
Messerattacke auf Taxifahrer: Emotionale Plädoyers im Basler Strafprozess
David Frische
Die Staatsanwaltschaft spricht von Mord, die Verteidigung von vorsätzlicher Tötung: Der Prozess um die Tötung eines Basler Taxifahrers gipfelte am Dienstag in emotionalen Plädoyers. Nun muss das Gericht ein Urteil fällen.
Wieso musste Alican S.* sterben? Am Abend des 18. November 2022 wurde der Taxichauffeur und Familienvater auf grausame Weise aus dem Leben gerissen. Nach vier Messerstichen in die Schulter und in den Bauch verstarb der 49-Jährige noch am Tatort in der Peter Merian-Strasse.
Im Strafgericht Basel fand am Montag und Dienstag der Prozess gegen den 53-jährigen Mann statt, der vor zweieinhalb Jahren den Taxifahrer mit vier Messerstichen getötet haben soll. Die Plädoyers der Parteien zeichneten ein Bild zwischen skrupelloser Tat, suchtbedingter Verzweiflung und unermesslichem Schmerz der Hinterbliebenen. Nun muss das Gericht ebendiese Frage klären: Warum musste Alican S.* sterben? Das Urteil wird am Donnerstag erwartet.
Einen ausführlichen Ticker zu den ersten beiden Prozesstagen findest du hier:
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Staatsanwaltschaft: «Ein Mord aus Egoismus»
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten Mord, versuchten Raub, mehrfachen Diebstahl und weitere Delikte vor. Staatsanwalt Sasha Stauffer sprach in seinem Plädoyer von einer «besonders skrupellosen» Tat, begangen mit einem 19 Zentimeter langen Victorinox-Tranchiermesser, das der Angeklagte zuvor aus der Coop-Filiale am Aeschenplatz gestohlen habe. Der Täter habe den Taxifahrer völlig überraschend angegriffen und ihm vier Messerstiche versetzt – aus reinem Eigennutz. Für den Staatsanwalt steht fest: Der Angeklagte habe mit Vorsatz gehandelt und den Tod des Opfers bewusst in Kauf genommen. Er forderte 16 Jahre und 10 Monate Freiheitsstrafe sowie eine Busse von 700 Franken und eine haftbegleitende Therapie.
Opfervertreterin: Lebenslange Haft gefordert
Die Anwältin der Witwe und der Söhne, die im Prozess als Privatkläger:innen auftreten, forderte eine lebenslange Freiheitsstrafe. Für sie sei der Angeklagte voll zurechnungsfähig gewesen – das psychiatrische Gutachten, das eine eingeschränkte Schuldfähigkeit nahelegte, stütze sich lediglich auf die Aussagen des Täters und sei nicht überzeugend. Die Anwältin sprach von einer «grausamen, sinnlosen Tat» und beantragte insgesamt 170’000 Franken Genugtuung für die Familie.
Witwe: «Ich werde Ihre Entschuldigungen niemals akzeptieren!»
Besonders emotional wurde es, als die Witwe des getöteten Taxifahrers vor Gericht sprach. Weinend und teilweise schluchzend wandte sie sich direkt an den Angeklagten: «Sie haben meinen Mann ausgesucht. Sie haben einen wehrlosen Mann von hinten angegriffen und ermordet», schrie sie in Richtung des Angeklagten. Sie schilderte den seelischen und wirtschaftlichen Zusammenbruch ihrer Familie, die bis heute schwer unter dem Verlust leidet. Ihre beiden jungen Söhne müssten nun ohne ihren Vater aufwachsen. «Ich werde Ihre Entschuldigungen niemals, niemals akzeptieren!», so die Witwe zum Beschuldigten.
Verteidigung: Kein Mord, sondern vorsätzliche Tötung
Die Verteidigung bestritt nicht, dass der Angeklagte den Taxifahrer erstochen hatte – allerdings sei es kein Mord gewesen, sondern vorsätzliche Tötung im Rahmen einer Ausnahmesituation, in der sich sein Mandant befunden habe. Der Verteidiger betonte in seinem Plädoyer, sein Mandant sei «schwer suchtkrank», schulde der Familie tiefes Bedauern und habe sich durch die Tat selbst auch von seinen Kindern entfremdet. Die Version des Angeklagten – ein Streit, nach versuchtem Diebstahl eskalierte – sei die einzige nachweisbare. Die Verteidigung forderte für ihren Mandanten sieben Jahre Freiheitsstrafe und eine stationäre Suchttherapie.
Schlusswort des Angeklagten
Am Ende des Prozesstags sprach der Angeklagte selbst. Er zeigte sich beschämt und bat um Verzeihung: «Ich schäme mich dafür, was ich getan habe, und ich fühle mich schuldig. Ich nehme das sehr ernst. Ich bin mir bewusst, welch Leid ich der Familie zugefügt habe.»
Urteil folgt am Donnerstag
Das Urteil im Fall des getöteten Taxifahrers wird am Donnerstagnachmittag um 16 Uhr erwartet. Es bleibt offen, ob das Gericht der Argumentation der Staatsanwaltschaft oder der Verteidigung folgt – klar ist nur, dass der Fall tiefe emotionale Spuren hinterlässt. Für den Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.
*Name der Redaktion bekannt
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