Die grüne Oase: Weshalb wir die Welt als grossen Garten sehen sollten
Lea Meister
Gärten sind kulturell tief verwurzelt und spiegeln Identitäten, Träume und Freiheitswünsche wider. Die Ausstellung «Garden Futures» im Vitra Design Museum beschäftigt sich mit dem alten und neuen Gartenideal.
Ruhe, eine grüne Oase, gespickt mit farbigen Blumen und wohlriechenden Kräutern. Davon träumen viele, besonders in den Städten, wo nicht mehr viel Raum für die Natur übrig geblieben ist. Früher war ein Garten vor allem ein romantischer und idyllischer Ort. Heute steht er auch für Biodiversität, eine nachhaltige Zukunft und bis zu einem gewissen Grad für soziale Gerechtigkeit.
Mit Gärten erschuf der Mensch eigentlich eine domestizierte Version der wilden Natur. In der heutigen Zeit stellt sich Designer:innen, Planer:innen und Forscher:innen deshalb besonders eine Frage: Wenn der Mensch schon Einfluss auf alles nimmt, kann sich dieser Einfluss nicht vielleicht sogar ins Positive wenden? Könnten wir nicht vielleicht sogar die ganze Welt als Garten verstehen, den wir kultivieren, pflegen und verantwortungsvoll nutzen sollten?
Pandemie hatte Einfluss auf Gartenbewusstsein
Ein Garten-Exemplar, welches sich gerade von seiner schönsten Seite präsentiert, findet man beim Vitra Design Museum in Weil am Rhein. In der Corona-Pandemie hat die Bedeutung des hauseigenen Museumsgartens deutlich zugenommen, so wie auch die Bedeutung eines jeden anderen Gartens. Die grünen Oasen spendeten Trost und ermöglichten Gartenbesitzer:innen einen Tapetenwechsel, frische Luft und Ruhe.
Diese Entwicklung ging auch an Vivianne Stappmanns, Kuratorin beim Vitra Design Museum, nicht vorbei: «Durch die grosse Resonanz sind Fragen aufgekommen wie diejenige nach der Faszination, die wir für Gärten empfinden. Auch haben wir uns gefragt, wie sich in Gärten unser eigenes Verhältnis zur Natur widerspiegelt. Es gibt ganz viele Fragen, die sich in Gärten verhandeln lassen. Das hat uns als Design-Museum sehr interessiert.»
Aus diesen Gedanken heraus ist die Ausstellung «Garden Futures» entstanden, die sich mit der Geschichte und der Zukunft von Gärten auseinandersetzt. Welche Ideen und Vorstellungen haben unser heutiges Gartenideal geprägt? Wie können Gärten dazu beitragen, dass unsere Zukunft für alle lebenswert sein wird? Für viele Menschen aus den Bereichen der Kunst, des Designs, der Landschaftsarchitektur und der Wissenschaft wird der Garten zur Chance, im Kleinen auszuprobieren, was im Grossen möglich sein könnte.
Trugschluss der Garten-Idylle
Teil der Ausstellung sind Beispiele aus den Bereichen Design, Kunst und der Landschaftsarchitektur. Gleich im ersten Raum sind verschiedene Giesskannen-Designs und Gartenmöbel ausgestellt, die aufzeigen, wie unterschiedlich das Thema Garten je nach Region auf der Welt abgehandelt wird. Die Produkte stehen auch für die Tatsache, dass Designer:innen stets mitbestimmen, wie der Traum vom Freizeitparadies auszusehen hat.
Ein Raum widmet sich dann auch dem Trugschluss der reinen Garten-Idylle. So ist unser Gartenideal seit Jahrhunderten von politischen und kommerziellen Einflüssen geprägt. Nimmt man gewisse Objekte genauer unter die Lupe, zeigt sich, dass sich auch in Gärten verschiedene Interessen manifestieren. In Krisenzeiten, beispielsweise während und nach dem zweiten Weltkrieg, erklärten zahlreiche Staaten den Gemüsegarten zur sogenannten patriotischen Pflicht. Bürger:innen waren verärgert, frustriert und fühlten sich vernachlässigt. Sie griffen zum Spaten, um sich Gehör zu verschaffen oder schlichtweg, um ihre Nahrung zu sichern.
Paradies neben einem Atomkraftwerk
Eindrücklich ist der Film des britischen Künstlers und Filmemachers Derek Jarman, der 1994 verstarb. Er erschuf sein persönliches kleines Paradies an einem Ort, den wohl kaum einer für eine grüne Oase ausgewählt hätte: An der südenglischen Küste, direkt neben einem Atomkraftwerk. «Wie eine Landung auf dem Mond» habe es sich angefühlt, als er das Prospect Cottage zum ersten Mal besucht habe – gemeinsam mit seinem Partner Keith Collins und der Schauspielerin Tilda Swinton. Aus der tristen Kieslandschaft schaffte er im Angesicht seines herannahenden Todes ein Gartenkunstwerk.
Ein auffälliges Beispiel aus dem Bereich der Kunst ist das Bild «Parlament der Pflanzen» der Schweizer Künstlerin Céline Baumann. Das Atelier der Baslerin widmet sich der Erforschung der Pflanzenwelt und dem Wert der Natur und ihrer Wirkung auf den Menschen. Beim Schaffen von Freiräumen soll die Ökologie von Mensch und Natur respektiert werden.
Frage nach dem Anspruch
Gärten sollen also Heimat für Pflanzen und Tiere, aber auch für Menschen sein. Doch wer hat überhaupt Anspruch auf einen Garten und, wie passen die grünen Orte der Ruhe in ein urbanes Umfeld? Fragen, auf welche die Antworten extrem unterschiedlich ausfallen, was sich auch in verschiedenen aktuellen und in der Ausstellung gezeigten Projekten widerspiegelt, die sich mit der Gegenwart und der Zukunft des Gartens – speziell auch im Zusammenhang mit Bauprojekten – auseinandersetzen.
In Gärten kann sich der Mensch den Herausforderungen der Klimakrise, sozialer Ungerechtigkeit und der Bedrohung der Artenvielfalt stellen, ohne dabei die Zuversicht zu verlieren. Kann so vielleicht gar ein besseres Miteinander zwischen Mensch und Natur entstehen?
Hoffnungen auf eine bessere Zukunft, das Finden des eigenen Ruhepulses oder auch einfach ein paar ruhige Minuten in der Natur; auch all das ermöglichen Gärten. So auch derjenige in Weil am Rhein. Nach dem Ausstellungsbesuch lohnt sich ein kleiner Spaziergang durch den Museumsgarten. Einen kleinen Tipp gibt’s mit auf den Weg: Nicht nur hinschauen, sondern auch die Augen schliessen und durch die Nase einatmen lohnt sich. Ausser, man mag keinen Koriander, dann sollte man die Luftzufuhr über den Mund abwickeln.
Mehr dazu
Feedback für die Redaktion
Hat dir dieser Artikel gefallen?
Kommentare
Dein Kommentar
Mit dem Absenden dieses Formulars erkläre ich mich mit der zweckgebundenen Speicherung der angegebenen Daten einverstanden. Datenschutzerklärung und Widerrufshinweise
Kommentare lesen?
Um Kommentare lesen zu können, melde dich bitte an.
tunix
All diese wunderbaren Gärten sind nur möglich, weil es CO2 gibt.
Wir haben momentan nur etwa 400ppm (parts per million) in der Atmosphäre, bräuchten aber laut Robert Moore, dem GreenpeaceGründer, mindestens 500ppm.
Die GeldmacherReligion “Kampf dem CO2” ist ein Verbrechen an Pflanzen, Mensch und Tier, die es übrigens ohne CO2 gar nicht gäbe.