«Für so einen kleinen Ertrag will ich auch nicht in eine Ecke gedrängt werden»
©Bild: Jamie Uebersax
Basler Rap
Basel-Stadt

«Für so einen kleinen Ertrag will ich auch nicht in eine Ecke gedrängt werden»

29.02.2024 18:26 - update 01.03.2024 10:36
Manuela Humbel

Manuela Humbel

Zwei Jahre hat der Rapper ELIA an seinem neuen Album «BASEL SÜD-OST» gearbeitet. Am Freitag veröffentlicht er es. Neben der Musik unterstützt der 27-Jährige andere Künstler:innen. Baseljetzt hat mit ihm gesprochen.

«Sie häi sich besprochä, wie mich bestroofä. Dr Weg wellä zeige, ich ha nie wellä loosä. Ha mir mit 11i vorgnoh, dass i Rapper wird. Für mich ihstand, und mini Meinig nie versteckä wird«, rappt ELIA. Dieser Grundsatzgedanke, vielleicht auch dieses Lebensmotto, ist in dem neusten Album des 27-Jährigen klar spürbar. Am Freitag released er es.

«Jedes Kapitel»: Einer von ELIAs neuen Songs.

Elia Mahler, wie der Rapper mit vollen Namen heisst, möchte nicht in einen vorgefertigten Weg, in eine Schublade gedrängt werden. Über sein neues Album sagt er: «Es ist ein Beweis, dass ich gar keinen Stil gefunden habe, gar nicht weiss, was ich machen – oder einfach alles machen will. Ich will mich einfach null einschränken lassen.» Im Interview mit Baseljetzt hat der Musiker über das Musik-Business, über Druck und Erwartungen und sein neues Album «BASEL SÜD-OST» gesprochen.

Baseljetzt: Elia, wolltest du schon immer voll auf die Musik setzen?

Elia Mahler: Damals noch eher als jetzt. Vor zwölf, dreizehn Jahren, war es noch eine ganz andere Zeit. Damals war der Schweizer Rap im Keller, es war ein absoluter Tiefpunkt. Zumindest, was Rapper in meinem damaligen Alter anging. Die Alteingesessenen waren natürlich da, aber es kamen kaum junge Rapper nach. Heute ist es ganz anders. Jede Woche kommt gefühlt ein:e junge:r Rapper:in heraus. Es ist voll im Trend.

Ich habe meine Ambitionen eigentlich immer wie mehr nach hinten gestellt, weil man mittlerweile merkt, wie dieses Business funktioniert. Man ist erwachsen, man muss schauen, dass man Geld verdient. Natürlich habe ich innerlich noch diesen Wunsch und Anspruch, mehr zu erreichen, aber ich will das auch für mich tun.

«Für so einen kleinen Ertrag will ich auch nicht in eine Ecke gedrängt werden»
Der Künstlername von ELIA war früher E-Light. Bild: Jamie Uebersax

Auf meinem Level ist es in der Schweiz schwierig. Ich habe kein riesengrosses Publikum, das auf etwas von mir wartet und das ich entsprechend bedienen kann. Und, ob mich jetzt hundert Leute mehr oder weniger hören, bringt mir relativ wenig. Das wäre finanziell im Rappenbereich. Für so einen kleinen Ertrag will ich auch nicht in eine Ecke gedrängt werden und ich denke mir: Weshalb sollte ich mir überhaupt irgendwie reinreden lassen?

Trotzdem wird deine Musik gehört, man kennt dich in Basel. Wie gehst du mit Erwartungen und Druck um?

Druck habe ich keinen, wenn, dann mache ich ihn mir selber. Mit den Erwartungen ist es schwierig. Du weisst, woher du kommst und wie lange du das schon machst, und dann siehst du die ganze Zeit andere kommen und an dir vorbeiziehen. Dann fragt man sich vielleicht manchmal schon, wieso das bei einem selbst nicht klappt. Aber das ist auch ein Prozess und ich nehme mich da aus der Opferrolle heraus und will nicht auf andere schiessen. Es gibt kein gut oder schlecht und die Betrachtenden und das Publikum entscheiden, wie gut das ist, was man macht – das muss ich mir immer wieder sagen. Ich mache mein Ding und ich probiere, es auf einem Level und in einer Qualität zu machen, dass es Erfolg haben und im Radio laufen könnte. Das ist mir schon wichtig.

Ein weiterer neuer Song von ELIA.

Ich probiere, mich bewusst davon zu lösen, mich mit anderen zu vergleichen. Vor allem seitdem ich noch das Booking und das Management für andere Künstler:innen mache. Dafür musste ich mich auch entscheiden und es war ein Prozess, die eigene Karriere etwas in den Hintergrund zu stellen.

War das schwierig?

Ja, auf jeden Fall. Auf der emotionalen Ebene. Aber dadurch habe ich auch die Möglichkeit gekriegt, davon zu leben, von dem grossen Kuchen, den Events, dem Hiphop und der Musik. Das war für mich immer das Hauptziel.

Wie sehr erfüllt dich die Musik, da sich ja praktisch dein ganzes Leben darum dreht?

Bei der eigenen Musik kommt man immer wieder an einen Punkt, an dem man sich fragt, warum man das macht. Ich habe so viel Stress und Aufwand bei jedem Album. Aber jedes Mal, wenn du dich das fragst, kommt dir wieder der Grund in den Sinn. Und bei mir ist es – ich kann es gar nicht genau beantworten – ich muss das einfach machen, es gibt nichts anderes. Es ist das, was ich gefühlt am besten kann. Man kann das nicht als Job sehen, es ist mein Leben. Ich will etwas für das Grosse und Ganze machen und etwas Gutes hinterlassen. Für mich sind all die Dinge, die ich gemacht habe, kleine Puzzle-Teile, um dort hinzukommen.

«Für so einen kleinen Ertrag will ich auch nicht in eine Ecke gedrängt werden»
An über 150 Konzerten ist ELIA bereits aufgetreten. Bild: Jamie Uebersax

Woher nimmst du deine Inspiration, wie kommst du auf neue Texte?

So wie das alle sagen würden, durch das Leben. Oft ist das genug Inspiration, die Geschichten, die man erlebt. Aber das ist auch ein Thema: Ich glaube, je länger man Musik macht, desto schwieriger ist es. Man muss sich immer wieder neu erfinden. Ich will nichts machen, was ich schon gemacht habe. Darauf lege ich grossen Wert. Wenn ich das Gefühl habe, das habe ich schon einmal gemacht, dann lösche ich es wieder. Ich gehe auch gerne weg, um Musik zu machen, spreche mit den Proudzent:innen und Leuten im Studio oder tausche mich mit meinem Vater über Musik aus. Er gibt mir immer wieder coole Inputs und Kritik, das bringt mich zum Nachdenken. Kritik ist immer cool, auch wenn sie einem im ersten Moment vielleicht etwas schmerzt.

Auch zu finden auf dem neuen Album: Der Song «Besser als ich bi»

Hast du Vorbilder oder Leute, von denen du dich inspirieren lässt?

Vorbilder finde ich immer etwas schwierig. Ich habe keine Vorbilder in dem Sinne, ich finde, jeder soll probieren, sich selber zu sein und etwas Eigenes zu kreieren. Aber es gibt auf jeden Fall gewisse Leute im Kunst- und Kulturbereich, die mich sehr beeindrucken und inspiriert haben, auch Privatpersonen. Auf der Rapebene ist es Sido. Auch den Graffiti-Künstler Smash 137 aus Basel finde ich richtig krass. Ich sauge die Arbeit dieser Menschen gerne auf und höre ihnen zu, warum und wie und was sie genau machen. Aber ich will nicht so sein wie sie. Vielleicht hätte ich gerne den Erfolg von ihnen oder das Ansehen.

Wie würdest du sagen, hast du deinen eigenen Stil gefunden?

Am Anfang wurde ich etwas in eine Richtung gedrängt, weil es damals nur die eine Form von Rap-Beats gegeben hat. Ich habe dann aber damit angefangen, mich immer mehr auszuleben. Einen roten Faden oder Konzept ist ja cool, aber wenn alles gleich klingt – und das Album für Album – finde ich das uninteressant. Ich mag es, wenn es Höhen und Tiefen hat und verschiedenen Styles und Geschwindigkeiten gibt.

«1000 Kontäkt»: Auch ein neuer Song, den ELIA im Zusammenhang mit dem neuen Album released hat.

Klar, die meisten kennen mich mit dem klassischen Rap auf Boombap-Beats und sagen, das sei das, was sie von mir hören wollen. Dennoch möchte ich mein Spektrum immer erweitern und laufend Neues ausprobieren. Es geht um die Kunst. Und Kunst hat keine Regeln. Wichtig ist aber, dass man im Kopf behält woher man kommt und wer einem geholfen hat. Der Rap, Hiphop und alles darum herum haben mich zu all dem gemacht, was ich bin.

Findest du es manchmal schwierig, so viel von dir preis zugeben, so ehrlich zu sein und über schwierige Dinge offen zu sprechen und das dann auch so mit der Öffentlichkeit zu teilen?

Beim Schreiben mache ich mir eher weniger Gedanken darüber. Aber manchmal denke ich mir schon, mich kennen wahrscheinlich viel mehr Leute viel besser, als ich denke. Das ist schon speziell, aber wenn es für mich ein Problem wäre, würde ich keine Musik veröffentlichen. Schon bei meinem ersten Track, als ich vierzehn, fünfzehn war, habe ich Dinge preisgegeben, die sehr privat sind. Damit kann ich gut umgehen und es macht mich auch lockerer, nicht so viele Geheimnisse in diesem Sinne zu haben, die ich vor der Öffentlichkeit verbergen muss.

Wie würdest du dein neues Album «BASEL SÜD-OST» beschreiben und was hat dich besonders dazu inspiriert?

Ich bin vor dreieinhalb Jahren in die Stadt gezogen. Ich komme aus Oberdorf, das südöstlich von Basel liegt. Jetzt wohne ich am südöstlichen Rand von Basel, daher kommt der Name. Der Standort, wo man wohnt und lebt und das Umfeld, sind für mich immer sehr inspirierende Themen.

«Für so einen kleinen Ertrag will ich auch nicht in eine Ecke gedrängt werden»
«BASEL SÜD-OST»: Am Freitag, 1. März, kommt ELIAs neues Album heraus. Bild: zVg

Bei diesem Album habe ich versucht, mich komplett von Erwartungen abzukoppeln. Deshalb ist es auch so speziell und teilweise völlig wild durcheinander geworden. Ich habe auch öffentlich vorgewarnt, dass das nicht allen gefallen wird. Die Songs sollen dorthin, wo sie funktionieren und hingehören. Das kann bei einem Song eine ganz andere Bubble als bei einem anderen sein.

Hast du Tipps an Leute, die neu ins Musik- oder Rap-Business einsteigen wollen?

Schaut, dass ihr an eine Qualität herankommt, dass ihr versucht, euch immer wieder zu verbessern, dass, das was ihr macht, euch selber gefällt und dass ihr dahinterstehen könnt. Und: Einfach machen, machen, machen. Geht auf die Leute zu. Sobald ihr mal ein Türchen geöffnet habt, gehen für jede Türe zwei neue auf und dann kann es plötzlich sehr schnell gehen.

«Für so einen kleinen Ertrag will ich auch nicht in eine Ecke gedrängt werden»
ELIA rät Newcomer:innen, dass sie nicht nur des Geldes und Erfolges wegen durchstarten sollen. Bild: Jamie Uebersax

Und macht es nicht aus den falschen Gründen, sondern für euch selber oder etwas Grösseres. Du kannst eine Message, deine Musik kann aber auch einfach eine Therapie-Funktion für dich haben. Tust du es hingegen nur, um Geld zu verdienen oder bekannt zu sein, sind das für mich die falschen Gründe um anzufangen.

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