
Massenproteste in Israel – Parlament verabschiedet Justizreform
Baseljetzt
Nachdem das Parlament einem Kernelement der umstrittenen Justizreform verabschiedete, sind in Israel wieder Zehntausende Menschen auf die Strasse gegangen. In Tel Aviv raste ein Auto in einen Protestzug.
Der Vorfall ereignete sich in einem Ort nördlich von Tel Aviv. Am Montagabend raste ein Auto in eine Menschenmenge und verletzte drei Demonstrierende. Die Polizei nahm den Fahrer, dessen Motiv am Abend zunächst unklar war, später fest. Die Demonstrierenden hatten eine Fahrbahn blockiert.
Proteste spitzen sich zu
Überall im Land störten Menschen den Verkehr. In Tel Aviv marschierten am Abend Tausende stundenlang auf einer zentralen Autobahn. Erst in der Nacht zu Dienstag gelang es der Polizei, die Menschen zu vertreiben. Medienberichten zufolge wurden landesweit am Montag mindestens 34 Demonstranten festgenommen, einige gewaltsam. Israelische Medien und Augenzeugen warfen der Polizei übermässige Härte vor. Dutzende Menschen seien unter anderem durch den Einsatz von Wasserwerfern verletzt worden. Mindestens 13 Polizisten wurden Berichten zufolge verletzt, weil Demonstranten mit Sand gefüllte Flaschen auf sie warfen. Die Protestbewegung hatte nach dem Votum im Parlament angekündigt, ihren Protest «bis zum Ende» weiterzuführen.
Parlament stimmt dafür
Am Montag hatten 64 von 120 Abgeordneten für einen Gesetzentwurf gestimmt, der die Handlungsmöglichkeiten des Obersten Gerichts einschränkt. Die Opposition boykottierte die Abstimmung. Das Gesetz ist Teil eines grösseren Pakets. Kritiker:innen stufen es als Gefahr für Israels Demokratie ein und warnen sogar vor der Einführung einer Diktatur.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zufolge ermöglicht das Gesetz der gewählten Führung das Regieren im Sinne der Mehrheit der Bürger. Befürworter:innen der Reform argumentieren, Richter seien anders als Abgeordnete oder Minister:innen nicht direkt vom Volk gewählt. Sie seien jetzt unabhängiger von den Richter:innen und könnten Interessen ihrer Wähler:innen leichter durchsetzen.
Oberstes Gericht wird eingeschränkt
Mit dem neuen Gesetz ist es dem Obersten Gericht künftig nicht mehr möglich, eine Entscheidung der Regierung oder einzelner Minister:innen als «unangemessen» zu bewerten. Zahlreiche Expert:innen befürchten, dass dies Korruption und damit auch die willkürliche Besetzung wichtiger Posten oder aber Entlassungen begünstigen könnte.
Vertreter:innen der Opposition, die Anwaltskammer sowie mehrere Nichtregierungsorganisationen kündigten noch am Montag an, wegen des Gesetzes das Oberste Gericht anzurufen. Expert:innen zufolge könnte es zu einer Staatskrise kommen, sollte sich das Gericht dazu entscheiden einzugreifen.
Ärzte gehen auf die Strasse
Israels Ärztekammer kündigte Medienberichten zufolge für Dienstag einen Proteststreik an. Krankenhäuser arbeiten demnach nur mit minimaler Kapazität und behandeln nur Notfälle.
Ein weiteres Kernstück der Reform – eine Änderung bei der Richterbesetzung – soll nach Willen der Koalition bereits in der nächsten Sitzungsperiode im Herbst auf die Agenda rücken. (fsc/sda)
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mil1977
Die Reform ist wichtig. Die israelische Regierung muss mehr Macht bekommen um die Sicherheit des Landes in vollem Umfang zu garantieren. Gerichte könnten eventuell gewisse Interessen der nationalen Sicherheit zum Nachteil der Bürger Israels auslegen.