Schwere Ausschreitungen von 2018: FCB-Fan wird freigesprochen und entschädigt
David Frische
Der Angriff von Zürcher und Karlsruher Hooligans auf FCB-Fans im Mai 2018 ist in zweiter Instanz neu aufgerollt worden. Am Dienstag spricht das Basler Appellationsgericht die Urteile bei vier Angeklagten.
Angeklagt war unter anderen ein Basler Fan. Er wurde von der Basler Staatsanwaltschaft beschuldigt, sich nicht bloss gegen die angreifenden Zürcher und Karlsruher Hooligans gewehrt, sondern sich aktiv an der wüsten Massenschlägerei beteiligt zu haben.
Eine Vorschau auf den Prozess und eine Zusammenfassung des ersten Prozesstags liest du hier:
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Das Basler Appellationsgericht hat den FCB-Fan am Dienstag in zweiter Instanz freigesprochen. Auf den Videoaufnahmen von der Massenschlägerei am 19. Mai 2018 sei nicht zu erkennen, dass der Angeklagte die Konfrontation suche. «Lässt sich immer wieder zurückdrängen, verhält sich passiv», so die Gerichtspräsidentin Liselotte Henz. Als er angegriffen wurde, habe er sich an der Auseinandersetzung beteiligt, und das sei verständlich.
Der Basler Fan erhielt vom Gericht eine Haftentschädigung von 4000 Franken zugesprochen, da er 20 Tage in Untersuchungshaft verbracht hatte.
Gericht rügt Polizei: Grenzen überschritten
Gerichtspräsidentin Henz hielt in ihrer Urteilsbegründung zudem fest, dass die Basler Polizei bei den Ermittlungen nicht sauber gearbeitet hatte. Sie überschritt Grenzen. «Strafprozessuale Regeln wurden wiederholt nicht eingehalten», so Henz. In der Nacht der Ausschreitungen platzte die Polizei in die ärztliche Untersuchung des besagten FCB-Fans, der sich verletzt ins Unispital begeben hatte, und fotografierte ihn. Mittels der Fotos wurde er auf den Videoaufnahmen von der Massenschlägerei identifiziert. Dafür hätten die Behörden aber eine schriftliche Anordnung eines Kriminalkommissärs oder der Staatsanwaltschaft gebraucht, die nicht eingeholt wurde, hielt die Gerichtspräsidentin fest. Auch ein dringender Tatverdacht hätte für eine solche Massnahme vorliegen müssen, was nicht der Fall war.
Zürcher Fan war entgegen seiner Aussagen dort
Einer der angeklagten Männer aus Zürich behauptete vor Gericht, dass er am Abend des 19. Mai 2018 nicht in Basel gewesen war. Dass ein Zahnschutz mit seiner DNA gefunden wurde, begründete er damit, dass dieser zwar ihm gehöre, er diesen aber an einen Schläger ausgeliehen habe, der dort gewesen war. Das Gericht glaubte dem Mann nicht. «Es macht aus hygienischen wie finanziellen Gründen keinen Sinn, einen billigen Gegenstand wie einen Zahnschutz auszuleihen», so Gerichtspräsidentin Henz. Zudem ist der Mann im Zusammenhang mit Gesetzesverstössen an Fussballspielen zweifach vorbestraft.
Dem Mann können keine direkten Straftaten am Abend der wüsten Auseinandersetzungen beim Joggeli und im Lehenmattquartier nachgewiesen werden, da er auf den Videoaufnahmen nicht zu erkennen ist. Da der Zahnschutz aber im Lehenmattquartier gefunden wurde, ist für das Gericht erwiesen, dass er sich zumindest an der Zusammenrottung beteiligte, die dort zwischen den angreifenden Zürcher und Karlsruher Hooligans und den FCB-Anhängern stattgefunden hatte.
Das Appellationsgericht sprach deshalb eine bedingte Geldstrafe für den Beschuldigten aus. Es hiess die Berufung des Beschuldigten aus Zürich teilweise gut.
Staatsanwaltschaft verliert auf ganzer Linie
Das Appellationsgericht sah auch bei den zwei weiteren Angeklagten, einem Mann aus Zürich und einem Deutschen aus der Nähe von Karlsruhe, von einer Verschärfung der Urteile ab. Beide waren nachweislich am Angriff von «Zürichs kranker Horde» und den Karlsruhern auf die nichts ahnenden Basler Fans beteiligt. In beiden Fällen wies das Gericht die Berufung der Staatsanwaltschaft, die härtere Strafen verlangte, ab. Für die Staatsanwaltschaft sind die Urteile eine Niederlage auf der ganzen Linie.
Das Appellationsgericht hiess die Berufung des Zürcher Hooligans sogar teilweise gut und reduzierte dessen erstinstanzliche Strafe von 22 Monaten Gefängnis, davon sechs unbedingt, auf eine bedingte Freiheitsstrafe von 17 Monaten. Der heute 37-Jährige war am Angriff beteiligt und wurde der versuchten schweren Körperverletzung und des Landfriedensbruchs schuldig erklärt. Dafür erhielt er eine bedingte Geldstrafe von 4800 Franken. Ihm konnte mittels Videoaufnahmen von den Ausschreitungen nachgewiesen werden, dass er gegen den Kopf eines am Boden liegenden Fans tritt. Sein Verhalten sei «menschenverachtend» und zeuge «von einer niedrigen Gesinnung», so die Gerichtspräsidentin.
In der zweiten Phase der Ausschreitungen, die sich im Lehenmattquartier ereignete, konnten dem Mann aber keine konkreten Kampfhandlungen nachgewiesen werden, weshalb ihn das Appellationsgericht vom Vorwurf des Raufhandels freisprach.
Am Ende des Berufungsprozesses verliessen ein freigesprochener FCB-Fan auf der einen Seite, sowie erleichterte Zürcher und Karlsruher Angreifer auf der anderen Seite das Gericht. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass von der Gewaltnacht vom 19. Mai 2018 das Meiste im Dunkeln liegt. Deshalb wurde auch nur ein Bruchteil der beteiligten Hooligans überhaupt angeklagt. Und die Gewissheit, dass die Basler Ermittlungsbehörden Grenzen überschritten haben und damit einen Basler Anhänger auf die Anklagebank brachten – zu Unrecht, wie sich nun herausstellte.
Was vor sieben Jahren geschah
Am 19. Mai 2018 war es in der Birsstrasse unterhalb der Eventplattform der Muttenzerkurve beim Joggeli zu wüsten Ausschreitungen gekommen. Der Grund: Rund 40 Personen aus Zürich reisten gemeinsam mit befreundeten Hooligans aus Karlsruhe extra nach Basel, um die FCB-Fans mit einem Angriff zu überraschen. Diese hatten zuvor das letzte Meisterschaftsspiel des FC Basel gegen den FC Luzern besucht, weder der FC Zürich noch GC noch der Karlsruher SC waren also an jenem Datum Gegner des FCB.
<br>Die Gruppierung «Zürichs Kranke Horde» ist ein fanübergreifender Zusammenschluss. Ihr Angriff mündete in einer brutalen Massenschlägerei von insgesamt rund 90 Personen. Mehrere Beteiligte wurden teils schwer verletzt.
<br>Die Gewalt weitete sich ins Lehenmattquartier aus und mündete in mehreren kleinen Strassenschlachten. Die Zürcher und Karlsruher Hooligans zogen sich in ihre Autos zurück und versuchten zu fliehen.
<br>Das Basler Strafgericht machte im Februar 2020 zwölf Männern den Prozess, die nach den Ausschreitungen angeklagt worden waren. Drei der Beschuldigten gingen danach in Berufung, in einem zusätzlichen Fall legte die Basler Staatsanwaltschaft Berufung ein. Deshalb mussten die vier Männer nun, rund fünf Jahre nach dem erstinstanzlichen Prozess, erneut vor Gericht erscheinen. (daf)
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