In Basel dreht sich alles im Kreis – ohne stringente Linien herrscht Chaos
©Bilder: Keystone
1. Mai-Demo
Basel-Stadt

In Basel dreht sich alles im Kreis – ohne stringente Linien herrscht Chaos

02.05.2023 15:44 - update 02.05.2023 21:09
Lea Meister

Lea Meister

Nach der Demo am 1. Mai bleiben viele Fragen offen. Am Tag danach häufen sich – wie immer – die Reaktionen von links und rechts. Wie so oft liegt die beste Lösung wohl irgendwo dazwischen.

Schnell war am Montagvormittag klar: Heute geht es erstmal nicht viel weiter als bis zur Elisabethenkirche. Was folgte, war ein stundenlanges Ausharren, auf beiden Seiten. Während die Polizei den abgesperrten Bereich für die Personenkontrollen vorbereitete, fragten sich die Demonstrierenden, wie es wohl weitergehen werde.

Die Antwort darauf kam erst Stunden später, als der Demonstrationszug kurz vor 18 Uhr endlich weiterziehen konnte. Das Fazit der Polizei am Abend: 317 Personenkontrollen, 72 Platzverweise, 22 Personen, die in Gewahrsam genommen wurden. Eine Demonstrantin musste im Spital behandelt werden. Drei Personen wurden von der Sanität behandelt und über 30 weitere vom spontan aufgebauten Sanitätsteam des vpod. Zudem wurde ein Polizist leicht verletzt.

Wie immer bei solchen Einsätzen stellen sich für Aussenstehende die gleichen Fragen: Wäre der Tag gleich verlaufen, wenn die Polizei nicht entsprechend eingegriffen hätte? War der Einsatz der Polizei verhältnismässig? Eine abschliessende Antwort darauf gibt es im Moment nicht. Tatsache ist: Das Polizeiaufgebot war riesig. Vom Einsatz von Helikopter und Wasserwerfer konnte man sich durchaus provoziert fühlen. Ein Einsatz, der mit Steuergeldern bezahlt wird.

In Basel dreht sich alles im Kreis – ohne stringente Linien herrscht Chaos
Der Wasserwerfer, der über Stunden demonstrativ vor dem eingekesselten Bereich stand. Bild: Lea Meister

Markus Schefer, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Basel, sagt gegenüber Baseljetzt, die Verhältnismässigkeit eines Polizeieinsatzes könne man erst beurteilen, wenn ein umfassendes Bild über den Sachverhalt vorliege: «Die Frage ist, ob die Polizei anhand eigener Informationen oder solchen vom Nachrichtendienst genügend Hinweise darauf hatte, ob ein gewalttätiges Potenzial vorlag.»

Als der Demo-Zug beim De-Wette-Park loszog, deutete von Aussen her gesehen wenig bis nichts auf eine Eskalation hin. Es wurden Parolen gegen den Kapitalismus skandiert und Transparente mit verschiedenen Botschaften und Fokuspunkten getragen. Eine Petarde und eine Pyrofackel wurden gezündet und nur wenige Sekunden später tappte der vordere Teil der Menge in die Falle der Polizei. Vermummte Demonstrierende standen vermummten Polizist:innen gegenüber. Beide Seiten tun dies im Endeffekt aus einem gewissen Eigenschutz, die Polizei aber tut dies legal.

Die Begründung der Polizei für die Einkesselung – mit Schutzmitteln ausgerüstete und vermummte Personen –ist soweit nachvollziehbar. Es stellt sich aber die Frage, ob die Situation nicht auch anders hätte gelöst werden können. Viele, wenn nicht sogar die meisten, die sich einer Personenkontrolle unterziehen mussten, waren in der Menge wohl nicht vermummt.

Von Seiten der Demonstrierenden ging keine aktive Gewalt aus, die zur Einkesselung geführt hat. Fährt die Kantonspolizei Basel-Stadt also eine neue Strategie? Und wenn ja, welche? Für Personen, die (friedlich) Demonstrationen besuchen möchten, wäre es entscheidend, die Linie der Polizei zu kennen und sie vor allem einigermassen nachvollziehen zu können.

In Basel dreht sich alles im Kreis – ohne stringente Linien herrscht Chaos
Der Start des Einsatzes, der zur Einkesselung führte. Bild: Lea Meister

Denn nur, wer sich darauf verlassen kann, dass sein Gegenüber immer ähnlich auf vergleichbare Situationen reagiert, kann auch richtig und überlegt handeln und/oder reagieren. Und sich an bewilligten Demonstrationen sicher fühlen. Es braucht von Seiten der Polizei also eine deutlichere Kommunikation wenn es um die Linie bei den eigenen Handlungen geht. Diese wiederum sollte aber auch stringent sein, was sie nach den vergangenen Demos, die in Basel für viel Gesprächsstoff gesorgt haben, nicht ist.

«Regierungsrätin Eymann fordert von Demonstrant*innen immer wieder Dialogbereitschaft, setzt aber im Umgang mit Demonstrationen auf Pfefferspray, Tränengas und Polizeikessel. Dialogbereitschaft sieht anders aus!» So äussert sich Nino Russano, Präsident der Juso Basel-Stadt, in einer Mitteilung der Partei, in der zudem den Rücktritt von Regierungsrätin Stephanie Eymann gefordert wird.

Was kann die «Gegenseite» tun? Die Idee eines sogenannten «Demonstrations-Knigges», die bei der SP aufkam, ist grundsätzlich kein schlechter Ansatz. Da in linken Kreisen und auch beim 1.-Mai-Komitee aber keine Einigkeit darüber geherrscht hatte und man niemanden ausschliessen wollte, wie Nicola Goepfert vom Komitee sagte, wurde der Aktionskonsens doch nicht verabschiedet. Eine aus kommunikativer Sicht ziemlich misslungene Aktion.

In Basel dreht sich alles im Kreis – ohne stringente Linien herrscht Chaos
Wieder sorgte ein Polizeieinsatz in Basel für viel Diskussionsstoff. Bild: Lea Meister

Am 2. Mai werden gar gewisse Stimmen laut, die die SP als Sündenbock für die Einkesselung sehen. Die Diskussion rund um den Aktionskonsens habe die Polizei überhaupt erst auf repressive Ideen gebracht. Ausserdem haben auch nicht alle Demonstrierenden verstanden, weshalb die Alternativroute nicht eingeschlagen wurde. Was fehlt? Einigkeit. Eine gemeinsame Linie.

Es zeigt sich also: Beiden Seiten muss klar sein, welche Linie verfolgt werden soll. Wird diesbezüglich eine Einigkeit erreicht, muss klare Kommunikation darauf folgen. Eine stringente Linie bei Polizeieinsätzen kann auf Seiten der Demonstrierenden vielleicht auch für ein gewisses Mass an Verständnis sorgen. Im Umkehrschluss unterstützt die Einigkeit im Umgang mit Vermummten und potenziell gewaltbereiten Demonstrierenden auf Seiten der Demonstrierenden wiederum eine stringente Linie der Polizei.

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Kommentare

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02.05.2023 17:36

lusi

Vielen Dank für den Bericht
Wenn sich die Demonstranten korrekt verhalten bräuchte es auch kein so grosses Polizeiaufgebot

Ich glaube, die Polizei kann machen was sie will
Es ist immer falsch
Vielleicht sollte bei den Demonstranten ein umdenken stattfinden!!!!

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02.05.2023 17:27

Eliora

‘Da in linken Kreisen und auch beim 1.-Mai-Komitee aber keine Einigkeit darüber geherrscht hatte und man niemanden ausschliessen wollte, wie Nicola Goepfert vom Komitee sagte, wurde der Aktionskonsens doch nicht verabschiedet.’

Und das ist der Beweis, dass die SP es gewiss in Kauf nimmt, dass vermummte Vandalen Sachbeschädigung betreiben! Niemand will die SP zum Sündenbock machen, sie schiesst sich ins eigene Bein!

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