Mario Cantaluppi: «Es ist mein langfristiges Ziel, eines Tages eine Profimannschaft zu übernehmen»
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Mario Cantaluppi: «Es ist mein langfristiges Ziel, eines Tages eine Profimannschaft zu übernehmen»

01.03.2024 17:12 - update 01.03.2024 18:49

Rotblau

Der langjährige FCB-Spieler und aktuelle U21-Trainer Mario Cantaluppi offenbart im zweiten Teil des Interviews mit Rotblau seine Trainerphilosophie, die weit über die Grenzen des Spielfelds hinausgeht. Dazu spricht er über seine Entscheidung, Trainer zu werden und die Herausforderungen, junge Talente in der heutigen Zeit zu formen.

Rotblau: An welchem Punkt Ihrer Karriere haben Sie gemerkt, dass Sie Trainer werden möchten?

Mario Cantaluppi: Schon lange, weil ich auch auf dem Platz immer derjenige war, der geführt und mit den anderen kommuniziert hat. Ich konnte das Spiel lesen. Doch eigentlich einfach, weil ich den Fussball liebe und unbedingt wissen wollte, ob es als Trainer funktionieren würde. Denn nicht jeder, der ein bisschen Fussball gespielt hat, ist auch ein guter Trainer.

Jetzt bin ich seit 13 Jahren Trainer und kann sagen, dass ich nach dem, was ich in den letzten sechs Jahren hier beim FC Basel erleben durfte, eine tolle Entwicklung hinter mir habe. Ich kann mein Hobby mein Leben lang weiterführen und sagen, dass ich dem FC Basel mein heutiges Leben zu verdanken habe.

Kommt jetzt bald der Schritt, eine erste Mannschaft zu übernehmen?

Das könnte man meinen, aber es ist auch nicht gut, ständig den Verein zu wechseln. In den verschiedenen Rollen, die ich bisher beim FCB hatte, konnte ich tolle Erfahrungen sammeln und kann diese heute in den Staff einbringen. Mein aktuelles Ziel ist es, junge Spieler als U21-Trainer so lange wie möglich zu begleiten und ihnen zu helfen, den nächsten Schritt zu machen. Wenn ich das schaffe und meine Abschlüsse mache, dann ist es vielleicht irgendwann wirklich ein Thema, eine erste Mannschaft zu trainieren.

Im Leben habe ich aber gelernt, dass man nichts erzwingen sollte. Deshalb bin ich total entspannt, weil ich mit meiner jetzigen Position zufrieden bin und hoffe, dass ich das noch ein paar Jahre machen kann. Was dann kommt, wird man sehen. Ich kann mir auch vorstellen, bei einem anderen Trainer als Assistenztrainer zu arbeiten. Ich kann mir viele verschiedene Rollen vorstellen, aber solange ich mich als Trainer wohl fühle, kann es sein, dass ich eines Tages eine erste Mannschaft trainiere. Ich will mir Zeit lassen, und wenn es nicht klappt, habe ich einen Plan B.

Also ist es schon ein Ziel?

Ja, es ist mein langfristiges Ziel, eines Tages eine Profimannschaft zu übernehmen. Es wäre ja schade, das nicht zu sagen, denn in meiner derzeitigen Rolle bin ich schon ziemlich nah dran und auch mit den Diplomen auf dem Weg dorthin. Und wenn es gut läuft und Spass macht, warum nicht?

Wo stehen Sie mit Ihren Diplomen?

Ich bin aktuell am A-Youth-Diplom und möchte anschliessend die UEFA-Pro-Lizenz angehen. Mein Weg dorthin war etwas länger, aber es hat sich gelohnt. Letztendlich sind die Diplome wichtig, aber noch mehr zählt das, was du auf dem Platz lernst, im Umgang mit der Mannschaft.

Welche Ihrer Eigenschaften als Spieler würden Sie heute gerne an die Jungen weitergeben?

Meine Mentalität, Bescheidenheit und Demut. Meine Spieler sollen immer alles geben, Selbstreflexion betreiben und nicht nach Ausreden suchen. Letzteres ist das Schlimmste, das machen nur Verlierer! 

Diese Dinge sage ich meinen Spielern immer wieder. Im Grunde ist es ganz einfach: Aus meiner Sicht spielen meine Spieler nie schlecht, wenn sie Vollgas geben.

Mario Cantaluppi: "Es ist mein langfristiges Ziel, eines Tages eine Profimannschaft zu übernehmen"
Mario Cantaluppi engagiert sich auf und neben dem Platz für seine Spieler. Bild: Rotblau

Ist es heute schwieriger als früher, Demut zu zeigen?

Ja, durch die Sozialen Medien auf jeden Fall. Klar hatten wir auch schon zu meiner Profizeit Handys, aber was wir heute an Informationsflut haben, ist ein extremer Stressfaktor für die Jungs. Es ist «brutal» geworden, die Welt dreht sich extrem schnell.

Meine Spieler haben einen derart vollen Wochenplan mit so wenig Freizeit, dass sie unbedingt lernen müssen, Stress abzubauen. Jeder weiss, wie wichtig es ist, auch einmal Zeit für sich zu haben. Das fehlt den jungen Spielern oft und wir müssen sehr darauf achten, diesen Stressfaktor zu reduzieren. Deshalb haben wir Regeln für die Handynutzung, wie es an Schulen ebenfalls üblich ist.

Macht Ihr auch Briefings mit den Jungs?

Ja, das machen wir. Wir versuchen ihnen zum Beispiel bewusst zu machen, wie schnell ein Foto rumgereicht wird. Oder wir zeigen ihnen auf, wie es im Netz ankommt, wenn man mit Luxusmarken und teuren Autos prahlt. Wenn bestimmte Bilder oder Videos im Umlauf sind, leiden schlussendlich sie und der Verein. Deshalb müssen wir die Jungen sensibilisieren.

Wir haben sogar ein Handyverbot auf dem Campus. Das heisst, sie müssen ihre Handys auf dem Campus abgeben. Es mag vielleicht überraschen, aber unsere Regeln werden sehr gut von allen angenommen. Ich glaube, dass wir vielen Spielern damit sogar einen Gefallen tun.

Und ausserhalb des Campus’?

Was dann ausserhalb des Campus passiert, hat natürlich viel mit Selbstdisziplin zu tun. Das betrifft nicht nur den Handykonsum, sondern auch andere Bereiche wie das Essen.

Man weiss ja, wie viel Prozent der Junioren auch Profis werden. Das ist nicht einfach so gegeben, da muss sehr, sehr viel passen. Im richtigen Moment muss man manchmal auch ein bisschen Glück haben.

Ich denke aber, es ist wirklich eine Frage der Mentalität und der Selbstdisziplin. Und natürlich darfst du dein Ziel nie aus den Augen verlieren. 

Dominik Schmid war kürzlich bei uns im Interview und hat gemeint, dass es die Nachwuchsspieler heute einfacher haben als zu seiner Juniorenzeit. Würden Sie ihm zustimmen?

Ja, da würde ich zustimmen. Er meinte damit, dass der Schritt von den Junioren heute viel schneller geht als früher. Das hat damit zu tun, dass die Clubs mit jungen, talentierten Spielern mehr Geld verdienen können als mit älteren.

Das kann aber auch für Stress sorgen. Schauen Sie sich unsere zweite Mannschaft an, diese ist extrem jung und hat viele 17- und 18-Jährige. Wir haben sie von der U19 in die U21 geschickt, damit sie sich so schnell wie möglich an die Promotion League gewöhnen. Wie Daniel Stucki (Anm. d. Red.: Leiter der Nachwuchsabteilung) in Interviews gesagt hat, birgt das auch ein gewisses Risiko.

Zu meiner Zeit war es das höchste der Gefühle, wenn du nur schon mit der ersten Mannschaft trainieren durftest. Dieser Schritt passiert heute schneller. Vielleicht werden die Spieler heute in manchen Fällen sogar etwas zu schnell hochgezogen. Deshalb haben wir inzwischen Veränderungen vorgenommen, weil wir gemerkt haben, dass viele junge Spieler und vor allem ihr Umfeld damit nicht gut umgehen können.

Wie äussert sich das?

Es kann vorkommen, dass Manager und Eltern den Spielern unterschwellig ihren Unmut mitteilen, und dann kommen die Spieler wiederum unzufrieden zu uns.

Eigentlich hätten wir das von Anfang an ganz anders angehen können und den Leuten klarmachen müssen, dass ab der U17 einfach die Besten spielen und sie sich ins Team kämpfen müssen.

Wobei man sagen muss, dass wir seit zwei, drei Jahren Jungs hier haben, welche die nötige Bescheidenheit mitbringen. Wenn du diese nicht hast, hast du es sehr schwer.

Ist das spezifisch für den FC Basel, dass man die Jungen so schnell nach oben bringen will, oder ist das allgemein so?

Nein, auch St. Gallen, Lugano oder Servette haben sehr junge Mannschaften. Wir haben in der Schweiz eben nicht die Mittel, um internationale Stars zu holen. Dafür haben wir die Spieler, die hier sind – und die sind gut! – aber wir müssen auch ein bisschen Geduld haben.

Es darf nicht sein, dass plötzlich alle mit 17 bei den Profis spielen. Auch mit 19 bist du noch jung. Alle sagen dann, dass der Spieler an Wert verliert. Aber ich glaube, dass es immer noch ein Erfolg ist, mit 19 Jahren in einer ersten Mannschaft zu spielen.

Wir müssen lernen, auch mal einen Gang zurückzuschalten. Der eine Spieler schafft den Sprung dann vielleicht etwas früher, dem anderen geben wir noch ein Jahr. Deshalb muss einer in der U19 so auftrumpfen, die Führung übernehmen und so unterfordert sein, dass wir sagen können: «So, jetzt bist du bereit».

Bei uns haben zeitweise einige Junioren noch nicht einmal in der Stammelf der U19 gespielt und sind dann trotzdem in die U21 hochgezogen worden. Und das war nicht die Schuld der Spieler, das war unsere Schuld. Die Spieler sagen natürlich nicht: «Nein, ich komme nicht.»

Haben Sie nicht die Befürchtung, dass dann einfach die Konkurrenz die Spieler zu sich lockt?

Wenn wir merken, dass ein Spieler den Schritt zu den Profis erzwingen will, obwohl wir spüren, dass der Spieler noch Zeit braucht, dann lassen wir ihn gehen. Natürlich wollen wir einen guten Spieler nicht einfach abgeben und suchen das Gespräch. Aber wenn das Vertrauen nicht da ist, dann soll er gehen.

Ich glaube, dass solche Spieler es mehrheitlich auch bei der Konkurrenz nicht schaffen, wenn sie sich bei uns nicht durchsetzen. Manche Spieler glauben vielleicht, dass YB und Zürich sie mit offenen Armen empfangen. Aber so einfach ist es nicht. Wenn du zu einem neuen Club kommst, hast du auf deiner Position meistens bereits einen Konkurrenten. 

Wie ist das, wenn den FCB-Junioren andere junge Spieler vor die Nase «gesetzt» werden – wie beispielsweise ein Beney (von Sion) oder ein Kacuri (von GC)?

Für uns spielt es keine Rolle, ob ein Spieler aus einer anderen Akademie kommt oder nicht. Am Ende zählt die Leistung und die muss Fabio Celestini beurteilen.

Leon Avdullahu ist ein super Beispiel für jemanden, der schon lange bei uns ist. Er hatte es bei uns nicht immer nur einfach und jetzt startet er durch, weil er immer ruhig geblieben ist, an sich geglaubt hat und den Fokus nicht verloren hat. 

Im Fussball ist alles so schnelllebig – vielleicht musst du dich erst finden. Das Wichtigste ist, dass du immer bescheiden bleibst und Gas gibst. Dann bist du am Ende auch mental ein «kompletter» Spieler, weil du schwierige Momente gemeistert hast.

Sie sind U21-Trainer, haben aber parallel eine sehr erfolgreiche Kampagne in der UEFA Youth League gehabt. Haben Sie wie als Spieler auch als Trainer ein Flair für internationale Wettbewerbe?

Als Spieler habe ich internationale Erfahrung gesammelt, aber als Trainer habe ich kaum welche. Ich glaube aber, dass ich meinen Spielern mit meiner Erfahrung als Spieler schon viel mitgeben konnte.

Mir persönlich hat es sehr gut getan, mich einerseits im internationalen Junioren-Spitzenfussball zu beweisen, andererseits auch mit einem neuen Staff zu arbeiten. Der Umgang mit dem Staff war für mich fast noch wichtiger als jener mit der Mannschaft. Wenn die Spieler merken, dass der Staff nicht funktioniert, kannst du noch so viel Zusammenhalt fordern: du wirst keine Chance haben.

Meine Erfahrung hat sicher zum Erfolg beigetragen, aber die Zusammenarbeit mit Stephan Lichtsteiner (Anm. d. Red.: Cheftrainer U16) und Dominik Ziltener (Anm. d. Red.: Assistenztrainer U19) war genauso wichtig.

Die Kampagne war unglaublich toll. Natürlich ist es schade, dass wir ausgeschieden sind, aber unter dem Strich ist das Weiterkommen für Bayern nicht unverdient. Dass wir überhaupt in die Playoffs kommen, hätte am Anfang keiner gedacht. Insofern kann ich viel Positives mitnehmen.

Wie haben Sie die Spieler nach der Niederlage wieder aufgebaut?

Einerseits musste ich einen Teil der Verantwortung auf mich nehmen. Andererseits gab es Dinge, über die ich nicht nach aussen gesprochen habe, sondern die ich den Spielerm direkt gesagt habe.

Wenn man in so einer Kampagne weiterkommen will, muss man auf jedes Detail achten. Am Ende ist es entscheidend, sich auf das Gute zu konzentrieren und aus den Fehlern zu lernen.

Die Spieler waren schon enttäuscht, aber sie waren auch sehr selbstreflektiert und haben erkannt, dass grundsätzlich mehr drin gewesen wäre, aber das hatten wir an diesem Tag gegen die Bayern nicht verdient.

Die Reaktion kam mit dem 3:0-Sieg gegen Étoile-Carouge in der U21.

Das stimmt. Wir traten mutiger und aggressiver auf. In den ersten 25 Minuten sah das auch sehr gut aus. Danach sind wir wieder in den alten Trott zurückgefallen, haben die Pause aber gut genutzt und Carouge danach nicht mehr viele Chancen gelassen. So gesehen sind wir an der Niederlage gegen Bayern München gewachsen. 

Kennen Ihre Spieler eigentlich noch Mario Cantaluppi als Spieler?

Ja, ich glaube, sie haben mich gegoogelt. Aber vielleicht nicht von sich aus. Ich musste einigen schon sagen, «googelt mal Herrn Lichsteiner, was der schon alles gemacht hat»! Oder ich sage ihnen, wie glücklich sie sein können, mit einem Spieler wie Timm Klose zusammenzuspielen.

Die wirklich guten Spieler wissen, dass es ein Privileg ist, mit solchen Leuten arbeiten zu dürfen. Das sind dann hoffentlich auch diejenigen, die eines Tages vielleicht so viel Geld verdienen, dass sie unabhängig sein können. Das muss natürlich nicht die erste Motivation sein, aber die Unabhängigkeit ist neben der Gesundheit das höchste Gut.

Mario Cantaluppi: "Es ist mein langfristiges Ziel, eines Tages eine Profimannschaft zu übernehmen"
Mario Cantaluppi dirigiert auf dem FCB-Campus die U21. Bild: Rotblau

Sie waren bisher zwei Mal in der ersten Mannschaft des FCB, wie wir im ersten Teil unseres Gesprächs angesprochen haben. Aller guten Dinge sind drei – oder?

Ob Cheftrainer oder nicht: Ich könnte mir gut eine Rolle im Trainerstab vorstellen! Das ist sicher ein Ziel und ein Traum. Aber ich habe noch viel Zeit und darf noch viel lernen.

Das Gespräch wurde von Andreas Aeschlimann und Laxman Balasubramanjam geführt.

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