
Veloverleih in Basel ankurbeln? Luzern und Chur machen’s vor
Baseljetzt
In Basel nimmt die Nutzung von Leihvelos zu, bleibt jedoch hinter anderen Städten wie Luzern und Chur zurück. Dort wurde das Angebot erfolgreich in den öffentlichen Verkehr integriert und verzeichnet hohe Auslastungen.
Immer mehr Leute leihen in Basel Velos aus, um von A nach B zu kommen. Trotz steigender Zahlen: Beim vom Kanton mitfinanzierten Angebot Velospot gibt es noch Luft nach oben. Baseljetzt berichtete:
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Mehr als eine halbe Million Fahrten pro Jahr
Das zeigt auch der Blick in andere Schweizer Städte. In Luzern zum Beispiel dürfen seit 2017 alle, die in der Stadt wohnen und Steuern zahlen, Velos gratis ausleihen. Die Verantwortlichen reden von einem Erfolgsmodell.
30 Minuten pro Tag gratis Velo fahren: Das bekommt bei den Stadt-Luzernern gut an. 2021 waren es noch 145’000 Fahrten, drei Jahre später knackte der Anbieter Nextbike mit 541’000 Fahrten die halbe Millionen-Marke. Das sind deutlich mehr als die 124’000 jährlichen Fahrten von Velospot in Basel.

Dorthin war es ein langer Weg. Seit 2011 kann man in Luzern Velos ausleihen. So richtig ins Rollen kam das Angebot aber erst später. Seit 2017 sind die Velos dank eines politischen Vorstosses gratis verfügbar. Und vor drei Jahren kaufte die Stadt neue Velos mit einem unkomplizierten Zahlenschloss und eröffnete mehr Stationen. Davon profitieren in Luzern so gut wie alle: «Wir sehen, dass das von Studenten bis zu Senioren eine ganz grosse Palette von Menschen abholt, die mit dem Velo – sei es zur Arbeit, sei es in der Freizeit – unterwegs ist», sagt Markus Birrer, Projektleiter Mobilität Stadt Luzern, im Interview.
«Wir nutzen es täglich»
440’000 Franken zahlt die Stadt Luzern jedes Jahr für diesen Service. Das macht etwa 5 Franken pro Kopf. Und es scheint gut investiertes Geld zu sein. «Ich muss ehrlich sagen, ich finde, es wird mega gut genutzt. Auch unter den Kollegen, die ich kenne», sagt Ylenia aus Luzern. «Und ja, wir nutzen es wirklich tagtäglich und sind mega dankbar dafür.» Auch Meret aus Luzern findet das Angebot «sehr, sehr gut». «Man sieht immer den Verkehr in der Stadt, wo ich das Gefühl habe, dass ein grosser Teil davon nicht unbedingt nötig wäre.»
Ob in der Innenstadt in den letzten Jahren weniger Autos unterwegs sind, kann Markus Birrer noch nicht sagen. Die Velos können den öffentlichen Verkehr aber gerade in Spitzenzeiten entlasten oder ideal ergänzen. «Das Veloverleihsystem kann auch ein bisschen als letzte Meile-Erschliessung angeschaut werden», sagt Birrer. «Es bietet grosses Potenzial in sogenannten Tangentialerschliessungen, die der ÖV nicht abdecken kann.» Beispielsweise von Osten nach Westen, wo es in Luzern kein ÖV-Angebot gibt, wie Birrer ausführt. Diese Strecke könne stattdessen mit den Leihvelos zurückgelegt werden.

Niederschwelliges Angebot
Markus Birrer und sein Team tauschen sich eng mit allen Schweizer Städten aus, in denen Leute ausleihen können. Einfach so übernehmen kann Basel das Luzerner System aber nicht. Weil das Angebot aus Steuergeldern finanziert wird, müsste es neu ausgeschrieben werden.
Für Markus Birrer ist klar, dass sich das Angebot für Luzern gelohnt hat. «Das Erfolgsgeheimnis ist sicher, dass es der Bevölkerung ganz niederschwellig zur Verfügung steht und dass man aktiv darüber spricht, dass es das Angebot gibt. Darum wird es auch genutzt.» Damit dies auch so bleibt, baut die Stadt Luzern in den nächsten Jahren das Velonetz aus. Auch das auf Wunsch der Bevölkerung.
In Chur in Jahresabo integriert
Das Beispiel Chur zeigt ebenfalls, wie es funktionieren könnte. Dort sind die Leihvelos im Abo für den öffentlichen Verkehr integriert. Mooinz: So nennt isch das Veloleihsystem in Chur. «Mooinz ist unser Begriff, er passt zum Lebensstil, zur Begrüssung und auch zum ‹Tschau› sagen», erklärt Sascha Streule, Geschäftsführer von Transreno, im Interview. «Mooinz gehört einfach zu uns, darum hat man auch einen richtigen Churer Begriff für das Bikesharing genommen.»

Wer ein Jahresabo des Churer ÖV-Verbundes Transreno besitzt, kann mehrere Male pro Tag eine halbe Stunde lang gratis fahren. Ein E-Bike gibt es für 1 Franken eine halbe Stunde lang. Es handelt sich um ein Pilotprojekt, das die Stadt Chur mit 68’000 Franken pro Jahr subventioniert. «Das Velo ist nicht der Feind des ÖV, sondern es soll als Ergänzung funktionieren», sagt Streule. «Wir haben die Chance bekommen, das auszuprobieren – und ich glaube, die Zahlen sprechen für sich.»
Seit März gibt es in Chur dieses neue Angebot, und die Leute nutzen die Leihvelos nun viel mehr als zuvor: Im März waren es rund 4’500 Fahrten, im Juni waren es schon 9’000. Diese Zunahme gebe es, weil man zusammen mit dem Verband Pro Velo gut informiert habe, und die Zusammenarbeit bestehe auch mit Unternehmen wie dem Spital. Dort stehen viele Velos für die Angestellten bereit.
Hohe Auslastung
Die Leute in der Stadt seien eher noch mit dem eigenen Velo unterwegs, wie eine Umfrage vor Ort gezeigt hat. Viele finden das System aber positiv. «Ich habe ein paar Kollegen älteren Jahrgangs, die sagen, das ist eine gute Sache, kann ich nehmen, entsperren und wieder hinstellen. Sie sind hell begeistert», sagt André aus Chur. Annabelle nutzt es selbst nicht, «aber Jugendliche und mein Sohn nutzen es ab und zu».
Weil die Stadt Chur nicht ganz so gross ist, gibt es aktuell nur 165 Leihvelos. Die Auslastung ist jedoch hoch. Jedes Leihvelo wird in Chur 1,8 Mal pro Tag genutzt. In Basel liegt die Auslastung bei nur 0,4 Fahrten pro Tag pro Velo. Der Kanton Basel-Stadt steckt im Ganzen 2,1 Millionen Franken rein. Genau deshalb hat der Mobilitätsprofessor Alexander Erath kürzlich bei Baseljetzt Kritik angebracht.
Als Beispiel nannte Erath eine Fahrt von Frenkendorf zum Bethesda Spital. Das bedeutet mit dem ÖV: zweimal umsteigen. «Wenn man nur einmal umsteigt und ein Velo am Bahnhof nimmt, würde man auch etwa zehn Minuten sparen.» Im Moment mache man das aber nicht, weil es teuer ist. «Es kostet fünf Franken extra. Wenn man ein U-Abo hat, macht man das nicht.» Wäre das Verleihsystem hingegen im Tarif integriert, würden das mehr Leute kombinieren.
Ausweitung auf den ganzen Kanton
Genauso wie in Chur. Dort will man das Angebot auf den ganzen Kanton Graubünden ausweiten. Weitere Gemeinden rund um Chur seien interessiert. In Films, 16 Kilometer entfernt von Chur, stehen seit neuem zwei Cargobikes. «Die Velos in Flims sind nicht angedacht, um nach Chur zu fahren. Sondern es war ein Projekt der Gemeinde Flims, die jetzt mal mit diesen zwei Cargobikes begonnen hat», erklärt Streule.

Auch in Chur selbst soll das Angebot noch ausgebaut werden. Damit neben Bussen und Räthischer Bahn bald noch mehr Velos zum Stadtbild gehören.
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Sonnenliebe
Ich finde es sinnvoll, die Idee aus Luzern auch in Basel umzusetzen, auch wenn es nicht ganz so einfach wird und ich selber kein Fahrrad fahre.
spalen
wie kann man kein eigenes velo haben?
Sonnenliebe
Es können sich nicht alle ein Fahrrad leisten.
spalen
stimmt. daran habe ich jetzt wirklich nicht gedacht.
manchmal geht man zu sehr von der eigenen situation aus und vergisst, dass es da grosse unterschiede gibt.
danke für den hinweis!