffen. Das gab mir die Chance, zum ersten Mal in die erste Mannschaft zu kommen. In St. Gallen habe ich dann mein Debüt gegeben. Doch dann kam bald darauf die Verletzung.

Wie sind Sie damals zurückgekommen?

Mit meinem Willen bin ich gereift und noch stärker zurückgekommen und habe in der U21 wieder Tore geschossen. Dann kam der Schritt nach Aarau, der für mich sehr gut war. Auch wenn ich dort nicht nur erfolgreiche Zeiten hatte.

Erzählen Sie.

Am Anfang habe ich meine Tore geschossen. Dann habe ich eine Zeit lang nicht mehr gespielt und es gab auch einen Trainerwechsel. In der Winterpause habe ich dann schon an diesem Schritt gezweifelt. Für mich war dann aber klar, dass ich mich in Aarau unbedingt durchsetzen will, was mir dann auch gelungen ist.

Wie lehrreich war diese Erfahrung für Sie?

Enorm. Das war völlig neu für mich. Ich hatte zwar vier Einsätze in der Super League auf dem Buckel und kam vom grossen FC Basel, aber wirklich etwas erreicht hatte ich noch nicht. Es hat mich dann sehr gestärkt, dass ich mich in dieser gut aufgestellten Mannschaft durchsetzen konnte. Ich habe gezeigt, dass ich den nötigen Biss habe. Aber auch das neue Umfeld und die neuen Leute haben mir sehr gut getan. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass ich schon weit bin, aber noch etwas Zeit brauche.

Seit diesem Sommer sind Sie wieder beim FCB. Wann war klar, dass Sie eine Chance in der ersten Mannschaft bekommen?

Gegen Ende der letzten Saison hat es sich ein bisschen angedeutet. Als ich dann die Vorbereitung mit dem FCB gemacht habe, habe ich gemerkt, dass es ganz anders war als im Jahr zuvor, als ich auch die Vorbereitung mitmachen durfte. Jetzt hatte ich mehr Selbstvertrauen und wusste, dass ich schon etwas erreicht habe. Deshalb wurde ich auch nicht mehr als Junior behandelt. Das hilft sehr und gibt mir die Bestätigung, dass ich weiter bin als vor einem Jahr.

Wie geduldig waren Sie bis zu Ihrem ersten Einsatz in dieser Saison?

Ich muss ehrlich sagen, dass ich am ersten Spieltag dachte, dass ich sicher eingewechselt werde. Das war etwas unglücklich. Danach war ich sehr frustriert.

Wie haben Sie das weggesteckt?

Ich bin ein Typ, der den Frust in sich hineinfrisst. Ich habe versucht, auf dem Platz zu zeigen, dass es ein Fehler war, mich nicht aufzustellen. Ich bin nicht der Typ, der dann viel redet. Das war schon immer so. Aber natürlich bin ich mit der Einstellung zum FCB gekommen, dass ich nicht der erste Stürmer bin. Ich bin mir bewusst, dass ich mir das erst erarbeiten muss.

Aber dann kam die Chance…

Ja, im vierten Meisterschaftsspiel wurde ich gegen Lausanne in der Halbzeit eingewechselt. Ich glaube, da hat man gesehen, was ich kann. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte mich der Trainer von Anfang an bringen können. Aber es war auch so sehr schön. (lacht)

Sie haben vor der Muttenzerkurve zum zwischenzeitlichen Ausgleich getroffen. Es war Ihr erstes Tor in der Super League und Ihr erstes für die erste Mannschaft des FCB. Erinnern Sie sich noch an diesen besonderen Moment?

Eigentlich die ganze Zeit, muss ich sagen. Ich habe mir die Szene bestimmt über hundert Mal angeschaut. Dass es dann noch vor der Kurve passiert, war natürlich noch schöner. Das war einer der schönsten Tage und es waren die schönsten Gefühle.

Nicht nur mit dem Tor haben Sie in diesem Spiel überzeugt, sondern mit der gesamten Leistung. Sie haben vorne viele Bälle festgemacht und waren trotz der 1:2-Niederlage einer der Besten auf dem Platz. Wie viel Selbstvertrauen hat Ihnen dieser Tag gegeben?

Ich hatte schon ein gutes Selbstvertrauen aus der letzten Saison. Auch im Training lief es in den Wochen vor diesem Spiel sehr gut. Als ich dann eingewechselt wurde, habe ich mich erst einmal gefühlte fünf Minuten im Stadion umgeschaut, weil es für mich das erste Spiel mit vielen Zuschauern war. Meine vorherigen Spiele in der Super League waren in der Corona-Zeit. Deshalb habe ich erst einmal eine Weile gebraucht, um ins Spiel zu finden. Aber nach diesem Tag war mein Selbstvertrauen richtig gross.

Im nächsten Spiel durften Sie zum ersten Mal in der Startformation des FCB stehen. Im Cupspiel gegen Saint-Blaise konnten Sie Ihre gute Form bestätigen und haben erneut ein Tor erzielt. Viele dachten wahrscheinlich: Jetzt startet Andrin Hunziker richtig durch…

Das habe ich auch gedacht. (lacht). Aber Verletzungen gehören immer dazu.

Drei Tage nach dem Cupspiel haben Sie sich im Training das Kreuzband gerissen. Wie kam es dazu?

Schon eine Woche zuvor hatte ich einen Schuss geblockt und danach Schmerzen im rechten Knie. Aber ich hatte einen guten Lauf und dachte nicht, dass es schlimm sei. Im Cupspiel habe ich das Knie dann auch getapet. Aber am Ende hat es wohl nicht mehr viel gebraucht und das Kreuzband ist bei einer leichten Bewegung gerissen. Es passierte nach einem Schuss bei der Landung. Ich habe schon ein Geräusch gehört, aber ich habe nicht gedacht, dass das Kreuzband gerissen ist. Ich konnte es nicht glauben, da ich auch keine Schmerzen hatte. Nach dem MRI hatte ich dann aber Gewissheit.

Viele Langzeitverletzte berichten von einer Art depressiver Verstimmung. Geht es Ihnen auch so?

Ein bisschen schon. Unten im Physioraum hat man auch nicht so viel Tageslicht. Wenn man da jeden Tag runter muss, ist das schon nicht so toll. Das ist schon eine schwierige Zeit. Am Mittwoch durfte ich zum ersten Mal draussen joggen gehen. Das ist das Schöne an einem Kreuzbandriss. Man kann von Tag zu Tag mehr machen. Diese kleinen Schritte machen mich sehr glücklich. Dann kam auch noch das neue FIFA-Spiel heraus. Das war kein schlechter Zeitpunkt. (lacht).

Während seiner Leihe beim FC Aarau wohnte er in einer kleinen Wohnung vor Ort. Da er ein Praktikum im Rahmen der WMS absolvierte, verbrachte er auch viel Zeit in Basel, wo er im Marketing auf der Geschäftsstelle des FCB arbeitete. Inzwischen hat er die Schule erfolgreich abgeschlossen, was ihm nun deutlich mehr Freizeit einräumt, insbesondere während seiner Verletzungspause.

Er ist ein Familienmensch. Deshalb sei er auch gerne zu Hause, wo immer etwas los ist, und wohnt bei seinen Eltern in Therwil. Trotzdem hätte er langsam gerne mehr Zeit für sich. Deshalb denkt er über einen Auszug nach. Im Haus seiner Eltern lebt auch sein zwei Jahre älterer Bruder. Seine sieben Jahre ältere Schwester ist ausgezogen.

Hunziker hat nicht viele Interessen. Fussball ist immer in seinem Kopf präsent gewesen. Es war ihm jedoch schon immer wichtig, Zeit mit Freunden zu verbringen. Gelegentlich spielt er auch Videospiele. Aber auch dort steht Fussball im Vordergrund und er zeigt auch in der virtuellen Welt Talent.

Durch die Verletzung haben Sie mehr Zeit für sich. Fällt es Ihnen schwer, diese Zeit auszufüllen?

Ein bisschen schon. Für mich hat sich das Leben um 180 Grad gedreht. Letzte Saison bin ich zwischen Aarau und Basel gependelt. Es war mein erstes Profijahr. Da war der ganze Tag ausgefüllt. Jetzt habe ich nur noch Physiotermine. Das ist schon etwas anderes. Aber langsam bin ich an einem Punkt angelangt, wo ich mehr machen kann und wieder näher bei der Mannschaft bin. Der normale Alltag rückt näher.

Haben Sie vielleicht sogar neue Hobbys entdeckt?

Nein, noch nicht. Ich werde nur von Tag zu Tag besser im FIFA. (lacht)

Wann werden Sie voraussichtlich wieder Ernstkämpfe bestreiten können?

Das ist schwer einzuschätzen. Ich würde sagen, in zwei bis drei Monaten kann ich wieder mit dem Ball trainieren. Vielleicht sogar schon mit der Mannschaft, aber ohne Zweikämpfe. Aber mein Comeback zieht sich schon bis zum Ende der Saison hin, würde ich sagen. Ich wünsche mir, dass ich in dieser Saison noch ein paar Spiele machen kann. Das wäre schön. Wenn man aber zu früh anfängt, ist das ein grosses Risiko. Das möchte ich möglichst vermeiden.

Wie sehr schmerzt es, auf die Tabelle zu schauen?

Ich sage immer, ich bin FCB-Spieler, aber auch FCB-Fan. Ich leide mit dem Club mit. Im Moment kann ich nicht helfen. Ich kann nur mitleiden und hoffen, dass es von Spiel zu Spiel besser wird.

Was war schon immer Ihr grösster Traum?

Meinen grössten Traum habe ich mir eigentlich schon erfüllt. Ich habe immer davon geträumt, ein Tor für den FCB zu schiessen. Dafür habe ich immer gearbeitet. Ich will mit dem FCB wieder Erfolg haben. Den FCB wieder dahin bringen, wo er einmal war. Das ist für mich das Wichtigste in der nächsten Zeit.

Welche Vorbilder oder Idole haben Sie?

Mein Vorbild ist Marco Streller. Mit ihm stehe ich auch in Kontakt. Das finde ich unheimlich cool. International bin ich ein Fan von Harry Kane und Erling Haaland. Kane war immer mein Favorit, aber jetzt ist er zu Bayern München gewechselt. Das ist ein bisschen schwierig für mich als Fan von Borussia Dortmund. (lacht) Neben Dortmund ist Barcelona meine Lieblingsmannschaft. Aber der grösste Fan bin ich vom FCB.

Mit neun Jahren absolvierte Hunziker erfolgreich ein Probetraining beim FCB. Seine Eltern waren anfangs nicht begeistert, da dies viel Arbeit für sie bedeutete. Dennoch bezeichnet Hunziker seine Eltern als seine grössten Unterstützer auf dem Weg zum Profi. Sie haben keine Mühen gescheut. So musste er nicht allzu oft mit dem Bus zum Trainingsgelände fahren.

Viel Fachwissen war anfangs nicht im Haus. So sah der Vater die Leistungen seines Sohnes oft nicht so kritisch wie Hunziker selbst. Deshalb war das Thema zu Hause auch nicht immer nur Fussball. Dass nicht nur Hunziker im Mittelpunkt stand, sondern auch seine Geschwister, habe er sehr geschätzt und tue dies auch heute noch. Er habe auch nie den Druck verspürt, Profi werden zu müssen. Das habe sich eher von Jahr zu Jahr so ergeben.

In der U14 wurde sein Talent im Sturm entdeckt. Zuvor spielte er in der Innenverteidigung oder auf der Sechserposition. Erst mit 16 Jahren erkennt er selbst, dass sein Talent gross genug ist, um den Sprung zu den Profis zu schaffen.

Die Schule habe neben dem Sport schon etwas gelitten, gibt Hunziker offen zu. Er sei ein klassischer Viererschüler gewesen. Die eine oder andere Note sei auch mal ungenügend gewesen, weil sich seine Prioritäten mit der Zeit in Richtung Fussball verschoben hätten. Dennoch habe er die Schule nie vernachlässigt, auch dank der Unterstützung seiner Eltern. Man habe ihm auch immer versucht zu vermitteln, dass es neben dem Fussball noch etwas anderes gibt.

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