Partei-Krise
Baselland

Um Laura Graziolis Sitz im Landrat reisst sich keine grüne Seele

27.10.2023 05:32 - update 27.10.2023 06:43
Jessica Schön

Jessica Schön

Die Ex-Grüne Laura Grazioli ist nicht nur ihre Partei los, sondern auch ihren Landratssitz. Die Kommunikation hinsichtlich ihrer Nachfolge im Parlament wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet.

Es ist ein durchaus merkwürdiger Zeitpunkt, obwohl sich über die Gründe gut spekulieren lässt: Nach den Eidgenössischen Wahlen vom vergangenen Sonntag gaben die Baselbieter Grünen am Mittwoch den Rücktritt ihrer Landrätin Laura Grazioli (38) per Ende Oktober bekannt.

Der Hintergrund: Bereits bei der Abstimmung zum Covid-Gesetz hatte Graziolis Engagement für die Massnahmengegner:innen Schlagzeilen gemacht. Graziolis Position in dieser Thematik stand quer zur Parteilinie. «Sie stellt in den Vordergrund, dass sie über die letzten Jahre in wesentlichen Themengebieten von der Mehrheit der Fraktion und der Partei abgewichen sei,» schrieben die Grünen Baselland in ihrem Communiqué zum Entscheid Graziolis, aus der Partei auszutreten. Grazioli selbst war für Baseljetzt für eine Stellungnahme bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen.

Legt ein Landrat oder eine Landrätin ihr Amt während einer laufenden Legislatur nieder, folgt auf sie oder ihn in der Regel jene Person, die auf der Wahlliste der Partei den zweiten Platz belegt. Für den Wahlkreis Sissach wäre das Dominique Zbinden. Umso erstaunlicher ist, dass die Partei diesbezüglich keine eindeutigen Angaben macht: «Gespräche über die Nachfolge von Laura Grazioli im Landrat werden seit letzter Woche intern geführt und öffentlich kommuniziert, sobald ein definitiver Entscheid feststeht.»

Zbinden befinde sich noch im Abklärungsprozess

In der Telebasel-Sendung Punkt6 vom Dienstag widersprach der Präsident der Baselbieter Grünen, Michael Durrer, dass die Partei ein Personalproblem hat – trotz des schlechten Wahlergebnisses: «Wir haben sehr viele gute Leute», zeigte er sich überzeugt – auch wenn er einräumte, dass der Bekanntheitsgrad dieser Personen hier und da noch nicht so gross sei. Allerdings stehe jede Partei vor der Herausforderung, einen Ausgleich zwischen erfahrenen und neueren Politiker:innen zu schaffen.

Durrer zufolge ist Dominique Zbinden grundsätzlich dazu bereit, das Amt anzutreten. Sie befinde sich aber hinsichtlich der Machbarkeit noch in Abklärung mit der ZHAW, wo sie Umweltingenieurwesen studiert. Kontaktversuche vonseiten Baseljetzt mit Zbinden prallten an deren Parteikolleg:innen ab; man wolle ihr Zeit für diese Entscheidung einräumen, lautet der Konsens.

Das Rücktrittsschreiben Graziolis sei bei der Landeskanzlei am Montag eingegangen, so Stephan Ackermann, Fraktionspräsident der Grünen/EVP-Fraktion. Noch bis kommenden Dienstag habe Zbinden Zeit, sich für oder gegen die Übernahme des Landratssitzes zu entscheiden. «Das braucht Einiges», betont Ackermann. Nicht zuletzt, weil die Entscheidung Graziolis so überraschend gekommen sei.

Liste der Wackelkandidaten?

Abklärungen von Baseljetzt haben ergeben, dass auch die Dritt- und Viertplatzierten der Liste 7 nur bedingt oder gar nicht für das Amt zur Verfügung stehen: Thomas Schmelzer gab an, aufgrund familiärer Verpflichtungen nicht in den Landrat einziehen zu wollen. Karin Monetti wollte dies in ihrem Fall weder bestätigen noch verneinen, zeigte sich aber ob des Parteiaustritts Graziolis erstaunt.

Mit Linus Dörflinger, Sophie Schicktanz und Silas Bertram sind auf dem vierten, fünften und sechsten Listenplatz Gymnasiast:innen vertreten, die hinsichtlich ihrer zeitlichen Ressourcen für den Landrat eher bedingt in Frage kommen dürften. Das sei durchaus eine Herausforderung, so Stephan Ackermann. Das System dürfe aber gerade junge Menschen nicht vom politischen System ausschliessen.

Grundsätzlich sei es aber durchaus «nicht so geschickt» wenn Personen auf der Liste landen würden, die das Amt «nie und nimmer» übernehmen wollten, räumt er ein. Das zu überblicken, sei dann aber Verantwortung der Listenverantwortlichen – im Falle der Liste für den Wahlkreis Sissach war das Laura Grazioli.

Was, wenn niemand will?

Sollte keine Person auf der Wahlliste das Landratsamt übernehmen wollen, wäre eine Ergänzungswahl nötig: Wird nämlich der Sitz nicht durch das automatische Nachrücken besetzt, besteht die Möglichkeit, jemanden für die freie Position vorzuschlagen. Dieser Vorschlag muss schriftlich von mindestens zehn Unterstützer:innen der Liste genehmigt werden. Ob es soweit kommt, bleibt abzuwarten.

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Kommentare

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29.10.2023 01:44

MiDu

https://www.baseljetzt.ch/baselbieter-jungpolitikerin-rueckt-fuer-gruene-in-den-landrat-nach/139887

Geht es wirklich nur noch darum, mit einer Schlagzeile möglichst viele Aufrufe zu generieren, auch wenn der Artikel dann inhaltlich komplett ins Leere läuft und jeglicher Grundlage entbehrt?

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27.10.2023 06:58

jetzt_aber

Peinliche Partei… sich aufstellen lassen und dann das Amt nicht antreten wollen ist doch Bschiss am Wähler!

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27.10.2023 08:16

skywings2

Grundsätzliche haben Sie recht. Es gibt hingegen nicht viele, die wissen wo sie in den nächsten Jahren stehen werden. Vornehmlich bei jüngeren Kandidaturen. Da haben es Rechtsbürgerliche mit ihren Jahrgängen um einiges einfacher.

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