
80 Jahre nach dem Bombenangriff auf Basel: «Die Bevölkerung reagierte mit Wut und Unverständnis»
Johanna Samland
Am 4. März 1945 wurde Basel bei einem Angriff der Allierten versehentlich angegriffen. Patrick Schlenker erzählt über die Folgen und die Reaktionen in der Stadt.
Patrick Schlenker ist historischer Berater. Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Militärgeschichte und ist seit 2003 als Berater für Museen, Film-, Fernseh- und Theaterproduktionen tätig.
Im Zweiten Weltkrieg war die Schweiz politisch neutral. Wie kam es dazu, dass Basel trotzdem bombardiert wurde?
Der Grossteil der Bombenabwürfe der Alliierten auf Schweizer Gebiet war auf Navigationsfehler, wetterbedingte Abweichungen vom Kurs sowie auf eine schlechte Identifizierung des eigentlichen Zieles zurückzuführen. Andere hatten mit der Not der Besatzungen, die aus unterschiedlichen Gründen wie Motorenproblemen oder Gefechtsschäden ihre Bombenlast irgendwo abwarfen, zu tun. Es gibt keine Belege oder Beweise dafür, dass Angriffe auf Schweizer Gebiet mit Absicht ausgeführt wurden.
So war es auch am 4. März 1945, als es in der Folge von zahlreichen Problemen bei der Zusammenführung von 3 Divisionen mit insgesamt über 1000 Bombern über Paris wegen Nebel und Wolken zu Problemen kam. Die drei Gruppen wurden in viele kleine Gruppen versprengt, die über Süddeutschland ihre Ziele suchten. Als sie über Basel auftauchten, hielten sie die Stadt für Freiburg.
Welche Basler Stadtteile waren von der Bombardierung betroffen? Welches Ausmass hatte die Zerstörung?
Die Bombardierung traf hauptsächlich den Güterbahnhof Wolf, auf dem ein Grossteil der 50 Brisanzbomben niederging. Auf dem Gelände entstanden Schäden an den Lagerhallen, sowie dem Rollmaterial und Schienenanlagen. Zudem wurden angrenzende Quartiere wie das Gundeldingerquartier, das Gellert und die Breite getroffen. Dabei wurden 79 Privathäuser teilweise stark beschädigt. In der Folge brachen rund 50 Entstehungsfeuer, ein mittleres Feuer, sowie 16 Grossbrände aus.

Wie reagierte die Lokalbevölkerung auf die Bombardierung?
Die Bevölkerung reagierte mit Wut und Unverständnis, weil die amerikanische Generalität nach dem schweren Angriff auf Schaffhausen vom 1. April 1944 viele Zugeständnisse und Versprechungen gemacht hatte, dass sich etwas Derartiges nicht wiederholen sollte.
Gab es Tote oder Verletzte?
Obwohl es erhebliche Sachschäden gab, kamen wie durch ein Wunder keine Menschen ums Leben. Das dürfte dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass der 4. März ein Sonntag war und der Grossteil der Brisanzbomben auf dem Güterbahnhof niederging und nicht in den Quartieren, in denen vor allem Brandstabbomben einschlugen, die bei 2’200 Grad alles im Umkreis von drei Metern in Brand setzten. Es wurden 39 Personen verletzt. Die Medien sprachen am Folgetag von 100.
Welche aussenpolitischen Folgen hatte die Bombardierung?
Am Mittwoch, den 6. März, liess sich der Bundesrat an seiner Sitzung durch die zuständigen Behörden über die Schäden in Basel und Zürich informieren. Der Bundesrat gab zu Protokoll, dass man befremdet sei, dass sich derartige Vorfälle der Neutralitätsverletzungen trotz vorhergegangenen Protesten und Zusicherungen seitens der betroffenen Regierungen wiederholt hatten.
Die USA entschuldigten sich offiziell für den Vorfall und leisteten finanzielle Entschädigungen für die entstandenen Schäden. In Basel entstanden Schäden im Wert von 9,1 Millionen Franken.

Ausserdem wurden weitere Sicherheitsmassnahmen versprochen. Carl Spaatz, Der Oberbefehlshaber der US-Luftstreitkräfte schlug vor, die positive Identifizierung von Zielen von 50 auf 150 Meilen zu erweitern. Innerhalb von 50 Meilen um die Schweiz durften keine Ziele jeglicher Art, insbesondere Gelegenheitsziele ohne Spaatz «persönliche Genehmigung» bombardiert werden. Es war ab sofort verboten, Ziele, die weniger als zehn Meilen von der Schweiz entfernt waren, anzugreifen. Ziele in einer Zone, die sich zehn bis 50 Meilen von der Schweizer Grenze entfernt waren, mussten vor dem Angriff eindeutig identifiziert werden.
Hatte die Bombardierung innenpolitische Folgen?
Die Bombardierung hatte keine innenpolitischen Folgen. Es wurde aber bis 1949 über die Zahlung der entstandenen Schäden verhandelt.
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spalen
ist Patrick Schlenker ein historiker?
Sonnenliebe
ein historischer Berater!
Thanatos
Wenn der 4.3.1945 ein Sonntag war, kann der 6.3. kein Mittwoch gewesen sein.
Estate2024
Sehr aufmerksamer Leser !!