
In Basel gibt es immer weniger Ausgangsmöglichkeiten für Jugendliche
Shahed Staub
Viele Musikclubs schliessen und Ü16-Partys sind rar. Die «Heimat» im Kleinbasel wehrt sich als einer der letzten Orte für Jugendliche gegen den Rückgang der Angebote. Und hofft auf Subventionen vom Kanton.
In Basel schliessen immer mehr Musikclubs und Jugendkulturhäuser. Beispiel gefällig? A2, Chocolate Club, Obsession, Schallplatz, Hinterhof, Singerhaus. Die Liste ist noch lange nicht zu Ende. Erst Ende Juli musste auch das Basler Sommercasino wegen finanzieller Probleme schliessen.
Manche dieser Lokale haben zwar einen neuen Inhaber gefunden, die Angebotsausrichtung ist jedoch oft eine neue. Auffällig dabei: Immer weniger Clubs bieten Ausgehmöglichkeiten für Minderjährige an – sogenannte Ü16-Partys. Diese sind nach der Schliessung des Sommercasinos und des Barock-Clubs in Basel zur Rarität geworden. Einer der letzten Orte für die Basler Jugend ist die «Heimat» im Kleinbasel. Doch wegen fehlender finanzieller Subventionen kämpft auch Inhaber Olivier Müller gegen die Schliessung.
Baseljetzt: Warum ist ein Ausgangsleben für unter 18-Jährige so wichtig?
Olivier Müller: Für Jugendliche ist es enorm wichtig, erste Erfahrungen zu sammeln. Sei dies einfach im Ausgangsleben, aber auch, wenn es darum geht, sich als junge Veranstaltergruppe auszuprobieren. Und ganz plakativ gesagt: Unser Bedürfnis, mit Freunden auszugehen, beginnt ja nicht erst mit 18. Nein, gerade in diesem Alter ist es wichtiger denn je.
Wieso besonders in diesem Alter?
Minderjährige sind in der Schule oder in der Ausbildung sehr stark gefordert und brauchen als Antagonisten auch einen Ort, an dem sie sich gehen lassen und sie selbst sein können. Und zwar ohne, dass sie dafür verurteilt werden. Der Ausgang ist wichtig für das Vertrauen in andere Menschen, denn ohne diese Möglichkeit würde es zur einer Ghettoisierung der Jugend kommen.
Die «Heimat» ist einer der letzten Orte in Basel, wo Jugendliche Party machen können. Welche Chance bietet sie den Jugendlichen?
Die «Heimat» ist für 16-Jährige da, die Veranstaltungserfahrungen sammeln möchten. Und zwar ohne, dass wir von ihnen Miete oder einen Leistungsnachweis verlangen. Auch Fehler dürfen gemacht werden, weshalb wir ihnen für ihren Erfahrungsprozess immer mindestens drei Veranstaltungen in der «Heimat» ermöglichen.
Wenn der Ausgang so wichtig ist für Minderjährige, weshalb gibt es in Basel so wenig Partymöglichkeiten für 16-Jährige?
Das lag auch am Sommercasino. Es wurde vom Kanton jährlich mit rund 800’000 Franken subventioniert. Da wird es für die meisten anderen Betriebe schwierig, denn sie haben nicht die finanziellen Mittel, um mitzuhalten. Blöd nur für die Jugendlichen: Das SoCa hatte keine Vorgabe, dass das Angebot auf 16-jährige ausgerichtet sein muss. Es war also nie garantiert, dass Minderjährige dort Veranstaltungen durchführen konnten. Irgendwann ergab es für die anderen Betreiber keinen Sinn und auch keine Lust mehr, dagegen anzukämpfen.
Gab es durch den Mangel an Ü16-Clubs nicht auch eine grosse Marktlücke?
Doch. Und genau das hat ein Partyveranstalter aus Zürich hier in Basel ausgenutzt: «Hype-Events». Sie erkannten das Bedürfnis der Jugendlichen nach Partys. Kurz nach Covid kam es dadurch zu einem kurzen Boom an Ü16-Veranstaltungen. Auch Elektro-Labels für 16-Jährige wie «Voltec» organisierten immer wieder Ü16-Partys im «Borderline». Dass sich jedoch eine Location vollständig den 16-Jährigen widmet, ist fast undenkbar geworden.
Auch wegen der hohen Sicherheitsvorkehrungen im Jugendalter?
Der Jugendschutz in Basel schreibt vor, dass Jugendlichen ab Mitternacht keine alkoholhaltigen Getränke verkauft werden dürfen. Und vorher nur Bier. In anderen Kantonen sind diese Regeln lockerer. Mir persönlich macht es aber auch keinen Spass, Alkohol an 16-Jährige zu verkaufen – und ist finanziell auch nicht rentabel. Nun, da das SoCa trotz Subventionen schliessen musste, wurde auch den kleineren Betreibern klar, dass der Clubbetrieb mit 16-Jährigen fast zwangsläufig ein defizitäres Geschäft ist.

Bei Partys für Minderjährige gibt es oft nicht eine bestimmte Zielgruppe an Gästen, sondern eher eine grosse Durchmischung. Macht es dies komplizierter als Veranstalter?
Klar macht das die Sache schwieriger: Wir müssen dadurch das Angebot ständig anpassen, wir müssen uns ständig rechtfertigen, müssen ständig genug erfolgreich, hip und attraktiv bleiben. Nur so kommen die 16-Jährigen zu uns. Um die Vermischung nicht noch komplizierter zu machen, haben wir beschlossen, dass bei einem Ü16-Event keine Personen über 25 Jahre hineinkommen. Auch wenn es genau die sind, an denen wir etwas verdienen würden.
So wertvoll eure Arbeit auch ist, ohne finanzielle Subventionen wird ein Überleben auch für die «Heimat» schwierig, oder?
Eigentlich weiss ich selbst nicht mehr, warum ich das Ganze noch mitmache. Zurzeit lastet der gesamte finanzielle Betrieb auf meinen Schultern. Meine Lebensqualität und mein Lebensstandard sind dadurch extrem gesunken. Auch meine Familie versteht nicht mehr, warum ich das noch durchziehe.
Was würden Sie sich denn wünschen?
Vernunft! Zurzeit erhalten wir gar keine Fördergelder, auch keine von der «Clubförderung». Wir haben 40’000 Franken bei ihr beantragt, doch leider wurden andere Betriebe gefördert. Dies, obwohl die Clubförderung anerkannt hat, dass die «Heimat» ein wichtiger Ort für Afro-, Queer- und Jugendkultur in Basel ist. Mit diesem Betrag wären wir sehr zufrieden gewesen. Wir hoffen jedoch, dass das Erziehungsdepartement auf uns zukommt – und werden weiterhin Anträge stellen.
Und bis dahin?
Ich glaube, es sollte das Ziel sein, dass alle Clubs regelmässig Veranstaltungen für Minderjährige anbieten. Und ihre Partys nicht ausschliesslich für 18- oder 20-Jährige zugänglich machen. Denn Ausgehen ab 18 ist Luxus, im minderjährigen Alter ist er Bedarf.
Mehr dazu
Feedback für die Redaktion
Hat dir dieser Artikel gefallen?
Kommentare
Dein Kommentar
Mit dem Absenden dieses Formulars erkläre ich mich mit der zweckgebundenen Speicherung der angegebenen Daten einverstanden. Datenschutzerklärung und Widerrufshinweise
Kommentare lesen?
Um Kommentare lesen zu können, melde dich bitte an.
JustinAnn
Wie wäre es, wenn die Jugendlichen mal wieder den Wert von einem Zuhause schätzen lernen und mit den Eltern etwas unternehmen? Wäre doch auch mal schön, statt sich jede freie Minute zuzudröhnen oder besoffen sein!
Cedolain
die jungen brinen kein cash wie will ein club eine nacht offen habe und nichts verkaufen?
wir waren in der G80 grillparty oder an der birs. barfüserststäge. erst mit 18 gingen wir mal rein.