
Pressestimmen zum Rücktritt: «Amherd hätte eine Schlüsselrolle einnehmen können»
Baseljetzt
Die Reaktionen zum angekündigten Rücktritt von Bundesrätin Viola Amherd fallen in den Medien gemischt aus. Die NZZ spricht von einer verpassten Chance, der «Tages-Anzeiger» von vielen Ausnahmefällen. Eine Presseschau.
NZZ
Die «Neue Zürcher Zeitung» schreibt zum Rückritt von Viola Amherd aus dem Bundesrat:
«Angesichts der geopolitischen Lage hätte Amherd als Verteidigungsministerin eine Schlüsselrolle einnehmen können. Schliesslich steht die Armee vor der grössten Herausforderung seit dem Kalten Krieg. (…)
Doch das erweist sich in Zeiten drohender struktureller Defizite als Kraftakt, die Finanzierungsfrage zersplittert das bürgerliche Lager bis in den Bundesrat. Gefragt wäre daher eine starke Führung mit einem klaren Plan, der es gelingt, Mehrheiten zu schaffen. Amherd ist das nicht gelungen. Stattdessen drangen während des Jahres 2024 immer wieder Missverständnisse, Pleiten, Pech und Pannen im Verteidigungsdepartement nach aussen, während die Chefin in der Welt herumjettete.»
«Blick»
Der «Blick» kommentiert den Rücktritt von Viola Amherd aus dem Bundesrat wie folgt:
«Nicht nur von der SVP musste Amherd Kritik anhören: Die Finanzdelegation des Parlaments listete in einem geharnischten Brief an Amherd gleich sieben grosse Rüstungs- und IT-Vorhaben auf, bei denen sie massive Probleme und Risiken mit Gesamtkosten von 19 Milliarden Franken feststellte. (…) Viele Probleme hat Amherd schon von ihren SVP-Vorgängern geerbt. Aber: Auch sie hat den Laden nicht in den Griff bekommen. Kommt hinzu: Die Fehlerkultur scheint im VBS nicht sehr ausgeprägt zu sein. Probleme werden klein- oder gleich ganz weggeredet, gegen aussen und innen. (…) Kritiker werfen ihr vor, statt Probleme im eigenen Departement zu lösen, sich lieber ins internationale Schaufenster zu stellen, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) oder Ukraine-Präsident Wolodimir Selenski (46) die Hand zu schütteln – und parallel dazu die Armee immer weiter in Richtung Nato zu rücken. Dabei erkennt das Parlament zahlreiche dringliche Baustellen bei Armee und VBS. Das betrifft längst nicht nur harzige Rüstungsvorhaben. Auch der Nachrichtendienst fällt immer wieder negativ auf. Die Besetzung des Spitzenpostens im neuen Staatssekretariat für Sicherheit zog sich über Monate hin….»
Watson
Watson schreibt zum Rückritt von Viola Amherd aus dem Bundesrat:
«Der Abgang so kurz nach dem Ende ihres Präsidialjahres lässt einen Verdacht aufkommen: Sie hat die Nase gestrichen voll. Genug von den Pannen im VBS. Genug von den Querelen mit Karin Keller-Sutter um das Militärbudget. Genug vom Genöle der Bürgerlichen wegen der angeblich fehlenden Strategie zur Aufrüstung der Armee. (…)
Obwohl sie zuvor nichts mit Sicherheitspolitik am Hut hatte, liess sie mehrere Gelegenheiten zu einem Departementswechsel ungenutzt verstreichen. Als Höhepunkte ihrer Amtszeit lassen sich das knappe Ja des Stimmvolks zum Kampfjet F-35 sowie die Ukraine-Konferenz auf dem Bürgenstock im letzten Jahr einstufen. (…)
Allerdings musste die Mitte-Politikerin zur Kenntnis nehmen, dass es keine einfache Aufgabe ist, eine zusammengesparte Milizarmee wieder kriegstauglich zu machen. Der Dauerknatsch um die Erhöhung des Armeebudgets war nur ein Aspekt. Amherds Personalentscheide beim Nachrichtendienst des Bundes (NDB) und beim Rüstungskonzern Ruag sorgten ebenfalls für Unruhe.»
SRF
Schweizer Radio und Fernsehen SRF kommentiert den Rückritt von Viola Amherd aus dem Bundesrat wie folgt:
«Viola Amherd kündigt ihren Rücktritt als Bundesrätin in einem Moment grossen Drucks an: Mit der SVP hat die grösste Partei ihren Rücktritt gefordert, mehrere Grossprojekte aus ihrem Departement sind in Schieflage, die Ruag sorgt für Skandale und die Diskussionen um eine reale oder fiktive Finanzlücke in der Armee klingen nach. Entsprechend kritisch fiel die Medienberichterstattung in letzter Zeit aus.
Doch Amherd konnte in ihrer sechsjährigen Amtszeit durchaus auch Pflöcke einschlagen. So hat sie es im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Ueli Maurer im Herbst 2020 geschafft, das Stimmvolk von neuen Kampfjets zu überzeugen. Dass dies auch ihrem persönlichen Einsatz zu verdanken war, attestierten ihr selbst ihre Gegnerinnen und Gegner.»
«Tages-Anzeiger»
Der «Tages-Anzeiger» schreibt zum Rückritt von Viola Amherd aus dem Bundesrat:
«Ausnahmefälle. Sie prägten – ja dominierten – Viola Amherds Zeitals Verteidigungsministerin. Die erste Ausnahme war sie selber. Als Viola Amherd 2018 in den Bundesrat gewählt wurde, übernahm sie als erste Frau überhaupt das Verteidigungsministerium (VBS) – und beendete damit eine lange Zeit der SVP-Herrschaft. Danach: weitere Premieren, weitere Ausnahmefälle, nicht alle erfreulich. Amherd musste die Armee in der Pandemie für den grössten Ernsteinsatz seit dem Zweiten Weltkrieg mobilisieren. Der russische Einmarsch in der Ukraine brachte danach die Zeitenwende. Was dazu führte, dass unter der Mitte-Bundesrätin das Armeebudget so stark aufgestockt wurde wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die letzte Ausnahme: ebenfalls sie selber. So unprätentiös und unspektakulär hat noch kaum jemand seinen Rücktritt aus dem Bundesrat bekannt gegeben.»
(sda/daf)
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Sonnenliebe
Wurde von der SVP herausgedrängt, weil sie in der Mitte eher links war und Herr Pfister rechts in der Mitte.
Sonnenliebe
Das kam überraschend.