BLKB-Debakel
Wirtschaft

Monika Roth: «Man sollte die Radicant-Bank verkaufen»

16.07.2025 18:32 - update 17.07.2025 14:47
David Frische

David Frische

Für die Basellandschaftliche Kantonalbank (BLKB) endete die Gründung der Radicant-Digitalbank in einem Fiasko. Bankenexpertin Monika Roth überrascht dies nicht. Sie fordert weitreichende Konsequenzen.

Monika Roth war am Mittwoch in der Telebasel-Sendung «Punkt6» zu Gast.

Telebasel: Monika Roth, nach dem Debakel bei der Radicant-Bank muss die BLKB-Spitze gehen, aber erst im 2026. Macht das Sinn? 

Monika Roth: Nein, das macht keinen Sinn. Das könnte man machen, wenn es eben kein Debakel wäre. Aber es ist ein schlechtes Signal. Und es ist auch eine unangemessene Reaktion auf die Krise, die jetzt wegen dieser Radicant-Idee herrscht. Und auf die Folgen, die sie hatte. 

Ist es auch ein Signal an die Bevölkerung? Dass man diesen 100-Millionen-Abschreiber bei der BLKB nicht derart schlimm findet, dass die Führung jetzt gleich gehen muss?

Ja, ich finde, es ist ein Signal an die Öffentlichkeit, dass man da eine grosse Toleranz sich selber gegenüber hat. Das ist einmal das Eine. Und es ist ein Zeichen, dass man eigentlich nicht bereit ist, Flagge zu zeigen und zu sagen: Wir haben uns verkalkuliert, wir sind Risiken eingegangen, die sich am Schluss eben realisiert haben, anstatt dass man sie vermeiden konnte. So gesehen ist es von der Spitze der Bank ein schlechtes Signal.

Monika Roth …

… ist eine Schweizer Juristin, Hochschullehrerin und Richterin. Die Baslerin arbeitete viele Jahre bei der Schweizerischen Bankiervereinigung und lehrte als Professorin an der Universität Luzern und an der Universität St. Gallen (HSG).

Bankratspräsident Thomas Schneider sagte gegenüber dem «SRF Regionaljournal», dass eine geordnete Übergabe sowohl für die Stabilität der BLKB als auch für das Vertrauen in die Bank wichtig sei. Können Sie dem etwas abgewinnen? 

Dass das Vertrauen in eine Bank ein zentraler Punkt ist, bestreitet ja niemand. Nur sehe ich nicht, was das Problem an einer sofortigen geordneten Übergabe sein soll. Es muss im Bankrat selber, so wie er jetzt besteht, Personen geben, die das Präsidium mindestens ad interim übernehmen können. Auch John Häfelfinger (aktueller CEO der BLKB, Anm. d. Red.) ist ersetzbar. Wenn er morgen tot umfiele, müsste er auch ersetzt werden. Also die Geschichte mit der geordneten Übergabe hat etwas Bagatellisierendes. Nein, das sehe ich so nicht.

Jetzt weiss man auch, dass Führungskräfte, die ein Ablaufdatum haben, oftmals nicht mehr wirklich handlungsfähig sind. Und dass sie intern auch nicht mehr ganz ernst genommen werden. Ist das auch bei der BLKB eine Gefahr?

Ja, selbstverständlich. Da gelten keine anderen Regeln. Es sind eigentlich zwei Gefahren, die bestehen: Das Versagen, das ja jeder Mitarbeitende – nicht nur die Kunden, auch die Mitarbeitenden der BLKB – realisiert. Und das andere ist das Signal gegenüber der Öffentlichkeit, das ich schon angesprochen hatte, und die Handlungsunfähigkeit, die sich ergibt, da man sagt: «Ja, die gehen ja sowieso». Die haben eigentlich gar keine Manövrierfähigkeit und keine Deutungshoheit mehr für kommende Geschäfte oder Projekte. 

Mal ganz grundsätzlich: Der 100-Millionen-Abschreiber ist ein weiteres Kapitel in der Radicant-Geschichte, das nie unter einem guten Stern gestanden hatte. Ist die Radicant gescheitert? 

Für mich ist die Radicant gescheitert.

Woran?

Sie ist an vielem gescheitert. Zunächst war die ursprüngliche Geschäftsidee relativ unausgegoren, wenn ich das so formulieren darf. Dann änderte man die Strategie, ohne eine Strategieänderung überhaupt je zu deklarieren. Ich weiss gar nicht, an welchem Bild man noch festhielt. Und dann kaufte man das andere Unternehmen Numarics, wo man sagen muss: Das passt gar nicht. Das ist nichts, das ist nicht nachvollziehbar. Und ich würde sagen, das einzige noch wirklich Werthaltige an der Radicant-Bank ist die Banklizenz. Und ich bin der Meinung, man sollte die Bank verkaufen.

Was war denn ursprünglich die Idee mit der Radicant-Bank? 

Die ursprüngliche Idee war eigentlich, die UNO-Nachhaltigkeitsziele – ich sage es jetzt ein bisschen plakativ – in Anlagen abzubilden. Dies sollte mit Anlagenuniversen geschehen. Ich konnte mir die einige Male anschauen.  Sie waren teils ein wenig eigenartig. Beim ersten Anblick dachte ich, das ist ein Lifestyle-Produkt, das wird nicht ziehen, das ist zu wenig. Und das hat man ja dann auch gesehen. Die Idee war, Anlageprodukte anzubieten. Das hätte die ursprüngliche Bank übrigens selber tun können.

Also hätte es die Radicant-Bank gar nicht gebraucht?

Dafür brauchst du keine eigene Bank, dafür hättest du einen speziellen Vermögensverwalter einrichten können, der aber die Kundendepots bei der BLKB geführt hätte. Ich habe gar nie begriffen, warum man eine zweite Bank haben muss. Das kostet auch viel Geld und bringt hohe Überwachungskosten mit sich. Ich fand diese Idee von Anfang an nicht durchdacht. Und an dieser Stelle möchte ich etwas loswerden: Wir sprechen jetzt viel über den Verwaltungsratspräsidenten, über den CEO … Aber da steht der ganze Bankrat in der Verantwortung, jedes einzelne Mitglied. Du kannst ja nicht als Bankrat sagen: «Kümmert mich nicht, macht ihr.» Sondern du musst dich äussern, du kannst dich auch nicht enthalten. 

Also müssten eigentlich auch dort personelle Konsequenzen gezogen werden? 

Ich bin der Meinung, dass man bei jedem einzelnen schauen muss: Was war sein Diskussionsbeitrag? Welche Informationen flossen an die Bank? Was waren die Entscheidungsgrundlagen? Wer äusserte sich wie, wer brachte sich wie ein? Da steht jeder im Fokus, nicht nur die, die jetzt in den Medien immer mit Namen genannt werden.

Das wird ja jetzt auch gerade gemacht. Ein Gutachten wird nun erstellt. Trotzdem wird von politischer Seite schon eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) gefordert? Was sagen Sie dazu?  

Ich habe einerseits Verständnis für die Verärgerung in der Politik. Ich teile das Gefühl, dass das hier nicht gut gelaufen ist. Andererseits soll man doch jetzt mal abwarten. Man hat hier Experten beigezogen, das ist eine renommierte Kanzlei, die werden das in relativ kurzer Zeit machen. Und wenn man die Resultate hat – und da muss man halt auch vonseiten der Politik auf Transparenz beharren, dass man diesen Bericht einsehen kann – muss man entscheiden, ob es überhaupt eine PUK braucht. Ich glaube, die Erwartungen an die PUK sind generell ziemlich überzogen, das ist ein politisches Gremium. Ich finde, der Ruf nach einer PUK und das Insistieren, das kommt zu früh. Ich sage nicht, es ist völlig verfehlt, aber es ist jetzt zu früh. 

Inwiefern hat die Baselbieter Regierung und Finanzdirektor Anton Lauber eine Mitverantwortung an diesem Debakel? Bis jetzt spricht man ja nur über die Bank. 

Herr Lauber war lange Vizepräsident des Bankrats, auch in der fraglichen Periode, in der man sicher einen Teil der Idee ausarbeitete. Und da wird nun seine Rollen als Bankrat hinterfragt – wie bei jedem, das möchte ich betonen. Aber auch die Gesamtregierung ist natürlich gefordert. Das ist eine Sache des Kantons.

Hat man da geschlafen? 

Ob man geschlafen hat, weiss ich nicht. Aber man hat sich nicht darum gekümmert. Also ich bin nicht sicher, ob man die Problematik der Situation rechtzeitig erkannt hat. Und ich kenne die Mechanismen in der Regierung nicht, wie das bei solchen Debatten abläuft. Aber ich kann mich an das Kleinreden dieser Problematik vonseiten von Herrn Lauber erinnern. Ich dachte schon dort, das ist eine Banalisierung zu Lasten des Steuerzahlers – und übrigens auch zu Lasten der Anlager, der Privaten, die Zertifikate der Bank halten.  Also das geht so eigentlich nicht. 

Interview: Florian Scheller

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Kommentare

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16.07.2025 16:45

Hampe56

wirklich aufschlussreiches Interview- merci viilmol

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