Parlament komplett: SVP stärkste Partei trotz herbem Schlag beim Ständerat
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Parlament komplett: SVP stärkste Partei trotz herbem Schlag beim Ständerat

19.11.2023 17:37 - update 19.11.2023 19:34

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SVP bleibt stärkste Partei im Parlament trotz ausbleibendem Erfolg im Ständerat, während die Grünen Sitze einbüßen. Die Mitte etabliert sich als drittstärkste Partei im Bundesparlament.

Mit den zweiten Wahlgängen für den Ständerat in fünf Kantonen ist das Parlament komplett. Die SVP bleibt trotz dem ausgebliebenen Erfolg bei den Ständeratswahlen die stärkste Partei mit 68 Sitzen, gefolgt von der SP mit 50 Sitzen. Die Mitte platziert sich mit 44 Mandaten vor der FDP (39).

Die Grüne Partei hat noch 26 Sitze im Bundesparlament. Sie verlor in Genf und der Waadt je ein Mandat im Ständerat und fünf im Nationalrat. Mit noch drei Sitzen verloren die Grünen in der kleinen Kammer ihre Fraktionsstärke.

Die Grünliberale Partei (GLP) musste im Nationalrat derweil sechs Sitzverluste einstecken. In der Vereinigten Bundesversammlung kommt sie neu auf elf Mandate. Sie konnte sich am Sonntag mit dem Sitzgewinn von Tiana Moser in Zürich nach den Rücktritten von Verena Diener (ZH) und Markus Stadler (UR) 2015 aber wieder im Ständerat etablieren.

Neu mit einem Mandat im Ständerat vertreten ist das rechtsbürgerliche Mouvement citoyens genevois (MCG), dem im Nationalrat mit zwei Sitzen ein Comeback gelang. Nach der verpassten Wiederwahl von Thomas Minder als Ständerat hat es keinen Parteilosen mehr im Parlament.

Minder hatte sich wie der Lega-Vertreter und die Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU) im Nationalrat der SVP-Fraktion angeschlossen. Die SVP ist in der kommenden Legislatur bereit, auch die drei MCG-Vertreter aufzunehmen.

SVP misslingt Wahl in den Ständerat

Die SVP verfügt in der neuen Legislatur nach neun Zugewinnen über 62 Sitze im National- und unverändert sechs im Ständerat. In Zürich scheiterte ihr auch von der FDP empfohlener Kandidat Gregor Rutz ebenso wie im Aargau die Sitzverteidigung durch Benjamin Giezendanner. In Solothurn verteidigte SP-Kandidatin Franziska Roth den Sitz ihrer Partei gegen Christian Imark von der SVP.

Die FDP muss im Ständerat den Verlust des Zürcher Sitzes auf elf Mandate hinnehmen – und auch im Nationalrat resultierte ein Verlust auf 28 Mandate. Die Mitte konnte ihre Bilanz im Nationalrat mit einem Gewinn bei 29 Sitzen stabilisieren und ihre Position im Ständerat bei 15 Mandaten mit je einem Zugewinn im Aargau (von der SVP) und im Tessin (von der SP) zementieren. Sie überholte die FDP damit als drittstärkste Partei.

Die SP verharrt mit dem verteidigten Solothurner Sitz im Ständerat bei 9 Mandaten, im Nationalrat gewann sie zwei Sitze auf 41 Mandate. Die EVP verlor einen ihrer beiden Nationalratssitze, die EDU gewann einen Sitz dazu und liegt neu bei zwei Mandaten.

Selbst mit der FDP und kleineren Rechts-Parteien reicht es der SVP in keiner Kammer zu einer rechtsbürgerlichen Mehrheit, wie das 2015 bis 2019 der Fall war. Eine Mehrheit hat auch das linksgrüne Lager nicht, so dass die gestärkte Mitte noch deutlicher das Zünglein an der Waage spielen wird.

Mehr Frauen im Ständerat

Mit den sonntäglichen zweiten Wahlgängen steigt der Frauenanteil im Ständerat auf 16 Prozent nach 14 bei den letzten Wahlen 2019. Die Wahl in den Nationalrat schafften dagegen sieben Frauen weniger als vor vier Jahren. Der Anteil sank damit nach einem starken Anstieg 2019 von 42 auf 38,5 Prozent.

Das Durchschnittsalter des Ständerats beläuft sich in der kommenden Legislatur auf 55,4 Jahre. Dabei ist die Durchschnittsständerätin gut zwei Jahre jünger. 2019 war der Ständerat durchschnittlich 54,7 Jahre alt. Im Nationalrat liegt der Durchschnitt bei einem Alter von 50 Jahren und bei Nationalrätinnen bei 49 Jahren. 2019 hatte das Durchschnittsalter im Nationalrat noch bei 49,3 Jahren gelegen.

Ständeratswahlen für Politologen ein Korrektiv zum Rechtsrutsch

Der ausser im Tessin ausgebliebene Erfolg der SVP bei den zweiten Wahlgängen für den Ständerat ist auf die Mehrheitswahl zurückzuführen. Eine Majorzwahl nütze den anderen Parteien, erklärte der Politologe Lukas Golder vom Forschungsinstitut gfs.bern am Sonntagabend im Schweizer Fernsehen SRF.

Der konservative Trend bei den Nationalratswahlen hat sich bei den Ständeratswahlen nicht fortgesetzt. Die Stimmbevölkerung habe unter anderem aufgrund der Mobilisierung in den Städten Gegensteuer gegeben. Es zeigte sich gemäss Golder, dass die SVP-Kandidaten über ihre eigene Partei hinaus kaum Ausstrahlungskraft entwickeln.

Die SVP habe bei Persönlichkeitswahlen gegenüber moderateren Kandidaturen einen schweren Stand. Das habe sich bereits vor der Wahlniederlage von Gregor Rutz am Sonntag bei vergangenen Ständeratswahlen gezeigt, als Partei-Doyen Christoph Blocher, Ueli Maurer oder Roger Köppel scheiterten.

Zudem spielte die Frauenfrage eine Rolle, wie Golder weiter erklärte. Dass sich die Tiana Angelina Moser (GLP/ZH), Marianne Binder-Keller (Mitte/AG) und Franziska Roth (SP/SO) durchsetzten, zeige, dass auch Frauen eine Majorzwahl für sich entscheiden können.

Der Ständerat schmiede zudem immer häufiger sozial-liberale Koalitionen, sagte Golder weiter. Damit könne er sich häufig gegen rechts sowie bei Einigungskonferenzen gegenüber dem Nationalrat durchsetzen.

Ständerat gibt den Takt vor

Gemäss dem Berner Politikwissenschaftler Adrian Vatter gab es in der vergangenen Legislatur die ungewöhnlich hohe Zahl von 30 Einigungskonferenzen. Dass dabei häufiger der Ständerat obsiegte, ist seinen Angaben zufolge darauf zurückzuführen, dass dieser kleiner und homogener ist sowie öfter als Erstrat den Takt vorgibt.

Für die zukünftige Parlamentsarbeit sieht Politologe Golder derweil kurzfristig keine grösseren Veränderungen. Im Ständerat habe das rechte Lager etwas verloren. Längerfristig dürften sich in der kleinen Kammer die Neugewählten aber stärker bemerkbar machen.

Da könnten sich Lösungen auftun etwa im Gesundheitswesen. Dabei könnte das Mitte-links-Lager zwar weiter abgeblockt werden. Möglichkeiten könnten sich aber dort ergeben, wo die SVP allein stehe, so Golder (sda/isr).

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