«Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass er pädophil sein könnte»
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Strafgericht
Basel-Stadt

«Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass er pädophil sein könnte»

13.11.2023 17:50 - update 14.11.2023 15:21
Lea Meister

Lea Meister

Ein 40-jähriger Vater musste sich am Montag vor Gericht verantworten. Er soll seine Tochter und deren Halbschwester mehrfach sexuell genötigt haben. Das Urteil folgt am Dienstag.

Vor zehn Jahren begleitete ein damals knapp neun Jahre altes Mädchen ihre viereinhalb Jahre jüngere Halbschwester zu deren Vater. Während des Besuchs soll der damals 30-Jährige sie aufs WC mitgenommen, ihr dort die Augen verbunden und ihr seinen Penis in den Mund gesteckt haben. Weiter soll er sie mit der Zunge zwischen den Beinen berührt haben. Bei einem weiteren Besuch soll sich das gleiche nochmal mehr oder weniger gleich abgespielt haben.

Zwischen 2016 und 2019 soll der Beschuldigte sich auch an seiner leiblichen Tochter vergangen haben. Laut Anklageschrift habe er sie bei jedem darauffolgenden Besuch zwischen den Beinen berührt. Der heute 40-jährige Angeklagte musste sich am Montag vor Gericht verantworten.

Er habe mit acht Jahren seine Mutter verloren. Sein Vater habe ihn oft geschlagen. Seine Tochter, die er genötigt haben soll, habe ihm das Leben gerettet, er habe dank ihr neu anfangen können. Was ihm vorgeworfen werde, sei nie passiert. Dabei bleibt er bis zum Schluss des Verhandlungstages.

Er vermeidet es, seine Kinder nackt zu sehen

Sachbeweise gibt es in diesem Prozess keine. Er beruht auf den Aussagen der beiden Mädchen in den Einvernahmen. Ab 2019 wurde dann auch der Angeklagte befragt. Laut eigenen Aussagen bekam er in dieser Zeit Depressionen und gab körperlich ab. Seine neue Frau und die beiden Zwillinge, die heute dreieinhalb Jahre alt sind, würden ihm dabei helfen, trotz der Anschuldigungen «irgendwie weitermachen zu können». Die Anschuldigungen hätten aber einen direkten Einfluss auf seine Beziehung zu den Zwillingen. So würde er es stets ganz bewusst vermeiden, diese nackt zu sehen, beispielsweise beim Baden, um «jede erdenkliche weitere Anschuldigung» zu vermeiden. Dies bestätigt auch seine heutige Ehefrau, die am Montag als Auskunftsperson vorgeladen wurde.

Ausgegangen sind die Vorwürfe von der älteren Halbschwester seiner leiblichen Tochter. Mit der Mutter dieser habe er nie zusammengewohnt, sie habe nichts mehr von ihm wissen wollen, sobald sie schwanger geworden sei. Es begann ein Streit um sein Besuchsrecht, der bis zur Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) reichte. Seine Ex-Frau sagt dann vor Gericht auch aus, dass sie schon immer das Gefühl gehabt habe, dass mit ihm irgendetwas nicht stimme.

Für die Verteidigung ist dies ein Anhaltspunkt dafür, dass die Mutter die Vorwürfe böswillig konstruiert haben könnte. Für die Opferanwältinnen ein Zeichen dafür, dass die Mutter gespürt habe, dass eben etwas nicht stimme.

Verletzung auf dem Spielplatz

Als das ältere Mädchen, welches heute 19 Jahre alt ist, als Auskunftsperson befragt wird, befindet sich der Angeklagte in einem Nebenraum, um eine Konfrontation zu vermeiden. Das Mädchen antwortet ruhig, weint aber immer wieder. Besonders emotional wird sie, als sie erzählt, wie sehr sie den Angeklagten eigentlich geschätzt habe. Halt habe er ihr gegeben.

Sie erzählt, dass ihre jüngere Halbschwester sich auf dem Spielplatz einmal zwischen den Beinen angeschlagen und daraufhin gesagt habe, dass ihr Vater sie dort jetzt nicht mehr berühren dürfte, weil es sonst schmerzen würde. Dies habe die Halbschwester darauf gebracht, dass er die Dinge, die er ihr angetan haben soll, auch ihrer Schwester angetan haben könnte.

Mutter und Vater waren in der Klinik

Auch die Mutter der beiden Mädchen wird befragt, allerdings bleibt der Angeklagte hier im Raum sitzen. Sie habe erstmals vor fünf Jahren von den Vorfällen gehört und ihr sei «der Boden unter den Füssen weggezogen worden». Ihre ältere Tochter, die damals keinen Kontakt zu ihrem leiblichen Vater hatte, habe schon bald nicht mehr zum Stiefvater gehen wollen und sich fortan im Zimmer versteckt, wenn dieser seine leibliche Tochter abholen kam.

Sie habe einen Monat in der Klinik verbracht und kämpfe sich seither durch. In der Klinik befand sich auch der Angeklagte für eine kurze Zeit. Seine Ex-Frau habe schon immer gewusst, wie sie sich als Opfer inszenieren müsse, sagt er. Der Angeklagte verfolgt den Verhandlungstag relativ ruhig, schüttelt nur ganz selten leicht den Kopf.

Sein Verteidiger gibt im Plädoyer zu Protokoll, dass es doch einzig und allein um die Frage gehe, ob sein Mandant pädophil sei. Denn dafür gebe es keinerlei Anhaltspunkte. Er deutet ausserdem an, davon überzeugt zu sein, dass die Aussagen der Mädchen konstruiert und unter Druck entstanden seien. Eine der Opferanwältinnen betont daraufhin, dass gemäss Definition nicht jeder, der Kinder misshandle, auch automatisch pädophil sein müsse.

Das Urteil folgt am Dienstag

Als der Angeklagte zum Schluss das letzte Wort erhält, brechen bei ihm alle Dämme. Er sei «energietechnisch am Boden» und von Beginn weg immer als Schuldiger behandelt worden. «Es ist praktisch unmöglich, in solch einem Fall die eigene Unschuld zu beweisen.» Er würde Kindern niemals Gewalt antun. Schon gar nicht seiner eigenen Tochter. Er vermisse sie sehr und es breche ihm das Herz, sie nicht sehen zu können. Während er die Worte ausspricht, weint er stark.

Das Urteil wird am Dienstag um 17 Uhr gefällt. Die Staatsanwältin hat eine Freiheitsstrafe von 42 Monaten beantragt. Der Verteidiger verlangt einen Freispruch.

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