Mario Cantaluppi: Vom GC-Spieler zur FCB-Legende
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Mario Cantaluppi: Vom GC-Spieler zur FCB-Legende

23.02.2024 18:59 - update 01.03.2024 17:11

Rotblau

Mario Cantaluppi kam von den Grasshoppers 1993 zum FC Basel und startete damit seine Karriere als Profifussballer. Rotblau blickt mit ihm auf seine Zeit bei Basel und auf die Schlüsselmomente seiner Karriere.

Rotblau: Vor Ihrem ersten Engagement 1993 beim FCB waren Sie vertragslos. Wie lange mussten Sie es sich als Zürcher und langjähriger GC-Spieler überlegen, als der FCB bei Ihnen anklopfte?

Mario Cantaluppi: Für mich war es eine schwierige Situation bei GC. Zuerst hiess es, man nehme mich, aber dann kam es doch anders. Christian Gross und Erich Vogel sagten mir dann, ich müsse mir einen Verein suchen. Dafür hatte ich zwei Wochen Zeit. Ich habe dann zuerst ein Probetraining bei St. Gallen absolviert und eine Absage erhalten. Über meinen Manager Bruno Huber, der Gusti Nussbaumer kannte und der wiederum einen guten Draht zu Didi André hatte, hiess es schliesslich, ich könne zum FC Basel kommen.

Beim FCB gab es nicht einmal ein Probetraining, aber weil ich ein GC-Junior war, war das aus Sicht des Clubs in Ordnung. Allerdings hatte der FCB kein Budget für mich. Ob damals oder heute: es heisst doch überall, dass man kein Budget habe (lacht). Für mich spielte das Geld zu diesem Zeitpunkt aber keine Rolle. Es ging für mich nur darum, im Profifussball Fuss zu fassen.

Wie haben Sie sich dann beim FCB eingelebt?

Logischerweise sass ich in meinem ersten Spiel gegen die Old Boys zunächst auf der Bank. Leider verletzte sich Sergey Derkach und ich durfte für ihn einspringen. Anschliessend sass ich nie mehr auf der Bank. Es hat also nicht lange gedauert, bis ich mich beim FCB integrieren konnte. Wir hatten damals eine Top-Mannschaft mit viel Erfahrung, von der ich profitieren konnte. Deshalb ging es selbst für mich als Zürcher schnell.

Bereits in der Vorbereitung beim «Salami»-Cup hat sich herauskristallisiert, dass mich die Basler mögen. Sie haben gemerkt, dass ich immer alles gebe. Das hat sich auch heute nicht geändert: Wenn du Gas gibst und Mentalität zeigst, sind die Fans mit dir zufrieden und glücklich. Wir sind gesegnet, dass wir beim FC Basel diese Werte weiterhin hochhalten.

Sie verdienten zu Beginn 800 Franken pro Monat und spielten mit dem FCB nur in der Nationalliga B. Vom Rekordmeister kamen Sie zum finanziell angeschlagenen FC Basel: War das nicht ein Abstieg in der Karriereleiter?  

Nein, das war es nicht. Auch in diesen Jahren war der FC Basel immer der FC Basel. Wir alle kannten die Erfolge des Vereins und wussten, dass es ein Kultverein ist. Wenn man mit einem Verein wie dem FCB – mit dieser unglaublichen Fangemeinde und Geschichte – die Chance hat, aufzusteigen, dann ist das Weltklasse! Es war für beide Seiten eine Win-win-Situation.

Noch heute ist vielen Fans das Spiel des FCB gegen den FCZ (30.4.1994, 1:1) in Erinnerung, als Sie vor über 42’000 die Führung erzielt haben.

(Schaut das Video an) Wenn ich das sehe, bekomme ich eine Gänsehaut. Was für ein Traum. Ein perfektes Tor – und sogar noch mit links. Solche Momente kann wirklich nur der Fussball schreiben. Schade, kam dann das Gegentor.  

Kurz darauf sind Sie trotzdem noch mit dem FCB in die Nati A aufgestiegen. Wie war das im Vergleich zum Meistertitel mit GC? 

Ich bin zwar als 17-Jähriger mit GC Meister geworden, aber das war nicht vergleichbar mit dem Aufstieg beim FCB. Bei GC durfte ich nur ab und zu spielen, beim FCB stand ich praktisch in jedem Spiel auf dem Platz. Das ist ein ganz anderes Gefühl und war schlicht genial.

In späteren Jahren wechselten Sie zu Servette, ehe Sie wieder zum FCB zurückkehrten. Wie kam es dazu?

Bis 1996 habe ich beim FCB gespielt, bevor ich nach Genf gegangen bin. Nach dem Aufstieg kamen zwei schwierige Jahre beim FCB. Irgendwann kam der Punkt, an dem es hiess, ich müsse etwas anderes machen. Servette wollte mich schon immer, und so bin ich nach Genf gegangen. Es ging auch darum, sich neu zu finden und aus der Komfortzone herauszukommen. Ich bereue diesen Schritt nach den Jahren beim FCB nicht. Aber ich gebe zu, dass man als junger Spieler aufpassen muss. Manchmal denkt man, die Welt gehört einem und es kommt immer alles gut. Doch nach einiger Zeit bei Servette hatte ich mich schwer verletzt.

Und dann?

Guy Mathez war zuerst mein Trainer bei Servette. Er wechselte dann zum FCB und wollte mich unbedingt holen. Obwohl ich operiert werden musste, verpflichteten mich die Basler wieder. René C. Jäggi sagte mir damals direkt: «Ich hätte dich nicht geholt.» Aber er wollte den Wunsch von Mathez erfüllen.

Mit Guy Mathez klappte es aber nicht so gut. Er wurde schon bald durch Christian Gross abgelöst.

Als es irgendwann hiess, dass Christian Gross kommt, dachte ich zuerst: «Jetzt kannst du gehen.» Bei meiner Zeit bei GC liess er mich schliesslich nicht viel spielen. Zum Glück klappte es aber beim FCB besser. Christian Gross hat die Spieler beim FCB wirklich zu erfolgreichen und besseren Profis gemacht.

Wie haben Sie die Aufbruchstimmung um die Jahrtausendwende erlebt?

Früher war irgendwie klar, dass der FCB wenig Geld hat. Doch mit dem neuen Stadion, René C. Jäggi und Gigi Oeri änderte sich vieles. Jäggi und Oeri haben den Club behutsam aufgebaut und das Geld intelligent investiert. Ihnen haben wir zu verdanken, dass wir auf einer Erfolgswelle reiten konnten.

Braucht es also im Schweizer Fussball eine Gigi Oeri, um erfolgreich zu sein? 

Früher war es einfacher, Spieler aus dem Ausland zu holen. Heute kommen die wirklich guten Spieler kaum mehr in die Schweiz, was es schwieriger macht, den Traum von der Champions League zu verwirklichen. Da ist eine Mäzenin wie Gigi Oeri sicher von Vorteil. Im Moment kann man ja bei YB beobachten, was möglich ist.

In der Saison 00/01 hatte der FCB einen ersten kleinen internationalen Höhenflug, als man im damaligen UI-Cup bis in den Final vorstiess und gegen Aston Villa verlor. War das der Grundstein für spätere internationale Erfolge?

Man kann das schon so sagen. Wir sind als Mannschaft an der Erfahrung gewachsen und haben dank Gigi Oeri mit Bedacht weitere gute Spieler geholt. So konnte man Schritt für Schritt etwas aufbauen. Das dauerte insgesamt einige paar Jahre, bis 2002 das Märchen definitiv begann.

Wie war das Gefühl nach dem Platzsturm im Berner Neufeld, als der Titel gesichert war?

In diesem Moment wussten wir, dass es jetzt wirklich losgeht und wir alle wollten feiern. Es war ein toller Moment. Die Erkenntnis, was gerade passiert war, kam erst danach.

Mario Cantaluppi reagiert auf die Szenen nach dem ersten Meistertitel mit dem FCB.

Man hatte das Gefühl, dass Sie in den Duellen gegen die Zürcher Clubs speziell heiss waren. Haben Sie sich da komplett mit dem FCB identifiziert?

Ja, auf jeden Fall! Bei GC habe ich gelernt, was ich spielen kann. Aber als ich zum FC Basel kam, war ich voll und ganz beim FCB. Es gibt nichts anderes. Ich habe vom ersten Moment an verstanden, was die Bedeutung des FCB ist. Das Leben, das ich heute führe, habe ich dem FC Basel zu verdanken.

Sie wissen, was jetzt kommt: Die fast schon legändere rote Karte gegen GC.

Oh, Cabanas…! Das Netz vergisst nie, oder?

Mario Cantaluppi kommentiert seine rote Karte gegen GC.

Warum sind Sie einfach vom Spielfeld geschlichen?

Mir war schon klar, dass ich die rote Karte erhalten würde. Dafür wurde ich dann noch zusätzlich bestraft. Ich habe drei Spielsperren erhalten. GC war damals sehr gut und ist leider Meister geworden. Wir mussten das halt akzeptieren. Noch zu den Spielen gegen die Zürcher Clubs: Ich bin ein Typ, der umso stärker wird, je mehr die gegnerischen Fans pfeifen.

Vertragslos, Verletzungspause: der Anfang Ihrer Karriere war immer wieder geprägt von Rückschlägen. Jahre später spielen Sie dann in der Champions League gegen Gegner wie Liverpool oder Manchester United. Was machte das mit Ihnen?

Das merkt man in diesem Moment gar nicht. Wenn ich mir das jetzt ansehe, dann bin ich schon emotional. Aber damals funktionierte ich einfach. Der Erfolg hat uns als Mannschaft natürlich zusammengeschweisst. Wir waren unter den zehn besten europäischen Mannschaften in Europa. Das ist schon unglaublich.

Sie haben als Abräumer im defensiven Mittelfeld gespielt und waren nicht als Goalgetter bekannt. Und doch hatten Sie Ihr persönliches Highlight in der Champions League. 

Da hat Buffon für einmal nicht den Ball gesehen (lacht). Ich war einmal im richtigen Moment am richtigen Ort. Das war schlussendlich Glück.

Mario Cantaluppi über sein Traumtor gegen Juventus Turin.

Nach Ihrer ersten Auslandserfahrung in Nürnberg gingen Sie noch nach Luzern, St. Truiden (Belgien) und Buochs. Wieso kam es nicht dazu, dass Sie ein drittes Mal zum FCB zurückgekehrt sind?

Aus Nürnberg habe ich noch versucht, Christian Gross anzurufen. Im Grunde wussten wir aber, dass eine Rückkehr nicht gut gewesen wäre. Innerlich haben wir gespürt, dass dieses Kapitel zu Ende war. Aus meiner jetzigen Sicht war ein Fehler, dass ich nicht länger in Nürnberg geblieben bin. Ich hätte mich dort noch mehr reinbeissen sollen. Bei meiner letzten Station habe ich dann gemerkt, dass ich genug hatte. Wenn man zweimal am Tag Training hat und den Trainer fragt, ob man nicht nur einmal trainieren kann und er sagt, «nein, eher nicht», dann weisst du: Jetzt ist es genug. Bei Buochs probierte ich es dann als Spieler-Trainer. Diese Idee war ein Riesenfehler. Man kann nicht auf und neben dem Platz ein gutes Vorbild sein, das ist zu viel.

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