
«Meine persönliche Lebensgeschichte hängt mit den Basler Kinos zusammen»
Brendan Bühler
Michael Sennhauser ist seit mehr als 30 Jahren Filmjournalist. Mit dem Ende des Küchlins in Basel endet für Sennhauser eine Ära.
Seit 1991 arbeitet Michael Sennhauser als Filmjournalist. Schon als Teenager verliebte sich der heute 62-Jährige ins Kino. Eine Leidenschaft, die ihn nicht mehr losgelassen hat. Baseljetzt hat Sennhauser zu einem Gespräch über das Ende des Küchlins, die Filmbranche und den Verlust für Basel getroffen.
Baseljetzt: Das Küchlin schliesst – was heisst das?
Michael Sennhauser: Das letzte der alten Basler Kinos verschwindet. Für meine Generation und eine davor verschwindet somit eigentlich alles, was mit Kino zu tun hat. Das ist schade.
Ist es ein grosser Verlust für Basel?
Historisch gesehen verschwindet die ganze Kinogeschichte Basels. 1907 ging das erste fixe Kino in Basel auf, das Fata Morgana. Das Küchlin war ab 1912 ein Varieté. Erst in den 1950er Jahren wurde es zum Kino. Seit dann steht das Küchlin für Kino. Das ist nun vorbei.
Hinterlässt das bei Ihnen ein blutendes Herz?
Ich glaube, fast alle – oder alle – haben eine Erinnerung an das Kino. Sei es wegen eines Films, einer schönen Begegnung oder wegen eines ersten nervösen Liebestreffens. Für mich persönlich ist es noch viel mehr als dieser Ort der Erinnerung. Meine persönliche Lebensgeschichte hängt mit den Basler Kinos zusammen. Die alten Kinos sind alle verschwunden.
Warum denken Sie musste das Küchlin schliessen?
Mit diesem Problem kämpfen viele Innenstadt-Kinos. Diese Kinos wurden als Einzelkino konzipiert. Unterdessen können die grossen Ketten die Kinos nur als Multiplex rentabel betreiben. Die Innenstadt-Kinos können nicht massiv umgebaut werden und sind an teurer Lage. Das rentiert sich nicht.
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Das letzte grosse Innenstadt-Kino schliesst seine Türen. Ist damit das Kino tot in Basel?
Das kann man nicht sagen. So wie wir das Kino kennen, lebt es von den über 30-Jährigen. Die gehen nach wie vor ins Kino. Die Kultkinos funktionieren, und die Besucher sind treu. Das, was verschwindet, ist das grosse Blockbuster-Kino. Das gibt es nur noch im Stücki.
Kann es auch sein, dass die Arena-Cinemas im Stücki eine zu grosse Konkurrenz waren?
Das glaube ich nicht. Die Arena-Cinemas wurden eher zur Konkurrenz für die deutschen Kinos. Die Arena-Cinemas haben ja auch deshalb diese Kampfpreise. In diese Kinos fährt man für einen grossen Abend. Dass man einfach ins Kino geht, wie früher in der Steinen, und spontan entscheidet, was man sehen möchte, dass macht man dort nicht.
Was hatte die Steinenvorstadt von zehn Jahren für eine Bedeutung?
Es war der Treffpunkt – damals wie heute. Heute wird mehr getrunken und dann zieht man weiter. Die Kinos waren damals ein Highlight. Man traf sich, trank etwas und ging einen Film schauen. Das verschwindet. Dies ist aber auch eine Folge der Bewirtschaftung.
Inwiefern?
Die Mieten sind hoch. Man muss viel Umsatz machen. Ein grosser Kinosaal, der halb leer ist, macht zu wenig Umsatz.
Sind Sie traurig, dass die Kinostrasse vorbei ist, und somit auch ein wichtiger Teil Ihrer Laufbahn?
Es ist ein Zeitenwechsel. Für mich ist nicht nur die Ära der Kinos vorbei, sondern auch die Zeit, in der man ausschliesslich Kinofilme besprochen hat. Für alle Filmjournalisten gilt: Man muss alles im Auge behalten, etwa Streaming. Aber für mich gilt: Der Ort, an dem ich am Glücklisten bin, das Kino, ist nicht mehr dasselbe.
Hören kann man Michael Sennhauser bei Radio SRF und im Podcast «Kino im Kopf». Artikel findet man auf Sennhausers Blog.
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