Die «Ganser-Woche» – eine Einordnung
Interview
Basel-Stadt

Die «Ganser-Woche» – eine Einordnung

28.04.2023 20:37 - update 29.04.2023 13:59

Baseljetzt

Gegenveranstaltung, Demo und viel Gesprächsstoff: Zum Wochenschluss äussert sich Daniele Ganser zur Kritik an seiner Person und seinen Ansichten. An seiner Argumentation hält er fest – trotz vieler Lücken.

Baseljetzt: Es gab viele Diskussionen rund um ihre Vorträge. Eine Art Gegenveranstaltung wurde an der Universität Basel durchgeführt. Dort war der Tenor, dass sie gar nicht qualifiziert wären, über den Ukraine-Konflikt zu sprechen. Zum haben sie nie etwas konkret zum Ukraine-Konflikt publiziert. Und: die für die Forschung notwendigen Sprachen, sprechen sie nicht.

Daniele Ganser: Was ich zuerst etwas komisch finde, ist, dass die Uni Basel eine Veranstaltung macht, ohne mich einzuladen, wo es auch um mich geht. Ich fände es besser, wenn miteinander, als übereinander geredet würde. Zur Ukraine sage ich: Es ist ein Problem der Ausdehnung der Nato – also die Nato-Osterweiterung. Und meine Doktorarbeit schrieb ich zur Nato-Geheimarmee. Also habe sehr viel zur Nato geforscht. Und dann sag ich auch, dass die Amerikaner 2014 in der Ukraine einen Putsch gemacht haben. Auch zum US-Imperialismus habe ich sehr viel geforscht und publiziert. Was richtig ist, ich kann kein Russisch. Das ist richtig.

Sie haben jetzt gleich zwei interessante Sachen angesprochen: Ja, die Uni hat sie nicht eingeladen. Ist das nicht irgendwie logisch, wenn sie ihnen die Legitimität zum Thema abspricht. Es wäre komisch, wenn man sie einladen würde?

Nein. Eigentlich ist es so. Wenn sich Wissenschaftler zu einer Sachfrage nicht einig sind – und natürlich gibt es verschiedene Meinungen zur Ukraine –, dass man dann über die Sachfrage redet. Das wäre eigentlich das normale Vorgehen.

Die zweite Kritik haben sie bereits selbst ins Spiel gebracht. Sie sagen, das ist ein Putsch. Das würde ja eigentlich im Umkehrschluss bedeuten, dass die Menschen in der Ukraine gar nicht fähig sind, selbst zu handeln, selbst einen Regierungswechsel mit Wahlen hinzubringen. Sondern, dass sie eigentlich ein Spielball sind von – aus ihrer Sicht – den USA?

Nein, die Menschen aus der Ukraine sind durchaus auch aktiv beteiligt. Aber es waren keine demokratischen Prozesse in 2014. Am 20. Februar 2014 haben Scharfschützen sowohl Demonstranten erschossen, als auch Polizisten. Und das ist kein demokratischer Prozess.

Das ist aber ein Ausschnitt von nicht demokratischen Handlungen. Aber der ganze Prozess vom Machtwechsel in der Ukraine, den würden sie als undemokratisch darstellen? Und inszeniert aus dem Ausland? Obwohl es Wahlen in der Ukraine gegeben hat?

Es hat 2014 keine Neuwahlen gegeben, um Jazenjuk zu wählen. Und der ist durch einen Putsch an die Macht gekommen. Der Machtwechsel in 2014 war undemokratisch.

Wolodymyr Selenskyj wurde gewählt

Ja, der wurde 2019 gewählt.

Aber es stimmt nicht, dass alles undemokratisch war. Oder dass es keine Wahlen gab.

Nein, natürlich nicht. Man muss ja über das Jahr reden. 2014 gab es einen Putsch und der wird in den westlichen Medien ausgeblendet.

Anmerkung der Redaktion:

Arseni Jazenjuk hatte nach dem Machtwechsel in der Ukraine im Frühjahr 2014 die Regierung geführt. Er gilt nicht als Putschpräsident, sondern als Ministerpräsident der Übergangsregierung. Am 25. Mai 2014 gewann Petro Poroschenko die Präsidentschaftswahl in der Ukraine im ersten Wahlgang. Später im Jahr wurden in der Ukraine Parlamentswahlen durchgeführt. Abgelöst wurde Poroschenko 2019 von Wolodymyr Selenskyj.

Telebasel-Chefredaktor ordnet ein

Moderatorin: Bei mir im Studio ist Philippe Chappuis. Du hast das Gespräch mit Daniele Ganser geführt. Welche Schlüsse ziehst du daraus? 

Philippe Chappuis, Chefredaktor Telebasel: Uns war klar, dass Daniele Ganser nicht wegen den Vorwürfen und der Kritik der Universität und schon gar nicht wegen unseren Fragen seine Meinung ändern wird. Er hält diese Vortragsreihe, hat schon mehrere Vorträge gehalten. Er hält noch 13 weitere Vorträge in diesem Jahr. Es ist mir einfach aufgefallen, dass er rhetorisch sehr schnell und sehr geschickt ist. Und er wischt eigentlich weg, was ihm nicht in die Argumentation passt.

Hast du ein Beispiel für das? 

Ja, ich finde das mit der Sprache. Daniele Ganser kann weder Russisch noch Ukrainisch. Er hat das auch zugegeben. Er sagt dann einfach: Schaut, dass ist gar nicht relevant. Es geht gar nicht um das. Es geht um den Nato-Konflikt, um die Ausdehnung der Nato. Und dazu habe ich geforscht und darum darf ich hierzu etwas schreiben. Dahinter, dass die Sprache hier keine Rolle spielt, mache ich ein dickes Fragezeichen.
 
Und wie beurteilst du das? 
 
Als Journalist masse ich mir ein Urteil an: Wenn ich berichten will – oder als Historiker forschen will – dann muss ich die primären Quellen verstehen. Und zwar alle – nicht nur die auf einer Seite. Nicht nur die der USA, sondern in diesem Fall eben auch die der Ukraine; wenn man wissen will, was diese Menschen 2014 auf dem Maidan wirklich wollten. Warum sie einen Umschwung wollten, dann muss man einfach diese Sprache verstehen. Sonst kann ich das nicht beurteilen
 
Hätte die Casino-Gesellschaft diese Veranstaltung absagen sollen? 
 
Das ist ein wenig die Gretchenfrage. Ich glaube, das wäre kontraproduktiv, wenn man schaut, was in Deutschland passiert ist. In Dortmund liess die Stadt einen solchen Vortrag absagen. Sie haben sich dann nachher vor Gericht gestritten. Ich glaube nicht, dass das die bessere Lösung ist. Man muss auch sehen: Diese Vorträge würden dann einfach an einem anderen Ort stattfinden – vielleicht sogar völlig abseits der Öffentlichkeit. Hier finde ich es schlauer, unsere Gesellschaft hält das aus und hat auch die Möglichkeit, das zu thematisieren.

Feedback für die Redaktion

Hat dir dieser Artikel gefallen?

Kommentare

Dein Kommentar

Mit dem Absenden dieses Formulars erkläre ich mich mit der zweckgebundenen Speicherung der angegebenen Daten einverstanden. Datenschutzerklärung und Widerrufshinweise

29.04.2023 10:00

RolandHugentobler

Die USA hat schon längst, bevor Ganser angefangen hat zu erzählen, alles zu ihren Gunsten geprägt, ins rechte Licht kaschiert und ihre Glaubwürdigkeit als selbstlose Weltpolizei verloren.
Das ist nichts Neues und da brauche ich keinen Ganser Vortrag.

0 2
29.04.2023 05:43

karlinloy

jeder seine meinung aber kritisch hinterfragen nur nicht schubladisieren . mir stört das sektirische gehabe um eine person . da sind mir vielfalt der meinungen wichtiger als die meinen die wahrheitsfinder zu sein .

8 0

Kommentare lesen?

Um Kommentare lesen zu können, melde dich bitte an.