
Basel unverpackt: «Solange es Kundschaft gibt, bleiben auch wir»
Mirjam Rodehacke
Konsumieren, ohne Abfallberge zu produzieren: Der Laden am Erasmusplatz will das möglich machen und sich dazu in der Stadt nachhaltig etablieren. Eine Geschichte von Vision und Insistenz.
Als Nathalie Reinau, Geschäftsführerin von Basel unverpackt, im Jahr 2015 in Basel einen Vortrag von Béa Johnson, einer Koryphäe in der Nachhaltigkeitsbewegung, zum Thema Zero Waste besucht, ist sie begeistert von deren Umgang mit Abfall: Johnson zeigt ein Konfitürenglas, gefüllt mit dem Müll ihrer vierköpfigen Familie von innerhalb eines Jahres.
Zehn Jahre später erinnert sich Reinau zurück: «Die Präsentation hat mich nachhaltig beeindruckt, mir konkrete Möglichkeiten aufgezeigt, meinen Abfall zu reduzieren und dazu inspiriert, mich selbst in der Zero-Waste-Szene zu involvieren.» Die Realisierung, wie viel Leergut sie durch den eigenen Konsum tagtäglich produziere, hing ihr besonders nach.
Anschliessend habe Reinau begonnen zu recherchieren, wie die Situation auf dem Schweizer Markt bezüglich Unverpackt-Läden aussehe: «Damals war das hierzulande noch kein wirkliches Thema und mir war klar, dass ich einen Laden in Basel gründen möchte.»
Ein Netzwerk entsteht
Durch die anhaltende Recherchearbeit sei Reinau schliesslich auf die sechs weiteren Gründungsmitglieder von Basel unverpackt gestossen, woraufhin der Laden im Jahr 2017 am Erasmusplatz entstanden ist. Parallel habe es auch immer einen regen Austausch mit anderen Initianten von Unverpackt-Läden gegeben – schweizweit: «Es war wirklich grossartig mitzuerleben, wie wir alle gemeinsam gewachsen sind.»
Neben der Freiwilligenarbeit hätten Reinau und ihr Team stets darauf geachtet, ökologische Materialien zu verwenden und möglichst viel selbst zu machen – um die Kosten niedrig zu halten. Zudem seien schliesslich mit Crowdfunding und privater Darlehen die letzten Bausteine zur Finanzierung des Ladens gesichert gewesen. «Bereits zwei Jahre nach der Gründung konnten wir das ausgeliehene Geld zurückzahlen, was für uns alle eine extrem grosse Erleichterung war und zugleich eine Bestätigung dafür, dass unser Vorhaben ankam», beschreibt Reinau.
Der Covid-Plot-Twist
Während Corona sei es sogar noch besser gelaufen, die Nachfrage habe floriert. Doch dann war die Covid-Zeit vorbei und die Hochzeit von Basel unverpackt laut Reinau leider ebenfalls: «2022 erlebten wir einen krassen Umsatzeinbruch, weshalb wir jetzt schlechter dastehen als vor Corona.»
Was genau zu diesem Umschwung geführt habe, könne Reinau nicht restlos ergründen. Sie vermutet eine Kombination verschiedener Faktoren: «Wahrscheinlich haben sich einfach die Prioritäten der Leute verschoben. Man hat weniger Zeit zum Kochen oder um sich auf einen Einkauf zum selber Abfüllen vorzubereiten.»
Um hierbei Abhilfe zu schaffen, biete Basel unverpackt deshalb auf Anmeldung an, den Einkauf vorverpackt direkt abholen zu können oder liefern zu lassen. Dazu können Interessierte ihre Gefässe einfach vorher angeschrieben vorbeibringen.
Last Stores Selling
Generell seien Reinau und ihr Team natürlich bereit, das Konzept laufend an die verändernden Gegebenheiten anzupassen. Neben der Kürzung der Öffnungszeiten bieten sie mittlerweile eben zusätzlich die Lieferungen einzelner Produkte per Fahrradkurier an und auch das Versenden durch die Post werde derzeit intern diskutiert. Dies entspreche zwar nicht unbedingt der ursprünglichen Philosophie des Ladens, sei aber eine unabdingbare Reaktion auf die Umstände. Und die Anpassungen bewährten sich: So habe sich die finanzielle Lage des Ladens bereits etwas stabilisiert und ebenso nehme der Verkauf von Grossgebinden zu.
Dass Basel unverpackt mittlerweile der einzige Laden in der Region ist, der weitgehend auf Verpackungen verzichtet, stimmt Reinau traurig: «Während unserer Entstehungsphase habe ich mir gerne vorgestellt, wie schön es wohl wäre, wenn es in jedem Quartier einen Unverpackt-Laden geben würde. Aktuell könnten wir von dieser Idee allerdings wohl kaum weiter entfernt sein.»
(Neben Basel unverpackt gibt es noch den Laden Natürlich unverpackt. Dieser verfolgt ein ähnliches Ziel im Sinne der Abfallreduktion, setzt hingegen aber hauptsächlich auf plastikfreie Verpackungen und ein Online-Store-Konzept.)
Klientel-Rückhalt als Eckpfeiler
Dennoch wolle sich das Team von Basel unverpackt aber nicht entmutigen lassen und an seiner Vision festhalten. «Solange es Kundschaft gibt, bleiben auch wir», gibt sich Reinau kämpferisch. Die Bindung zum Klientel sei neben der Anpassungsfähigkeit ohnehin einer der Hauptgründe, weshalb Basel unverpackt seit bald acht Jahren existiert. Wichtige Kommunikationsmittel für die Kundenbeziehung seien dazu die im Laden platzierte Wunschtafel für die Aufnahme neuer Produkte sowie die Kundengespräche selbst.
Aber nicht nur die Möglichkeit, dass sich die Kundschaft selbst miteinbringen könne, habe seinen Wert – ebenfalls hätten die vielen positiven Rückmeldungen zum Bestehen des Unverpackt-Ladens beigetragen: «Das Feedback ist wahnsinnig berührend und gibt uns viel zurück.» So gebe es häufig Momente, in denen sich Stammkunden sicherheitshalber vergewissern wollten, ob der Laden am Erasmusplatz trotz der schwierigen Situation noch weitermachen würde.
Bewusstsein über eigene Handlungsfähigkeit
Weitere Strategien, um das Überleben des Ladens zu sichern, sei zudem das aktive Anschreiben von Firmen und Büros – wobei gezielt Produkte im Grossgebinde (beispielsweise Reinigungsmittel und Snacks) angeboten werden würden. Darin enthalten sei auch das wöchentliche Auffüllen der Gefässe durch Mitarbeitende von Basel unverpackt.
Daneben gibt es laut Reinau die Möglichkeit, den Laden für Geschäftsanlässe oder private Veranstaltungen zu mieten: «Wir hatten hier schon Apéros von Firmen, zuletzt eine Gruppe vom Roten Kreuz, und Geburtstagsfeiern.»
In Bezug auf die Zukunft wünscht sich Reinau, dass die Gesellschaft tiefsinniger über das eigene Vorgehen reflektieren würde und fügt an: «Ich glaube, manche Leute realisieren nicht, welche Wirkung das eigene Handeln hat und was aktives Mitwirken tatsächlich auslösen kann.» Denn bereits mit wenigen Veränderungen könne die eigene Abfallproduktion drastisch reduziert werden. Und dazu müsse auch nicht direkt die Grösse eines Konfitürenglases angestrebt werden.
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Bebbitante
👍🏼 top
Thomy
👍