
«Das Theater wäre vermeidbar gewesen»: Blauzungenvirus wirft einige Fragen auf
Shahed Staub
Die Blauzungenkrankheit beschäftigt die Schafhirten der Region. Seit über zehn Jahren ist kein Impfstoff mehr gegen das Virus zugelassen, was einige wichtige Fragen aufwirft. Eine Kantonsärztin gibt Auskunft.
Am Donnerstag wurden auf dem Bruderholz in Basel vier tote Schafe entdeckt. Aufgrund des Verdachts auf Vergiftung wurden sie unverzüglich an das Veterinäramt Basel-Stadt übergeben. Dort sollen weitere Untersuchungen und labordiagnostische Abklärungen durchgeführt werden. Doch bereits am selben Tag äusserte der zuständige Laborarzt einen ersten Verdacht: die Blauzungenkrankheit.
Kantonsärztin ordnet die Lage ein
Die Blauzungenkrankheit ist in Basel angekommen. Doch was heisst das jetzt für Mensch und Tier in der Region? Und ist jetzt die Pandemie unter den Tieren ausgebrochen? Baseljetzt hat mit der Kantonsärztin Marie-Louise Bienfait vom Kanton Basel-Landschaft gesprochen.
Wie wird die Krankheit übertragen?
Zunächst vorab: Für den Menschen ist die Krankheit ungefährlich. Jedoch sind alle Wiederkäuer für das Virus empfänglich. Die Blauzungenkrankheit wird dabei nicht von Tier zu Tier, sondern von kleinen Mücken übertragen, erklärt Marie-Louise Bienfait. Dabei handelt es sich um Gnitzen, kleine Mücken der Gattung Culicoides. Wenn diese Insekten das Virus aus dem Blut eines infizierten Tieres aufnehmen, vermehren sich die Viren im Insekt. Beim nächsten Blutsaugen wird das Virus dann auf ein anderes Tier übertragen. Einmal infiziert, bleibt das Insekt lebenslang Träger des Virus. In unserer Region treten die Gnitzen von Juni bis Ende November auf.
Wie können die Tiere davor geschützt werden?
Die Kantonsärztin rät allen Hirten, ihre Tiere mit einem Insektenschutzmittel zu schützen. «Mit den Sprays können entweder die Tiere selbst oder die Umgebung behandelt werden.» Da die Mücken dämmerungsaktiv sind, sollten die Schafe zudem über Nacht in den Stall gebracht werden. Auch Fliegennetze oder das Entfernen von Brutplätzen, wie stehendem Wasser, können hilfreiche Massnahmen sein. Ein vollständiger Schutz der Tiere ist jedoch kaum möglich, auch weil es für den derzeit auftretenden Serotyp 3 in der Schweiz keinen zugelassenen Impfstoff gibt.
- 2007: Der erste Fall der Blauzungenkrankheit in der Schweiz ist registriert.
- 2008: Für drei Monate ist die Impfung für alle Schafe, Rinder und Ziegen obligatorisch.
- 2009: Die Impfung gegen die Blauzungenkrankheit wird generell freiwillig. 76 Fälle wurden in der Schweiz bisher verzeichnet.
- 2017: Der erste Blauzungenkrankheitsfall seit 2012 wird in der Schweiz verzeichnet.
- 2020-2024: In der Schweiz treten für eine längere Ziet keine Fälle der Blauzungenkrankheit mehr auf.
- August 2024: In der Schweiz werden wieder mehrere Fälle der Blauzungenkrankheit registriert.
Wie verläuft die Krankheit?
Auch wenn alle Wiederkäuer für die Krankheit empfänglich sind, wurde laut der Kantonsärztin meist nur bei Schafen und Rindern eine klinische Erkrankung festgestellt. Dabei kann es zu milden bis mittelschweren Symptomen kommen, die gut behandelt werden können. In schweren Fällen jedoch erkranken die Tiere so stark, dass eine Behandlung nicht möglich ist und sie vom Tierarzt erlöst werden müssen.
Ist jetzt eine Pandemie unter den Tieren ausgebrochen?
Mit dem Begriff «Pandemie» ist die Kantonsärztin vorsichtig. Milde Temperaturen und eine feuchte Umgebung bieten jedoch ideale Bedingungen für die Vermehrung der Mücken. Solange die Witterung günstig bleibt, muss mit einem weiteren Anstieg der Fälle gerechnet werden. Unerwartet sind die neuen Fälle der Blauzungenkrankheit in der Schweiz nicht: Seit 2023 breitet sich der Serotyp 3 aus Nordfrankreich, Belgien, den Niederlanden und Deutschland stetig nach Süden aus. Es gibt jedoch Entwarnung: denn sobald die Temperaturen sinken, nimmt die Aktivität der Mücken ab und kommt schliesslich vollständig zum Erliegen.
Schäferin in Sissach: «Der Impfstoff hätte per Notrecht zugelassen werden müssen»
Katharina Bitterli hat mehrere Schafe auf ihrem Hof in Häfelfingen bei Sissach. Als sie am Dienstag bemerkte, dass es ihren Schafen nicht gut ging, rief sie sofort den Tierarzt an. Seither erhalten die Schafe Medikamente, und es geht ihnen den Umständen entsprechend gut. Doch solche Krankheitsfälle hat sie auf ihrem Hof noch nicht erlebt, schliesslich konnten die Schafe vor 15 Jahren noch geimpft werden. Ein Umstand, der Bitterli wütend macht: «Das ganze Theater mit den teils schwer erkrankten Schafen wäre vermeidbar gewesen. Dafür hätte in der Schweiz per Notrecht der Impfstoff zugelassen werden müssen.»
Die Schäferin hat nun einen grossen Mehraufwand: Die Schafe wurden in die Nähe des Stalls geholt, und alle Tiere wurden provisorisch entwurmt. Nun bleibt zu hoffen, dass die Behandlung mit Antibiotika gegen das Fieber der Tiere wirkt. In ein paar Wochen wird sich zeigen, ob die Schafe eine eigene Immunität gegen das Virus entwickeln konnten.
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Sonnenliebe
Theater?!
pserratore
Merci Politik☹️