Nachsorge neu gedacht: Wie die UPK Patient:innen zuhause unterstützt
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«Home Treatment»
Basel-Stadt

Nachsorge neu gedacht: Wie die UPK Patient:innen zuhause unterstützt

01.12.2024 17:05 - update 03.12.2024 16:54
Shahed Staub

Shahed Staub

Seit 2019 bieten die Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel die «Home Treatment» Behandlung an: Nach einem UPK-Aufenthalt werden Patient:innen zu Hause betreut. Baseljetzt hat den Pflegefachleiter dabei begleitet.

Constantin Bruttel ist pflegerischer Fachleiter des Home-Treatment-Programms der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK). Seit Beginn des Projekts im Jahr 2019 ist er dabei. Mehrmals pro Woche besucht er seine Patientinnen und Patienten zu Hause – so auch heute.

So funktioniert die «Home Treatment»-Behandlung

Das Programm ist für alle im Übergang von der stationären Behandlung in das ambulante Setting gedacht. Aber auch für schwer erkrankte Personen, die das Gesundheitssystem besonders häufig in Anspruch nehmen. Also jene, die immer und immer wieder in die Klinik kommen. Gerade in der kritischen Phase nach einem Klinikaufenthalt fehlt es ihnen oft an der nötigen Unterstützung, da das schützende Umfeld der Klinik plötzlich wegfällt. Dies führt häufig zu Rückfällen. Mit dem «Home Treatment»-Programm soll diese Versorgungslücke geschlossen, stationäre Aufenthaltstage minimiert und die erneuten Krisen deutlich reduziert werden.

Mit dem Fahrrad geht es zu Louis Müller, der bereits mehrere stationäre Aufenthalte in der Klinik hinter sich hat. Seit zwei Jahren ist er Teil des Home-Treatment-Programms, seither war er nicht mehr stationär in der Klinik. Bücher, Kunst und frisch gekochter Kaffee erwarten uns bei dem 56-Jährigen zu Hause, Gastfreundschaft ist ihm wichtig. Seine gewohnte Umgebung bezeichnet er als Teil seiner Persönlichkeit: «Hier kann ich mich besser öffnen. Mein Tisch, meine Skulptur, mein Kaffee. Es ist ein Privileg, dass extra jemand kommt, besonders in Zeiten, in denen Einsamkeit ein grosses Thema ist, auch wenn es nur für eine Stunde in der Woche ist.»

Während der Kaffee in der Einzimmerwohnung köchelt, erzählt Louis Müller von seinem Leben: mehrere Hobbys, drei Jahre Mitglied im Fotoverein und eine Sendung bei Radio X, in der er über psychische Erkrankungen spricht.

Louis Müller wurde von der Kriseninterventionsstation für das Home-Treatment-Angebot angemeldet. Seither setzt er sich gemeinsam mit Pflegefachleiter Bruttel intensiv mit seiner Erkrankung auseinander und versucht, die Person, den Menschen hinter Louis Müller, wieder zu stärken. Beziehungskrisen, finanzielle Sorgen und existenzielle Herausforderungen müssen dabei überwunden werden. Durch die regelmässigen Gespräche erhalten seine Gefühle Raum. «Das Leben ist wie ein Zahnradsystem», erklärt Müller. «Fehlt nur ein einziges Segment, fällt alles auseinander.» Doch dank der regelmässigen Treffen mit Constantin Bruttel, greifen bisher alle Zahnräder weiterhin ineinander.

«Endlich habe ich wieder ein Leben»

Der Terminplan ist eng getaktet. Wie alle zwei Wochen steht heute eine Sozialsprechstunde bei Albert Hamann* im Kleinbasel an, auch dies ist ein Angebot des Home-Treatments der UPK. Wir werden in einer hellen Wohnung empfangen; auf dem Balkon steht ein kleines Gewächshaus. «Endlich habe ich wieder Zeit zum Kochen und für einen kleinen Garten. Endlich habe ich wieder ein Leben», erzählt Hamann.

Das war nicht immer so. Hamann hat viele Operationen hinter sich, erlitt mehrere Herzinfarkte. Hinzu kamen eine Alkoholsucht und ein Schmerzsyndrom. Er rutschte in die Sozialhilfe und musste immer wieder stationär in die Klinik. «Am Schluss hatte ich so wenig Energie, dass ich es nicht einmal mehr geschafft habe, die Post zu öffnen.»

Das Home-Treatment-Projekt lohnt sich

Statistiken belegen, dass die Anzahl der stationären Behandlungstage um ein Drittel gesunken ist. Sollte trotz der Hausbesuche dennoch eine erneute Zuweisung erforderlich sein, läuft diese in der Regel deutlich ruhiger ab. Zwangseinweisungen, also Unterbringungen ohne die Zustimmung des Patienten, sind über 71 Prozent zurückgegangen.

Genau hier setzt das Home-Treatment an: Es unterstützt Hamann im Alltag und sucht nach Optimierungsmöglichkeiten. Konkret bedeutet das bei ihm, Erlassgesuche für AHV-Beiträge zu stellen, Verhandlungen wegen seiner vorübergehend eingelagerten Möbel zu führen oder finanzielle Unterstützung für seine Diät zu organisieren. Dank des umfassenden Wissens der Sozialarbeiterin des Home-Treatments kann Hamann wieder einen geregelten Alltag führen und sich an den kleinen Dingen im Leben freuen – sei es, ein Abendessen zu kochen oder ein paar Kräuter zu pflanzen.

*Name von der Redaktion geändert.

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Kommentare

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02.12.2024 05:38

melanie93

👍🏽

0 0
01.12.2024 21:26

Thomy

👍

2 0

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