Doppelmord im «Café 56»: Jetzt steht der zweite Angeklagte vor Gericht
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Strafgericht
Basel-Stadt

Doppelmord im «Café 56»: Jetzt steht der zweite Angeklagte vor Gericht

21.04.2024 17:31
David Frische

David Frische

Vor sieben Jahren wurden im Café 56 im Kleinbasel zwei Albaner kaltblütig erschossen. Einer der Täter sitzt lebenslänglich in Haft. Der zweite Angeklagte muss sich ab Montag vor dem Basler Strafgericht verantworten.

Was am 9. März 2017 kurz nach 20 Uhr im Kleinbasler «Café 56» geschah, zeugt von äusserster Brutalität. Zwei Männer betreten das Lokal mit gezückten Pistolen. Einer der Täter schiesst innert Sekunden fünfmal auf drei Männer, zwei von ihnen sterben, der dritte wird verletzt. Der andere Täter hielt die drei anderen anwesenden Personen – zwei Männer und eine Frau – mit seiner Waffe in Schach und verhinderte, dass sie fliehen konnten. Danach machten sich die Täter mit einem Auto davon, das sie vor der Tat nahe des Lokals abgestellt hatten.

Für die Basler Staatsanwaltschaft ist klar: Die beiden Männer, wie ihre Opfer ebenfalls Albaner, planten die Tat genau und gingen äusserst «brutal», «kaltblütig» sowie «skrupellos» vor. Die Morde im «Café 56», ein beliebter Treffpunkt von Albaner:innen, kämen einer «Exekution» gleich.

Das Motiv für die Morde ist nicht eindeutig. Es habe sich wohl um eine Abrechnung im Drogenmilieu gehandelt, vermutet die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage. Sie begründet dies damit, dass sowohl die Täter wie auch die beiden Opfer mehrfach vorbestraft sind: wegen Drogenhandels, Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Hehlerei. Mit den Morden hätten die beiden Täter «die Macht ihrer eigenen, nicht näher ermittelten Gruppierung demonstrieren und festigen» wollen, ist die Staatsanwaltschaft überzeugt.

Nach der Tat unterschiedliche Wege eingeschlagen

Sieben Jahre nach dem Doppelmord ist einer der Täter verurteilt: E.B:* (48) stellte sich am Tag nach der Tat der Polizei. Er gestand, an der Tat beteiligt gewesen zu sein. Das Basler Strafgericht sprach ihn des mehrfachen Mordes, versuchten Mordes, der mehrfachen Gefährdung des Lebens sowie des Vergehens gegen das Waffengesetz schuldig und verurteilte ihn zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe und einem Landesverweis für 15 Jahre.

Dann widerrief E.B. plötzlich sein Geständnis. Er habe seinen Kollegen, den mutmasslichen Mittäter, schützen wollen, argumentierte er. Zudem habe seine Familie Druck auf ihn ausgeübt. Das Basler Appellationsgericht und im September 2022 schliesslich auch das Bundesgericht bestätigten aber das Urteil gegen den Albaner. Offen ist noch die Frage der Verfahrenskosten, über die das Appellationsgericht entscheiden muss.

E.B.’s mutmasslicher Mittäter S.B.* (53) floh nach der Schiesserei aus der Schweiz. Im September 2018 wurde der Albaner in der Niederlande verhaftet und ging wegen Kokainhandels ins Gefängnis. Nun muss er sich in Basel vor Gericht verantworten. Damit geht der brutale Doppelmord-Fall in die zweite Gerichtsrunde.

Wer schoss?

Das Strafgericht muss im Prozess, der am Montag beginnt, beurteilen, ob S.B. der Mittäter war. Eine Frage wird das Gericht wohl nicht beantworten können: Wer der beiden Täter die Opfer im «Café 56» erschoss und wer die anderen Personen in Schach hielt. Die Staatsanwaltschaft kann das in ihrer Anklageschrift gegen S.B. nicht sicher sagen. Die Ermittlungen ergaben aber, dass nur aus einer Waffe geschossen wurde.

Sämtliche Gerichte, die den Fall von E.B. beurteilten, kamen aber zum Schluss, dass es keine Rolle spielt, wer der Schütze war. Denn der andere Täter habe einen entscheidenden Beitrag zur Tat geleistet. Ein Täter alleine hätte diese so nicht begehen können. Die beiden Männer hätten die Tat geplant und vorbereitet, schreibt die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage. Von der Beschaffung eines Fluchtautos bis zur Auskundschaftung des Lokals, in dem die Morde schliesslich begangen wurden, hätten die Täter alles durchdacht.

Der 53-jährige S.B. ist wegen mehrfachen Mordes, versuchten Mordes, mehrfacher Gefährdung des Lebens und Vergehen gegen das Waffengesetz angeklagt. Die Geschwister des einen Mordopfers fordern vom Angeklagten zudem eine Genugtuung. S.B. sitzt zurzeit im vorzeitigen Strafvollzug in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies im zürcherischen Regensdorf. Der Prozess am Basler Strafgericht ist auf vier Tage angesetzt.

*Namen der Redaktion bekannt

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