Nationalrat will gewaltfreie Erziehung gesetzlich verankern
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Nationalrat will gewaltfreie Erziehung gesetzlich verankern

05.05.2025 17:10

Baseljetzt

Der Nationalrat will das Prinzip der gewaltfreien Erziehung von Kindern ausdrücklich im Schweizer Zivilgesetzbuch verankern. Als Erstrat hat er am Montag eine entsprechende Bundesratsvorlage gutgeheissen.

Mit 134 zu 56 Stimmen bei 2 Enthaltungen sagte er Ja zur Gesetzesanpassung, welche nun in den Ständerat geht. Nicht auf die Vorlage eintreten wollte eine SVP-Minderheit, deren Sprecher Manfred Bühler (BE) die ausdrückliche Erwähnung einer gewaltfreien Erziehung im Zivilgesetzbuch als unnötig bezeichnete.

Alle nötigen Bestimmungen fänden sich bereits im Strafgesetzbuch. Bühler sagte auch, der Staat solle den Familien kein bestimmtes Erziehungskonzept aufzwingen. Entgleisungen seien klar unzulässig, doch manchmal helfe es, wenn man einen physischen Zwang auch nur androhen könne.

Die grosse Mehrheit des Nationalrats ging hingegen mit dem Bundesrat einig, der im Vorfeld gesagt hatte, die explizite Erwähnung des Prinzips der gewaltfreien Erziehung im Gesetz hätte Leitbildcharakter. Sie würde klar signalisieren, dass beispielsweise körperliche Bestrafungen und andere Formen von erniedrigender Behandlung von Kindern nicht toleriert würden.

Grenzen setzen: Das geht weiterhin

Gleicher Meinung wie der Bundesrat war unter anderem die Mitte-Fraktion, deren Sprecherin Maya Bally (AG) von einem «eminent wichtigen Schritt» sprach in einem Land, in dem immer noch zu viele Kinder in der Erziehung Gewalt erlebten. Jessica Jaccoud (VD) sagte namens der SP-Fraktion, die Erziehung von Kindern sei Privatsache – nicht aber Gewalt in dieser Erziehung.

Bestrafungen von Kindern blieben auch künftig möglich, doch Strafen dürften eben nicht Gewalt enthalten oder erniedrigend sein, sagte Patricia von Falkenstein (BS) im Namen der FDP-Fraktion.

Eine explizite Verankerung des Gewaltverbots im Gesetz könne etwa Lehrerinnen oder Trainern eines Sportclubs helfen, Familien auf Verhaltensweisen anzusprechen, welche für die kindliche Entwicklung schädlich seien: Das sagte Florence Brenzikofer (Grüne/BL) als Berichterstatterin der vorberatenden Rechtskommission des Nationalrats (RK-N).

Diese hatte nach der Vorberatung die Vorlage ganz klar befürwortet. Bundesrat Beat Jans sagte im Rat, Kinder ohne Gewalt zu erziehen, bedeute nicht, dass man ihnen nicht auch Grenzen setzen könne. Die Frage sei, wie man das tue. Die Erziehungsverantwortung bleibe bei den Eltern.

Die Vorlage geht auf eine Motion der Freiburger Mitte-Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach zurück, welcher National- und Ständerat 2021 respektive 2022 zustimmten. Im Sommer 2023 eröffnete dann der Bundesrat die Vernehmlassung für die geplante Änderung des Zivilgesetzbuchs.

Kantone und Organisationen, die an der Vernehmlassung teilnahmen, begrüssten laut Parlamentsunterlagen den Vorentwurf im Grundsatz. Die Organisation Pro Juventute sprach in einer Mitteilung vom Montag von einem «historischen Schritt».

Studie zeigt: Gewalt ist häufig

Jedes fünfte Kind in der Schweiz erfährt regelmässig psychische Gewalt und jedes dritte war bereits Zeuge psychischer Gewalt zwischen Eltern. Das zeigte eine im November 2024 von der Organisation Kinderschutz Schweiz vorgestellte Studie, die sich auf die Befragung von 1264 Eltern stützt.

Laut dieser Studie haben Kinder, die unter regelmässig angewendeter psychischer Gewalt leiden, ein stark erhöhtes Risiko für Depressionen, Lernstörungen, aggressives und gewalttätiges Verhalten oder Bindungsstörungen.

Die Bundesratsvorlage sieht zwei neue Sätze im Zivilgesetzbuch vor. Im zweiten Satz steht, die Kantone hätten dafür zu sorgen, dass sich die Eltern und das Kind bei Schwierigkeiten in der Erziehung gemeinsam oder einzeln an Beratungsstellen wenden könnten.

Diese Hilfsangebote seien regional unterschiedlich, schrieb der Bundesrat dazu. Das Inkrafttreten der vorgeschlagenen Gesetzesänderung solle durch Aufklärungs- und Sensibilisierungsmassnahmen auf nationaler Ebene begleitet werden, um die gewünschte präventive Wirkung entfalten zu können. Der Bund werde sich daran beteiligen.

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06.05.2025 16:12

Sonnenliebe

Das ist ein wichtiger Schritt. Leider hat heute der Nationalrat gegen die Chip-Pflicht bei Katzen gestimmt, dies ist unverständlich und eine Katastrophe.

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