In Basel sind die Waschbären los
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In Basel sind die Waschbären los

20.03.2025 10:01 - update 21.03.2025 18:27
Jennifer Weber

Jennifer Weber

Mysteriös wie die Waschbär-Kunstwerke, die vor der Fasnacht plötzlich in der Stadt aufgetaucht sind, so mysteriös ist auch der Künstler, der hinter diesen Werken steckt: Léon Missile.

Rund ein Dutzend Waschbären sind seit der Fasnacht in Basel anzutreffen. Sie sind an diversen Litfasssäulen und Werbetafeln angebracht. Geschaffen wurden die an Aquarell-Malerei erinnernden Werke von Léon Missile.

Mysteriöser Künstler

«Mein Name, Léon Missile, ist ein Avatar, der es mir ermöglicht, meine Arbeit anonym zu verbreiten», erklärt der Künstler im Interview mit Baseljetzt. Dies sei eine Ausdrucksform, die ihm schon immer gefallen habe, «weil sie die Arbeit in den Vordergrund stellt und sich dem entzieht, was einer Art Starsystem ähnelt». So wie man auch nie erfahren hat, wer die Künstler hinter den Mosaiken von Ravenna waren, wer die Büste der Nofretete schuf oder wer die berühmten anonymen Meister vieler gotischer Gemälde waren, führt Missile weiter aus.

Auch was das Alter betrifft, hält er sich bedeckt. Nur so viel: Die Arbeit des Künstlers Léon Missile begann in der Westschweiz vor fast 15 Jahren. «Ich mag die Idee, dass ein Künstler als alter Mann geboren wird und dass die Jugend eine Eroberung bleibt, die mit dem Fortschreiten seiner Arbeit gemacht wird», so Missile. «Ich fühle mich also immer jünger, mitten im reifen Alter.»

Waschbär-Invasion in Basel

Nun aber zurück zu den Waschbär-Kunstwerken, die von Missile in Basel verteilt wurden. Anfang des Winters habe er aus der Presse erfahren, dass die Region Basel mit einer Invasion von Waschbären zu tun habe. «Ich habe es als eine Möglichkeit gesehen, das Thema Migration anzugehen, ohne Partei zu ergreifen, sondern nur, indem ich darauf hinweise, dass nichts jemals einfach ist», erklärt Missile und fügt an: «Welche Gelegenheit wäre besser geeignet als die Basler Fasnacht mit seinen berühmten drei schönsten Tagen des Jahres, um ein gutes Dutzend dieser Waschbären freizulassen – elf, um genau zu sein.»

Angebracht wurden die elf Kunstwerke von Missile am Samstag vor dem Morgestraich. Dazu gehöre jedoch viel Vorbereitung. Zunächst zeichne er vor Ort in Skizzenbüchern die Entwürfe. Danach gehe die Arbeit in seinem Atelier weiter, wo die Kunstwerke hergestellt werden. Schliesslich werden die fertigen Werke an Litfasssäulen und Werbetafeln angeklebt.

Dass dies eigentlich nicht erlaubt ist, dessen ist sich Missile bewusst: «Ich versuche jedoch, nur Plakate zu überkleben, die mit Werbetreibenden in Verbindung stehen, die überproportional vertreten sind (zum Beispiel Museen), oder ich lasse einen Teil des überklebten Plakats durchscheinen, wodurch das Plakat in gewisser Weise noch stärker betont wird.» Er sei kein Gegner von Werbung, er bleibe aber kritisch. Ausserdem sei im Französischen das Wort «Werbung» («publicité») dem Wort «Öffentlichkeit» («public») sehr nahe. Das sei es auch, was er anstrebe: «Die Öffentlichkeit zu faszinieren und hinterfragen zu lassen.»

Wie genau Missile seine Kunstwerke anbringt, soll «ein wenig geheimnisvoll» bleiben. «Aber es ist mir schon passiert, dass ich mit Passanten gesprochen habe», so der Künstler. «Ich glaube, sagen zu können, dass die Arbeit ziemlich gut ankommt, auch wenn man es nicht jedem recht machen kann.»

Schwindende Kunst

Missiles Werke sind nicht für die Ewigkeit gemacht. «Wenn der Lauf der Dinge eingehalten wird, wird meine Arbeit nach ein paar Tagen verschwinden.» Das sei auch eine ihrer «grundlegenden Qualitäten», ergänzt der Künstler. Er hoffe natürlich, dass seine Werke so lange wie möglich sichtbar bleiben. Aber spätestens mit dem Bekleben der Säulen und Wände mit neuer Werbung verschwindet die Kunst wieder.

Es komme aber auch vor, dass die Bilder von Kunstliebhabern abgenommen werden. «Das ist schmeichelhaft, aber natürlich auch ein bisschen schade», sagt Missile.

Nicht zum ersten Mal in Basel

Doch nicht nur in Basel ist Missile aktiv, auch andere Städte verziert er mit seiner Kunst. So war er etwa auch schon in Zürich, Genf und Lausanne unterwegs. «Aber Basel ist für mich immer noch so etwas wie ein ‹Fetischort›.» Denn seine ersten Einsätze gehen auf den Sommer 2016 zurück, als die Art Basel stattfand: Kostenlose Kunst und Originalzeichnungen in die Stadt zu bringen, «während einen Steinwurf entfernt ein Kunstmarkt stattfindet, auf dem die Preise manchmal ungehörige Ausmasse annehmen».

Seither kehrte der Künstler regelmässig nach Basel zurück und habe in den letzten Jahren «wahrscheinlich mehr als 60 Zeichnungen» in die Stadt geklebt. Im Herbst 2020 beispielsweise hat Missile in der Stadt Basel einige Rehe freigelassen. Diese sollten an die Rehe auf dem Friedhof Hörnli erinnern.

Anlässlich der Abstimmung über Grundrechte für Primaten im Kanton Basel-Stadt im Frühjahr 2022 hat sich der Westschweizer auch an einigen Affen versucht.

Nächste Projekte stehen auch schon an: «Ich habe mehrere – darunter eines, das einige der wichtigsten weiblichen Figuren der Kunstgeschichte enthält», verrät Missile. Dazu gehören Nofretete und Mona Lisa. «Ich suche noch nach einem Ort, an dem diese Damen am meisten Eindruck machen würden.» Und auch im Tierreich hat sich der Westschweizer noch nicht fertig ausgetobt: «Es gibt nicht nur den Waschbären, der für Diskussionen sorgt…»

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Kommentare

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20.03.2025 10:07

Sonnenliebe

Ein interessanter Künstler…

1 0
20.03.2025 09:57

pserratore

👍👏

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