«Wer jemanden in den Bauch sticht, muss mit schweren Verletzungen rechnen»
©Bild: Keystone
Strafgericht
Basel-Stadt

«Wer jemanden in den Bauch sticht, muss mit schweren Verletzungen rechnen»

17.04.2024 16:01 - update 17.04.2024 16:02
Lea Meister

Lea Meister

Ein 38-Jähriger, der vor einem Jahr zwei Menschen auf dem Centralbahnplatz mit einem Messer verletzt haben soll, stand diese Woche vor Gericht. Am Mittwoch folgte das Urteil.

2022 soll er eine Frau mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen und vor einem knappen Jahr zwei Menschen mit einem Messer verletzt haben. Beides geschah im oder um das Bahnhofsgebäude herum. Der Fall wurde am Dienstag vor Gericht verhandelt. Die Geschichte des Angeklagten ist geprägt von Ablehnung, körperlicher Gewalt und dem Wunsch, in einem fremden Land Geld zu verdienen.

Alle Details zum Fall kannst du hier nachlesen:

Viele objektive Beweismittel in den Akten

Versuchte schwere und einfache Körperverletzung mit einem gefährlichen Tatmittel – also dem Messer in Form einer Pistole, konnte dem 38-Jährigen nachgewiesen werden, wie Gerichtspräsident Roland Strauss in der Urteilseröffnung sagte.

Insgesamt wird der 38-Jährige zu vier Jahren und einem Monat Haft verurteilt. Die bereits abgesessenen 327 Tage in Untersuchungshaft werden ihm angerechnet. Zudem muss er eine Busse von 500 Franken bezahlen. Er erhält ausserdem einen Landesverweis von 10 Jahren und muss die Verfahrenskosten in Höhe von knapp 22’000 Franken und die Urteilsgebühr von 12’000 Franken übernehmen.

In den Akten gebe es viele objektive Beweismittel dafür, dass er am besagten Abend vor knapp einem Jahr zwei Personen mit seinem Messer verletzt hat, so Gerichtspräsident Roland Strauss. Er meint damit vor allem das beim Täter sichergestellte Messer und die DNA-Spuren beider Opfer, die darauf gefunden wurden.

Zudem habe der Verurteilte in der Hauptverhandlung nie bestritten, die beiden Opfer (einen Mann und seine Schwiegertochter) mit dem Messer verletzt zu haben. Die Täterschaft mit Bezug auf die Verletzungen sei somit erstellt. Was klar sei, sei die Tatsache, dass es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem verurteilten und einer Gruppe auf dem Centralbahnplatz gekommen sei.

Er hätte sich entfernen können

Was daraufhin genau passiert sei, bleibe unklar. Vermutlich eine Mischung aus der Opfer- und der Täterdarstellung, wie Strauss vermutet. Denn beide Darstellungen der Ereignisse seien einigermassen schlüssig. Ein «gegenseitiges Aufschaukeln» habe wohl im Endeffekt dazu geführt, dass es Verletzte gegeben habe.

Dennoch: Der Täter hätte die Möglichkeit gehabt, sich nach den Provokationen einfach von der Gruppe zu entfernen, was er aber nicht getan hat. Er gab in der Hauptverhandlung an, von der ganzen Gruppe angegriffen und geschlagen worden zu sein. Dies kann mit den Angaben des rechtsmedizinischen Gutachtens, welches im Anschluss an die Tat von den Opfern und dem Täter erstellt worden ist, jedoch nicht bestätigt werden.

Die Aussagen zweier unabhängiger Zeugen seien weder detailliert, noch würden sie ein klares Bild ergeben, so Strauss. «Sie lassen sich nach Auffassung des Gerichts nicht zu einem stimmigen Bild zusammenfassen.» Dennoch bedeute dies nicht, dass man deshalb einfach den Aussagen des Täters glauben könne, denn auch diese seien teilweise nicht glaubhaft gewesen.

Nie in Lebensgefahr

Bei Stichen gegen den Rumpf spricht man gemäss Rechtsprechung normalerweise von versuchter vorsätzlicher Tötung. Im rechtsmedzinischen Gutachten des Opfers stehe aber, dass dieses nie in Lebensgefahr gewesen sei. «Die Verletzungen waren so bescheiden, dass er das Spital im Laufe der Untersuchung wieder verlassen konnte», so Strauss. Auch eine mögliche Lebensgefahr habe nie bestanden, ein Einstich wenige Zentimeter tiefer oder weiter seitlich hätte daran nichts geändert. «Der Eintritt des Todes war in diesem Fall (…) ausgesprochen wenig wahrscheinlich.»

Fazit: Je unwahrscheinlicher der Tod, desto mehr Indizien benötigt das Gericht, um bei einem Täter auf Vorsatz schliessen zu können, also darauf, dass er den Tod des Opfers schlimmstenfalls in Kauf genommen hätte. Diese klaren Indizien existierten in diesem Fall aber nicht. Deshalb habe das Gericht dem Verurteilten keinen Eventualvorsatz nachweisen können.

«Wer mit einer Stichwaffe in den Bauch einer anderen Person sticht, muss aber auf jeden Fall damit rechnen, dass er ein Organ trifft und damit schwere Verletzungen verursachen kann», so Gerichtspräsident Strauss. Deshalb kommt es zum Schuldspruch der versuchten schweren Körperverletzung.

Haftstrafe und Busse

Ebenfalls verurteilt wird der 38-Jährige für die Tätlichkeit aus dem Jahr 2022, als er eine junge Frau im Bahnhofsgebäude mit der flachen Hand geschlagen und sich mit ihr gerauft hat. Dafür muss er eine Busse entrichten. Auch weil er für das Messer, das er auf sich trug, keine Bewilligung hatte, muss er eine Busse bezahlen. Eine Bewilligung dafür hätte er benötigt, weil es sich beim Messer um eine Imitationswaffe handelt – um eben dieses Messer in Form einer Pistole.

Dass der Verurteilte zum Tatzeitpunkt einen Blutalkoholwert von über 2 Promille hatte, also «zünftig alkoholisiert» war, wie Richter Strauss anmerkte, wirkte sich strafmildernd aus und reduzierte die Gesamtstrafe um einen Viertel.

Der Verurteilte hat nun drei Möglichkeiten: Er kann das Urteil annehmen, in Berufung gehen, oder nochmals zehn Tage darüber nachdenken. Gleiches gilt für die Staatsanwaltschaft.

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Kommentare

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17.04.2024 14:43

XxX84

Wurde Zeit, dass dieser “Mensch” verurteilt wurde! Bravo, jetzt nur noch zeitnah verurteilen und nicht Jahre warten. Würde viele abschrecken.

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17.04.2024 16:01

PRodriguez

Harte Urteile schrecken gar niemanden ab. Siehe USA, siehe Russland…

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