
Wie die Pandemie zu einem Anstieg von häuslicher Gewalt führte
Larissa Bucher
Die Corona-Pandemie hat weltweit viele Lebensbereiche verändert – von der Arbeitswelt bis hin zu sozialen Interaktionen. Eine der am häufigsten übersehenen Folgen war die Zunahme von Gewalt gegen Frauen.
Zu Beginn der Pandemie wurden weltweit drastische Massnahmen ergriffen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. Lockdowns, Quarantäneregelungen und Ausgangsbeschränkungen führten dazu, dass die meisten Personen mehr Zeit in ihren eigenen vier Wänden verbrachten. Für einige Frauen hiess das: mehr Zeit mit ihren gewalttätigen Partnern. Das verschärfte bestehende Gewaltverhältnisse und führte zu einem Anstieg von häuslicher Gewalt.
Verstärkte Risikofaktoren
Laut Berichten von Frauenhäusern, sozialen Organisationen und der Polizei stieg die Zahl der gemeldeten Gewalttaten gegen Frauen in vielen Ländern während der Pandemie erheblich an. Der Bund schreibt im Jahr 2021 dazu: «Die Corona-Pandemie verstärkt Risikofaktoren, die häusliche Gewalt begünstigen. Zu nennen sind hier insbesondere wirtschaftliche Not und Suchtprobleme, die potenziell zu Stresssituationen innerhalb des Haushalts führen. Stresssituationen, die durch die eingeschränkte Mobilität und Massnahmen wie Homeoffice zusätzlich verschärft werden können.» Auch internationale Studien zeigten, dass die Isolation und der Stress der Pandemie in vielen Fällen als Katalysator für Gewalt fungierten.
Ein entscheidender Faktor dafür war die eingeschränkte Möglichkeit, Hilfe zu suchen. Frauen, die in gewalttätigen Beziehungen lebten, hatten in den Lockdowns weniger Zugang zu sozialen Unterstützungsnetzwerken, wie etwa Familie und Freund:innen, und die traditionellen Zufluchtsorte – wie Beratungsstellen und Frauenhäuser – waren oft schwerer erreichbar oder bereits überlastet. Mehrere Organisationen setzen sich aus diesem Grund bereits seit Beginn der Pandemie für die Sicherheit von Frauen ein. «Die Rechte von Frauen und Mädchen müssen sowohl während dieser Gesundheitskrise als auch nach der Covid-19-Pandemie respektiert und gewahrt werden», sagte Viviana Waisman, Präsidentin und Geschäftsführerin der Frauenrechtsorganisation Women’s Link Worldwide im Jahr 2020 dazu und veröffentlichte den Leitfaden «A Guide for Europe: Protecting the rights of women and girls in times of the COVID-19 pandemic and its aftermath».
Nachwehen nach der Pandemie
Auch wenn die akuten Phasen der Pandemie hinter uns liegen, hat sich die Situation von Frauen, die Gewalt erleben, nicht vollständig verbessert. Frauenhäuser und Beratungsstellen berichteten von einem anhaltend hohen Bedarf an Unterstützung – teilweise sogar steigend, da Frauen, die während der Pandemie in gefährlichen Situationen waren, nun die Möglichkeit suchen, aus gewalttätigen Beziehungen zu entkommen.
Die Pandemie hat jedoch auch positive Veränderungen angestossen. Durch die verstärkte Aufmerksamkeit auf das Thema häusliche Gewalt und die steigende Zahl an Hilfsangeboten für betroffene Frauen wurde das Thema auch in der breiten Gesellschaft mehr in den Fokus gerückt. Viele Regierungen und Organisationen haben finanzielle Mittel und Ressourcen bereitgestellt, um Frauenhäuser und Beratungsdienste besser auszustatten. In einigen Ländern wurden sogar gesetzliche Reformen eingeführt, um den Opferschutz zu verbessern und Täter härter zu bestrafen.
Auch die Nutzung von digitalen Beratungsdiensten und anonymen Hilfetelefonen hat während und nach der Pandemie zugenommen. Diese digitalen Kanäle bieten Frauen, die sich noch immer in einer gewalttätigen Situation befinden, eine Möglichkeit, Unterstützung zu suchen, ohne direkt Gefahr zu laufen, entdeckt zu werden. Trotzdem: Die Corona-Pandemie hat viele Lücken im bestehenden System der Gewaltprävention und -hilfe aufgezeigt. Langfristige Lösungen müssen nun auf mehreren Ebenen ansetzen.
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