Das neue Sexualstrafrecht tritt in Kraft – diese Regelungen gelten jetzt
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Revision
Schweiz

Das neue Sexualstrafrecht tritt in Kraft – diese Regelungen gelten jetzt

01.07.2024 06:01 - update 01.07.2024 16:38
Michael Kempf

Michael Kempf

Am 1. Juli ist in der Schweiz das neue Sexualstrafrecht in Kraft getreten. Nebst der Ablehnungslösung «Nein heisst Nein» gelten ab sofort auch weitere Regelungen im Kampf gegen sexualisierte Gewalt.

Am 16. Juni 2023 hat das Parlament die Revision des Sexualstrafrechts verabschiedet. An seiner Sitzung vom 10. Januar 2024 hat der Bundesrat den Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Sexualstrafrechts festgelegt. Der Entscheid fiel auf den 1. Juli 2024 – also auf heute.

Im Zentrum der Gesetzesänderung steht die Erweiterung der bisherigen Straftatbestände der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung. Nach bisherigem Recht lag eine Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung nur dann vor, wenn das Opfer zu sexuellen Handlungen gezwungen wurde, heisst, wenn der Täter es bedroht oder Gewalt angewendet hat. Diese Voraussetzung entfällt neu.

Nein heisst Nein

Eine Vergewaltigung oder ein sexueller Übergriff liegt neu bereits dann vor, wenn das Opfer dem Täter durch Worte oder Gesten zum Ausdruck bringt, dass es mit der sexuellen Handlung nicht einverstanden ist, und sich der Täter vorsätzlich über den Willen des Opfers hinwegsetzt. Dies ist die sogenannte Ablehnungslösung («Nein-heisst-Nein»-Lösung).

Als Zeichen der Ablehnung gilt neben Worten oder Gesten auch der Schockzustand des Opfers, das sogenannte Freezing. Erstarrt das Opfer vor Furcht und kann sich deshalb nicht wehren oder ablehnen, wird der Täter künftig auch dann wegen Vergewaltigung oder sexueller Nötigung und sexuellem Übergriff bestraft, wenn er diesen Schockzustand erkannt hat.

Tatbestand der Vergewaltigung wird erweitert

Zudem erfasst der Tatbestand der Vergewaltigung künftig nicht nur den Beischlaf, sondern auch beischlafähnliche Handlungen, die mit einer Penetration verbunden sind, und damit deutlich mehr sexuelle Handlungen als bisher. Schliesslich wird der Vergewaltigungstatbestand geschlechtsneutral formuliert, so dass künftig Personen jeden Geschlechts (also auch Männer) aus rechtlicher Sicht Opfer einer Vergewaltigung werden können.

Strafbestand Stealthing

Im neuen Sexualstrafrecht soll auch das so genannte Stealthing unter Strafe gestellt werden. Stealthing liegt vor, wenn die sexuelle Handlung zwar einvernehmlich ist, aber eine Person heimlich und ohne vorherige Einwilligung der anderen Person das Kondom abstreift oder von vornherein keines benutzt.

Mehr Prävention für Täter

Opfer müssen durch das Sexualstrafrecht geschützt, Täterinnen und Täter angemessen bestraft werden können. Der Prävention kommt dabei eine grosse Bedeutung zu. Bereits vorher war es den zuständigen Behörden bei gewissen Delikten deshalb möglich, die Täterin oder den Täter zum Besuch von Lernprogrammen zu verpflichten.

Dieses Präventionselement wird nun im neuen Sexualstrafrecht erweitert: Neu kann auch eine der sexuellen Belästigung beschuldigte Person zum Besuch eines Lernprogramms verpflichtet werden.

Anpassung war längst überfällig

Mit der Revision des Sexualstrafrechts zieht die Schweiz im Bereich des Sexualstrafrechts mit ihren europäischen Nachbarn gleich. In Deutschland gilt bereits seit 2016 die Lösung «Nein heisst Nein», in Belgien, Dänemark, Griechenland, Grossbritannien, Irland, Island, Kroatien, Luxemburg, Malta, Schweden, Slowenien, Spanien und Zypern sogar die Lösung «Nur Ja heisst Ja». Heisst: Für sexuelle Handlungen ist eine ausdrückliche Zustimmung erforderlich.

Auch in der Schweiz wurde zwischen Stände- und Nationalrat heftig über die «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung diskutiert. Letztlich gilt in der Schweiz nun die Ablehnungslösung «Nein heisst Nein».

Die Verantwortlichen, die eine Revision des Sexualstrafrechts überhaupt erst initiiert haben, werden aber weiterhin für die «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung kämpfen. Vielleicht sind wir dann bei der nächsten Revision unseren deutschen Nachbarn sogar einen Schritt voraus.

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Kommentare

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04.07.2024 09:37

gnuschdi

Am besten ein Formular unterschreiben lassen, da sind beide auf der sicheren Seite.
Beweisführung ist so denke ich, sonst sehr schwierig.
P.S. Bin gespannt auf Antworten, aber bitte die Manieren nicht vergessen, Danke.

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02.07.2024 14:22

seppertonni

Könnte mir jemand erklären was JA heisst JA bedeuten würde/welche Auswirkungen dies hätte?

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