
Grosses Abschiedsfest am KV Basel: «Für mich war es beruflich die beste Zeit»
Lea Meister
Das Gebäude des KV Basel zieht auf das Klybeckareal. 2027 soll dann das neue Haus am alten Standort eröffnet werden. Am Freitag haben sich Mitarbeitende und Ehemalige vom Gebäude verabschiedet. Darunter auch ein Fussballstar und ein Alt-Regierungsrat.
Auch ein Schulhaus kommt in die Jahre. So simpel es klingt, so simpel ist es. Und dennoch: Wer nach vielen Jahren wieder einmal den Kopf durch die Tür des Gebäudes am Aeschengraben 15 steckt, der wird vielleicht etwas überrascht sein. Denn die Zeit scheint stehen geblieben zu sein – im positiven Sinne.
In der kleinen Cafeteria im Erdgeschoss versammeln sich am Freitagabend zahlreiche Menschen. Es sind Lehrerinnen und Lehrer, Pensionierte, Verbandsmitglieder und Mitarbeitende der Schule. Sie alle stehen am Buffet an, um sich einen Snack und ein kaltes Getränk zu ergattern. Danach geht es raus auf den Hof. Denn etwas hat sich über die Jahre ganz bestimmt nicht verändert: Es ist warm im Gebäude.
Im Hof wird über alte Zeiten sinniert. Über Gewohnheiten, die gut waren, heute aber nicht mehr zeitgemäss oder schlicht nicht mehr umsetzbar sind. So erzählt ein Englischlehrer von seinem Lieblingsmoment zum Semesterstart: Er trommelte stets seine Klassen zusammen, steckte allen ein Blatt Papier in die Hand, auf welchem die jeweiligen Namen standen und machte ein Foto. So hatte er Erinnerung und Namensübersicht in einem. «Damals sah der Hof aber noch anders aus, da gab es noch diese Stufen, auf welche man sitzen konnte», fügt er an und beäugt die grossen runden Pflanzentöpfe, die dort seit einigen Jahren stehen.


Wer im Hof steht, kommt automatisch auch auf das ominöse Hallenbad zu sprechen, das sich darunter befindet. Man munkelt, dass dieses nur von über 40-Jährigen jemals gesehen worden ist. Doch so ganz sicher kann niemand sagen, wann das Wasser rausgelassen wurde. Vor 23 Jahren soll es laut Erzählungen vom Freitagabend noch einen Herrn aus dem Kollegium gegeben haben, der jeden Morgen vor dem Unterricht ein paar Längen auf sich nahm. Ein Sportlehrer und Mitglied der Schulleitung klärt über den Zustand des Beckens auf: Vor einigen Jahren habe man einen Gymnastikraum daraus gemacht. Das Bad existiert also nicht mehr. «Ich würde aber gerne einmal ein Loch bohren und ins Becken hinunterschauen.»
Grossstadtfeeling unter dem Dach
Hoch in den 6. Stock. Und zwar mit dem Lift. Für eine Ex-Schülerin ein verrücktes Unterfangen, war dieser doch damals nur den Lehrpersonen vorbehalten. Unterdessen ist er für alle zugänglich. «Zu meinem Leidwesen», wie ein Lehrer erklärt, «ich bin immer gerne alleine Lift gefahren». Seine Kollegen lachen.
Und es gibt gleich noch eine zweite Premiere: Auch im 6. Stock haben sich wohl die meisten Schüler:innen nie aufgehalten. Doch es lohnt sich! Denn an diesem Freitagabend findet dort nicht nur ein Programmpunkt mit KV-Absolvent und Fussballstar Alex Frei statt, nein – im 6. Stock gibt es auch einen Balkon mit einer fast schon grossstädtischen Aussicht.

Im Saal wird vor viel Publikum über Fussball und Drucksituationen gesprochen. Und: Über die Hitze im Raum. «Jesses Gott, ich ha heiss do inne», sagt Frei und putzt sich den Schweiss von der Stirn. Alle nehmen es gelassen und lachen. Die Hitze, sie gehört zum Aeschengraben 15 dazu. Das weiss auch Alex Frei, der sich hier vor Jahren sein allererstes Diplom abgeholt hat. «Etwas, worauf man stolz sein kann», wie er sagt. Besonders geblieben seien ihm die «rustikalen» und «urchigen» Klassenzimmer. «Ich bin heute hier reingelaufen und es hat alles so ausgesehen wie vor 26 Jahren, als ich das Gebäude verlassen habe.»
Das kann Alt-SP-Regierungsrat Christoph Brutschin nicht auf sich sitzen lassen. «Ich habe gehört, was Alex gesagt hat, es ist schon nicht so, dass wir nichts gemacht haben», sagt er und grinst. Brutschin arbeitete in den 90er-Jahren als Lehrperson am KV Basel und übernahm 1996 das Rektorat, welches er bis 2009 innehatte. Eine Zeit, in der viel passierte. So beispielsweise der grosse Umbau in den Jahren 2004 und 2005. Gemeinsam mit dem Basler Architekturbüro Burckhardt + Partner AG wurde analysiert, welche Veränderungen am Gebäude mit Baujahr 1938 absolut notwendig waren.

Im Dezember 2005 wurde der Umbau dann vollendet und Lehrpersonen und Lernende konnten die modernisierten Räume und die hellere Atmosphäre geniessen. Dass dieser Umbau finanziert werden konnte, ist auch Christoph Brutschin zu verdanken. Der Kanton Baselland schickte einen Teil seiner Lernenden in die Stadt, wofür natürlich Unterstützungsgelder flossen. Diese kamen jeweils im darauffolgenden Jahr an, wurden also rückwirkend ausbezahlt. Brutschin sorgte dafür, dass sich dies änderte und erhielt bei der Umstellung der Zahlungsmodalität so zwei Tranchen auf einmal. Geld, das direkt in den Umbau floss und in neues Mobiliar, neue WC-Anlagen, neue Beleuchtungssysteme und versenkbare Bildschirme investiert wurde. «Wir konnten gemeinsam mit der Landschaft gewisse Duftmarken setzen», so Brutschin.


«Jetzt bin ich pensioniert, wenn ich aber zurückschaue, war die Zeit am KV Basel für mich beruflich die beste Zeit. Ich war gerne Regierungsrat, aber hier war es ‘richtig lässig’, sagt Brutschin, bevor er sich in der Pause des Fussballspiels Holland gegen Frankreich auf den Heimweg begibt. Dass es der jetzigen Leitung gelungen sei, die Finanzierung für den Neubau zu sichern, sei toll. «Ich bin nur etwas wehmütig.»


Im 6. Stock wird zwar das Fussballspiel auf Grossleinwand gezeigt, die Musik spielt aber woanders. Dafür gibt es einen guten Grund, denn eine der zwei Lehrpersonen, die diesen Sommer nach über 40 Jahren an der Schule pensioniert werden, hat zum gemeinsamen Tanz eingeladen. Aus dem Zimmer 101 im ersten Stock ist das Lied YMCA zu hören und es sind blinkende Lichter zu sehen. Ein kurzer Augenschein vor Ort zeigt: Es ist der Geheimtipp des heutigen Abends, die Stimmung ist ausgelassen, das sonst eher unspektakuläre Klassenzimmer lädt zum Feiern ein.
Im Bereich der Cafeteria werden gleichzeitig Drinks ausgeschenkt und Gespräche mit einer Verwaltungsmitarbeiterin geführt, die ebenfalls in den Ruhestand verabschiedet wird. Immer wieder kommt man an zufriedenen Gesichtern vorbei. In der Hand jeweils ein Mojito.
«Stairway to Abschlussreise»
Zurück im ersten Stock wird es kurios. Wo einst eine Treppe zu weiteren Räumen geführt hat, steht heute eine Wand. Oder kurz gesagt: Die Treppe führt zu einer Wand, an der ein Bild hängt. Lustigerweise ist es ein Bild der Stadt Prag. Unzählige Klassen haben ihre KV-Abschlussreise in Prag verbracht. Einige Zeit vor dem bevorstehenden Abriss des Gebäudes wurde hier also aus nicht abschliessend geklärten Gründen eine Wand eingezogen und aus der Treppe die «Stairway to Prague» und somit irgendwie auch ein wenig die «Stairway to Abschlussreise» gemacht.

Es sind Kuriositäten, wie die Treppe ins Nichts oder der Raucherraum im 3. Stock, die nach dem Abriss des Gebäudes am Aeschengraben 15 fehlen werden. Aber auch ganz alltägliche Dinge. So wird eine Französischlehrerin besonders das Arbeitszimmer vermissen, welches immer belebter gewesen sei als das eigentliche Lehrerzimmer. Gerade für neue Lehrpersonen sei dieser Raum eine Bereicherung gewesen; man sei ins Gespräch gekommen, habe Tipps erhalten und den Anschluss gefunden.

Verabschieden werden sich viele auch von Unmengen an Papier. «Meine Bücher standen jetzt 15 Jahre lang im Schrank», erzählt die Französischlehrerin. «Viele haben gesagt, wenn ich sie jetzt nicht entsorge, dann stehen sie noch da, wenn ich pensioniert werde.» Vor dem Umzug aufs Klybeckareal wird sie nochmals einiges entsorgen müssen, denn der Platz ist knapp. Und die ganzen Bücher brauche es ja heute mit dem Internet gar nicht mehr.
Die Hoffnung auf Abkühlung
Auf die Übergangszeit auf dem Klybeckareal scheinen sich die meisten zu freuen. Nicht zuletzt auch, weil es dort ein Belüftungssystem geben wird. Keine Klimaanlage – die sind in öffentlichen Verwaltungsgebäuden verboten – aber ein System, welches einen gewissen Grad an Kühlung ermöglichen soll. Ein Segen für viele, kann doch die Hitze am Aeschengraben 15 im Sommer wirklich unerträglich sein.


Rund um die Disco im Zimmer 101 herum, in welchem noch immer die Post abgeht, ist es gespenstisch ruhig. Die Gänge wirken kahl, erinnern etwas an Krankenhausflure. Es ist ein klassisches Schulgebäude. Es riecht auch wie ein klassisches Schulgebäude. Und doch werden die Gänge lebendig, sobald man eine Gedankenreise in die Vergangenheit macht. Es sind Bilder der Freude, der Enttäuschung, der Freundschaft – aber auch Bilder des Anfangs. Unzählige Menschen haben in diesem Gebäude den Einstieg in die Berufswelt gefunden.
Vom Aeschengraben auf das Klybeckareal
Ein Neuanfang steht auch für alle Lehrpersonen und Mitarbeitenden am KV Basel vor der Tür. Der 28. Juni wird der letzte Schultag im alten Gebäude sein. Bis dahin bleibt noch eine Woche Zeit für das Packen der letzten Kisten. Dann wird aufs Klybeckareal umgezogen, wo bis zum Start des neuen Schuljahres im Jahr 2027 im ehemaligen Ciba-Gebäude unterrichtet werden wird.
Danach geht es zurück an den vertrauten Aeschengraben. Mit hoffentlich kühleren Sommern, weniger Papier und vielen Erinnerungen an frühere Zeiten. Und der nötigen Energie für einen weiteren Neustart.
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pserratore
Tolle Bricht 🫶🏻
LMeister
Vielen Dank😉