
Verteidiger: Spermaspuren an Jacken-Innenseite «entlasten Mandanten eindeutig»
David Frische
In der Nacht auf den 1. Juni 2024 soll ein Mann (25) im Horburgpark eine 38-jährige Frau vergewaltigt haben. Der Fall wird am Basler Strafgericht verhandelt. Am Donnerstag warf ein Beweisstück neue Fragen zum Geschehen auf.
Nach einer Partynacht in einem Club in der Clarastrasse soll es passiert sein: Ein 25-jähriger Mann drängt eine Frau (38) in den Horburgpark. Die Beiden hatten sich zuvor im Club kennengelernt. Dort reisst er sie zu Boden, würgt ihren Hals und vergewaltigt sie schliesslich. So lautet die Anklage der Basler Staatsanwaltschaft, die den Kosovaren vor Gericht bringt. Er habe sich «gnadenlos das genommen, was er wollte», sagte die Staatsanwältin Alexandra Frank vor dem Basler Strafgericht. Dort hatte am Dienstag die Hauptverhandlung im Prozess um die mutmassliche Vergewaltigung begonnen.
Die Staatsanwaltschaft und die Anwältin der Privatklägerin – dem mutmasslichen Opfer – fordern für den Beschuldigten sechs Jahre Gefängnis und einen lebenslangen Landesverweis. Dazu will die Privatklägerschaft eine Genugtuung von 15’000 Franken.
Einen ausführlichen Bericht auf den ersten Verhandlungstag findest du hier:
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Dieser Darstellung der Ereignisse widersprechen der Angeklagte und sein Verteidiger entschieden. Es sei in jener Frühsommernacht zu einvernehmlichem Sex im Horburgpark gekommen. Er und die Klägerin hätten zusammen einen «schönen Abend» verbracht, so der 25-jährige Beschuldigte. «Es gab keine Gewalt.»
Am Donnerstag wurde die Verhandlung am Strafgericht fortgesetzt. Verteidiger Sararard Arquint hielt sein Plädoyer. Die Fünferkammer des Gerichts hatte ihm am Dienstag mehr Vorbereitungszeit als geplant gewährt – allerdings «unter grossem Unmut», wie Gerichtspräsidentin Sarah Cruz-Wenger sagte. Er sei noch nicht bereit und müsse noch Abklärungen treffen, hatte Arquint seinen Antrag begründet und sorgte damit für einen kleinen Eklat im Gerichtssaal.
«Spurenbericht bringt die Anklage zum Einstürzen»
Mit dem Plädoyer des Verteidigers wurde am Donnerstag – zumindest zu Teilen – klar, worum es in seinen Abklärungen ging. Arquint führte als Beweismittel die Jacke des Angeklagten ins Feld. An der Innenseite der Jacke waren nach der besagten Nacht im Horburgpark Spermaspuren sichergestellt worden. An der Aussenseite fand man Spuren von Dreck, beziehungsweise Erde. Die Verteidigung ist sich sicher: Der Spurenbericht stützt die Aussage des Beschuldigten. Er habe demnach seine Jacke auf dem Parkboden ausgebreitet, die Frau habe sich draufgelegt und sie hätten einvernehmlichen Sex gehabt. «Wie sollen die Spermaspuren dort hinkommen, wenn die Jacke nicht am Boden lag?», fragte der Verteidiger in seinem Plädoyer. Der Spurenbericht entlaste seinen Mandanten «eindeutig» und bringe die Anklage «zum Einstürzen».
Die Staatsanwältin sah die Spuren an der Jacke wiederum nicht als Beweis für die Unschuld des Angeklagten. Das Sperma könne auch von dessen Händen auf die Jacke gekommen sein. «Er muss sie ja wieder anziehen», so Frank. Zudem würden die Spuren nicht beweisen, dass der Beschuldigte die Jacke am Boden ausgebreitet hatte.
Verteidiger wirft Klägerin Falschaussage vor
In seinem rund zweistündigen Plädoyer zweifelte der Verteidiger am Donnerstag vor Gericht wiederholt die Glaubwürdigkeit des mutmasslichen Opfers an. «Es kann gut sein, dass die Klägerin weiss, dass sie nicht die Wahrheit spricht, sich aber nicht konkret erinnern kann und damit die Flucht nach vorn antritt.» Die Frau hatte im Verfahren und vor Gericht immer wieder ausgesagt, sich an das Meiste in der Nacht nicht erinnern zu können. Sowohl sie als auch der Mann hatten mehrere Gläser Alkohol getrunken. Ihre Aussagen seien nicht konsistent, so Arquint, gerade jene zum Kernsachverhalt, der mutmasslichen Vergewaltigung. Die Klägerin habe unterschiedliche Angaben zur Frage gemacht, ob und wann sie sich gegen die Gewalt des Mannes gewehrt habe.
Der Verteidiger bezichtigte die Frau auch der Falschaussage. So habe sie ausgesagt, dass der Angeklagte sie «an den Haaren in den Park gezogen» habe. Die Schwester des Angeklagten und ein weiterer Zeuge, beide in der Situation vor dem Park noch anwesend, dementierten dies aber.
Mutmassliches Opfer hat schwierige Vergangenheit
Arquint führte aus, dass die Frau nicht zum ersten Mal in eine solche Risikosituation geraten sei. Die Klägerin war bereits in einem anderen Fall Opfer einer Vergewaltigung geworden. In einem anderen Prozess wurde sie zudem wegen einer Falschaussage verurteilt.
Einfach hat es die Klägerin nicht, wie sie selbst vor Gericht aussagte. Sie habe schon mehrere «toxische» Beziehungen zu Männern gehabt. Auch die Kesb hatte sich einst eingeschaltet. Zurzeit hat die Mutter von zwei Töchtern eine Familienbegleitung.
Verteidiger Arquint forderte, dass die Frau genauer untersucht wird. «Es bestehen offensichtlich Zweifel an einer gefestigten und stabilen Persönlichkeit», sagte er vor Gericht. Ohne eine entsprechende Abklärung könne «der Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen nicht überprüft werden».
Damit verbunden kritisierte der Verteidiger, dass die Vorgeschichte der Frau nicht in die Ermittlungen zur mutmasslichen Vergewaltigung im Horburgpark einfloss. Vielmehr habe die Staatsanwaltschaft «Opferschutz betrieben». Die Akten der Kesb und der «Fakt», dass die Klägerin «suizidale Gedanken» gehabt habe, seien «zurückgehalten worden».
Verteidigung: Keine Spuren von Gewalt
Nach der Nacht im Horburgpark wurden sowohl die Klägerin als auch der mutmassliche Vergewaltiger rechtsmedizinisch untersucht. Die Frau betonte wiederholt, dass sie vom Mann gewürgt worden sei. Laut Verteidigung gibt es dafür keinen Beweis. Sie stützt sich auf das rechtsmedizinische Gutachten aus Basel, wonach bei der Frau keine Würgemale festgestellt wurden, die ihre Aussage stützen.
An beiden Körpern fand man Hautrötungen. Laut dem Gutachten gelten diese aber nicht als Verletzungen – sie könnten auch von einvernehmlichem Sex stammen. Für die Verteidigung zeigt das Gutachten, dass der Angeklagte gegenüber der Klägerin nicht gewalttätig gewesen sei. Hätte sein Mandant massive Gewalt gegenüber der Frau ausgeübt, hätte diese bei ihr Verletzungen hinterlassen, die festgestellt worden wären, argumentiert Arquint.
Die Staatsanwaltschaft führte ihrerseits ins Feld, dass unter den Fingernägeln der Frau die DNA des Beschuldigten festgestellt wurde, die beweisen, dass die Klägerin den Mann gekratzt hat. Unter seinen Fingernägeln wurden wiederum keine Spuren von der Frau gefunden.
Freispruch, Entschädigung und Genugtuung gefordert
Für Verteidiger Arquint gibt es an der Schuld des Angeklagten «unüberwindbare Zweifel». Er fordert für seinen Mandanten einen vollumfänglichen Freispruch und dass der Landesverweis gegen den Kosovaren abgewiesen wird. Der Angeklagte solle zudem eine monatliche Entschädigung von 1000 Franken erhalten, da er am Tag nach der Verhaftung eine Stelle bei einem Umzugsunternehmen angetreten hätte. Ausserdem fordert die Verteidigung eine Genugtuung von 250 Franken pro Tag für die Zeit, seit der Mann inhaftiert wurde.
Zum Abschluss des Verhandlungstags beteuerte der Angeklagte vor Gericht nochmals: «Ich bin unschuldig. Es war alles freiwillig.» Es habe keine Gewalt gegeben.
Urteil am Freitag
Die Fünferkammer der Richter:innen um Gerichtspräsidentin Sarah Cruz-Wenger berät sich nun. Das Urteil wird am Freitag erwartet. Baseljetzt wird vom Strafgericht berichten. Für den Angeklagten gilt bis zu einer allfälligen Verurteilung die Unschuldsvermutung.
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