Mann (38) auf Koks soll Bekannte nach dem Ausgang sexuell missbraucht haben
©Bild: baselland.ch/Tom Bisig
Prozess
Baselland

Mann (38) auf Koks soll Bekannte nach dem Ausgang sexuell missbraucht haben

07.03.2024 18:29 - update 07.03.2024 18:33
David Frische

David Frische

Der Abend fing in einer Bar in Basel an und endete in Muttenz mit einem mutmasslichen Missbrauch. Ein 38-Jähriger steht seit Donnerstag wegen mehrerer Sexualdelikte vor dem Baselbieter Strafgericht.

In der Nacht vom 16. auf den 17. August im Sommer 2022 soll es passiert sein. Ein 38-jähriger Basler und eine Angestellte einer Basler Bar verbrachten zusammen einen feucht-fröhlichen Ausgang und gingen dann zu ihm nach Hause. Dort kamen sie sich näher und hatten einvernehmlichen Sex. Doch was geschah danach? Über diese Frage streiten die Beiden gut eineinhalb Jahre später als Klägerin und Beschuldigter in einem Gerichtsprozess.

Was wir wissen

Das ist passiert: Das mutmassliche Opfer C.* und der Beschuldigte T.* lernen sich im Sommer 2022 in einer Bar in Basel kennen. C. arbeitet dort als Bartenderin. In der Nacht vom 16. auf den 17. August 2022 zieht C. nach Schichtende weiter. Um ca. 1:30 Uhr trifft sie in einer anderen Kleinbasler Bar auf T. Die Beiden verbringen den Rest des Abends gemeinsam, gehen noch in eine andere Bar. Es fliesst Alkohol und beide konsumieren mehrere Linien Kokain. Kurz vor 6 Uhr fahren der 38-Jährige und die Bartenderin schliesslich mit einem Uber nach Muttenz zu ihm nach Hause. Dort kommt es zu Zärtlichkeiten, sie trinken und koksen weiter. Schliesslich haben sie geschützten Sex. Beide wollen es.

Das wird T. vorgeworfen: Der 38-Jährige wird der Schändung, Vergewaltigung und eventuellen sexuellen Nötigung beschuldigt. Er hat aber noch weitere Vorwürfe am Hals: Die Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn auch, einen Monat zuvor – im Juli 2022 – eine Frau beim Baden im Rhein sexuell belästigt zu haben. Der Angeklagte bestreitet das. Zudem soll er gegen das Waffen- und das Betäubungsmittelgesetz verstossen haben. Das bestreitet der Angeklagte nicht.

Die Vorgeschichte des Angeklagten: T. ist mehrfach vorbestraft. So wurde er seit dem Jahr 2013 dreimal verurteilt, unter anderem wegen Landfriedensbruchs und Drohung gegen Behörden. Der Angeklagte sagt vor Gericht aus, dass es sich dabei um «Geschichten aus dem Fussball» handle.

Was geschah dann?

Der weitere Verlauf der Nacht spaltet sich in verschiedene Versionen auf. Die Klägerin, am Prozess selbst nicht anwesend und nicht vorgeladen, habe sich kurz nach Beginn des Geschlechtsverkehrs von T. abgewandt, sagte sie aus. Sie sei sehr müde gewesen und dann eingeschlafen. Die Staatsanwaltschaft und die Anwältin geben die Aussagen von C. vor Gericht wieder.

Der Beschuldigte habe die Situation ausgenutzt, so die Staatsanwaltschaft. Wehrlos schlafend, habe C. plötzlich gespürt, wie er seitlich liegend von hinten anal und ungeschützt in sie eindringe. Sie sei unter Schmerzen aufgewacht und erschrocken weggerutscht. Dann sei sie wieder eingeschlafen. Doch T. sei weiter in sie eingedrungen. C. sei wieder aufgewacht und habe ihn unter Tränen und mit den Worten «Stopp!» und «Hör auf!» mehrmals aufgefordert, von ihr abzulassen.

Doch T. habe nicht aufgehört. Mit seinen Armen habe er die noch schläfrige C. von hinten umklammert und festgehalten und sei erneut in sie eingedrungen.

Der Beschuldigte streitet die Vorwürfe ab. Zu nicht einvernehmlichem Sex sei es nicht gekommen. «Ich bin geschockt, wenn ich diese Vorwürfe höre», sagt er dem Richter. So etwas habe er nie getan und würde er nie tun, beteuert er vor Gericht. T. bestätigt, dass er und C. sowohl Vaginal- als auch Analverkehr hatten. Was davon wann genau, könne er nicht mehr sagen. «Wir waren beide angetrunken.» Der Sex sei auf jeden Fall einvernehmlich gewesen und er habe ein Kondom benutzt. Er sei zum Orgasmus gekommen und dann sehr erschöpft gewesen. Er und C. seien dann nackt in der Löffelchenstellung eingeschlafen. Erst nach dem Aufwachen einige Stunden später habe er bemerkt, dass das Kondom geplatzt ist.

T. bestreitet, dass es zu einem zweiten oder dritten Geschlechtsverkehr kam. «Wir hatten einmal Geschlechtsverkehr, danach wollte ich nur noch schlafen», sagt er im Gerichtssaal. Über das geplatzte Kondom habe er C. informieren wollen, aber im persönlichen Gespräch. Dazu sei es aber nicht mehr gekommen, bevor C. seine Wohnung verliess. Via Sprachnachricht wollte er dies nicht einfach mitteilen, sondern per Telefon oder face to face. Sie habe sich auf seine Nachrichten aber nicht mehr richtig bei ihm gemeldet, so T.

Die offenen Fragen

Da es zur mutmasslichen Vergewaltigung keine Zeugen gibt, müssen die zwei Richter und die Richterin mehrere Fragen klären. Welche Schilderungen sind glaubhaft, wo gibt es Lücken? Wie viel Geschlechtsverkehr hatten die Klägerin und der Beschuldigte? Was war einvernehmlich und was allenfalls nicht?

Während die Klägerin C. eine Version der Nacht erzählt, macht der Angeklagte T. verschiedene Angaben. Vor Gericht sagt er aus, dass es zum einmaligen, einvernehmlichen Sex gekommen sei – vaginal und anal. In einer früheren Vernehmung schilderte der Beschuldigte, dass er nach dem ersten Geschlechtsverkehr eingeschlafen sei – und dann wohl nochmals in sie eingedrungen sei. «Ich bin plötzlich wieder in dir drin gewesen», sagte er auch in einer Sprachnachricht, die er C. nach der gemeinsamen Nacht schickte. Die Staatsanwältin zitiert daraus: «Hey f**k, ich hoffe, das ist dir nicht schief reingekommen und hast dich nicht genötigt gefühlt oder so». Laut dem mutmasslichen Opfer sagte der Beschuldigte zudem, nachdem er ohne ihren Willen in sie eingedrungen war: «Du hast deinen Arsch an mir gerieben».

Zum geplatzten Kondom äusserte sich der Angeklagte ebenfalls in unterschiedlicher Form. Vor Gericht sagt er aus, er habe nach dem Aufwachen bemerkt, dass das Kondom geplatzt sei. In einer früheren Aussage heisst es, er habe das Kondom nach dem Sex auf der Toilette abgestreift und dann festgestellt, dass es kaputt ist.

Das fordern Kläger und Verteidigung

Die Staatsanwaltschaft und die Anwältin des mutmasslichen Opfers fordern, dass der Angeklagte in allen Punkten verurteilt wird – ausser bei der Vergewaltigung. Die Staatsanwältin begründet dies damit, dass im Zweifel das weniger schwere Delikt zum Tragen komme. In der Schweizer Rechtsprechung gilt eine vaginale Penetration gegen den Willen des Opfers als Vergewaltigung. Eine anale Penetration hingegen als sexuelle Nötigung. Da in diesem Fall nicht klar sei, wann der vaginale und wann der anale Geschlechtsverkehr stattgefunden habe, plädiert die Staatsanwaltschaft auf sexuelle Nötigung. Sie fordert für den Beschuldigten eine bedingte Freiheitsstrafe von 21 Monaten.

Da T. auch noch Verstösse gegen das Waffengesetz zur Last gelegt werden, soll er zusätzlich mit einer unbedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 110 Franken belangt werden. Für die sexuelle Belästigung einer Frau im Rhein sowie Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz, was dem Angeklagten ebenfalls vorgeworfen wird, fordern Staatsanwaltschaft und Klägerin eine Verbindungsbusse von 1500 Franken. Die Anwältin der Privatklägerin will zusätzlich eine Genugtuung in Höhe von 3000 Franken und Schadenersatz für Therapie- und Krankheitskosten von C. von gut 5000 Franken.

Wegen der mutmasslichen Sexualdelikte müsse T. zudem mit einem lebenslangen Tätigkeitsverbot belegt werden, etwa für Berufe im Umgang mit schutzbedürftigen Erwachsenen.

Die Verteidigung sieht den Angeklagten in allen vorgeworfenen Sexualdelikten als unschuldig an. Die Klägerin C. habe sich aktiv am Geschlechtsverkehr beteiligt. Durch die aufputschende Wirkung des Kokains habe sie nicht plötzlich widerstandsunfähig und müde sein können, argumentiert der Verteidiger. Das ungeschützte Eindringen sei zustande gekommen, weil C. ihr Gesäss an T. gerieben habe, was bei T. zu einer Erregung geführt habe. Dies tue dem Angeklagten leid, eine Nötigung sei es aber nicht gewesen. Der Verteidiger bringt vielmehr ins Spiel, dass die Klägerin gegenüber T. an diesem Abend mehrfach erzählt habe, früher einmal sexuell missbraucht worden zu sein. C. habe dieses Erlebnis wohl bis heute nicht verarbeitet, vermutet der Beschuldigte vor Gericht. Sie befinde sich deswegen in Therapie und ziehe den Angeklagten nun in diese Angelegenheit rein, so der Verteidiger.

Die Verteidigung bestreitet auch, dass der Mandant im Sommer 2022 die Frau im Rhein sexuell belästigte. T. habe ihr versehentlich an die Brüste gefasst, als er beim Baden aufgetaucht sei. Er habe sich entschuldigt und die Angelegenheit sei für ihn und die Frau danach erledigt gewesen, so der Verteidiger. Erst später habe sie dann doch Strafantrag gestellt, was nicht zulässig sei.

Für den Angeklagten gilt bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung.

Wie geht es weiter?

Das Gericht muss die offenen Fragen nun beantworten. Am Freitag um 9 Uhr verkündet es das Urteil. Baseljetzt berichtet live.

*Namen der Redaktion bekannt

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