So will Cramer die integrative Schule retten
Gegenvorschlag
Basel-Stadt

So will Cramer die integrative Schule retten

25.10.2023 11:46 - update 25.10.2023 17:18

Baseljetzt

Mit verschiedenen separativen Spezialangeboten will die Regierung der Initiative für die Wiedereinführung von Kleinklassen einen Gegenvorschlag entgegensetzen. Das Massnahmenpaket kostet jährlich knapp 14 Millionen Franken.

In der Konsultation bei den betroffenen Fachkreisen seien die Vorschläge auf positive Rückmeldungen gestossen, sagte der Basler Erziehungsdirektor Conradin Cramer am Mittwoch an einer Medienkonferenz. Der Kanton will das Massnahmenpaket bereits auf das Schuljahr 2024/2025 umsetzen. Gerechnet wird mit jährlichen Zusatzkosten von 13,7 Millionen Franken.

Cramer bezeichnete das vorgeschlagene Massnahmenpaket als «Kerngeschäft der Legislatur». Man wolle Verbesserungen durchsetzen, nicht aber vom Prinzip der integrativen Schule abweichen, sagte er. Der Leiter Volksschulen im Departement, Urs Bucher, sagte, dass man mit dem System an Grenzen gestossen sei, und nun weitgehende Nachbesserungen nötig würden.

  • Auf Primarstufe sollen kleine Fördergruppen für maximal 12 Schülerinnen und Schüler geschaffen werden. Sie richten sich an Schülerinnen und Schüler, die etwa aufgrund ihrer intellektuellen Ressourcen Schwierigkeiten beim Lernen haben. Im Variantenentscheid zwischen Förderklassen (separativ) und Fördergruppen (teilseparativ) spricht sich der Regierungsrat unter Abwägung der Rückmeldungen aus der Konsultation für Fördergruppen aus. Bei diesem Modell bleiben Kinder in ihrer Stammklasse.
  • Schwierige Situationen sollen neu auch mit Lerninseln aufgefangen werden können. Zielgruppe sind Schülerinnen und Schüler auf Primar- und Sekundarstufe I mit akut schwierigem Verhalten, die den Unterricht massiv stören oder ein Time-out benötigen. Ziel bleibt, dass diese Schülerinnen und Schüler jeweils möglichst schnell wieder in ihre Stammklasse zurückkehren.
  • In den letzten Jahren zeichnete sich ein erhöhter Bedarf an Förderung in Psychomotorik wie auch in Logopädie ab. Mit den vorhandenen Ressourcen können nicht alle Schülerinnen und Schüler mit einem entsprechenden Bedarf adäquat gefördert werden. Nach Rückmeldungen aus der Konsultation beantragt der Regierungsrat daher eine Erhöhung der Ressourcen für die Psychomotorik. Wie bereits in der Konsultationsvorlage vorgeschlagen, sollen auch die Mittel für Logopädie erhöht werden.
  • Neu sollen mehr Ressourcen ans Zentrum für Frühförderung (ZFF) gehen. Bei der Entwicklung von Kindern werden entscheidende Weichen in den ersten Lebensjahren gestellt. Entsprechend wirksam sind Massnahmen in der frühen Kindheit.
  • Kindergärten sollen mehr Ressourcen zur Förderung erhalten. So sollen etwa in besonders belasteten Kindergärten künftig während fast der gesamten Unterrichtszeit am Vormittag zwei Lehrpersonen gemeinsam unterrichten.
  • Schulleitungen sollen die ihnen zugeteilten Förderressourcen flexibler und in mehr Eigenverantwortung verwenden können.
  • Die Spezialangebote SpA sollen mit einem neuen Förderangebot entlastet werden, dem SpA Plus. Es richtet sich an Schülerinnen und Schüler mit massiv erhöhtem Förderbedarf, etwa mit selbst- und fremdgefährdendem Verhalten.

Im Gegensatz zum ursprünglichen Vorschlag will man sich nun vorerst auf die Primarstufe konzentrieren und die Sekundarstufe I in einem zweiten Schritt nach entsprechenden Problemen durchleuchten, sagte Bucher weiter.

Separative Förderklassen fallen gelassen

Geplant sind unter anderem teilseparative Fördergruppen, in denen Schülerinnen und Schüler mit Lernschwächen speziell gestützt werden können, ohne sie aus den Regelklassen zu entfernen. Die Idee von gänzlich separativen Förderklassen sei indes aufgrund der Rückmeldungen fallengelassen worden. Dazu ist aber aktuell eine Initiative hängig, die genau diese separativen Förderklassen wieder erwünscht.

Dazu sollen sogenannte Lerninseln kommen, mit denen Konfliktsituationen in Klassen Rasch und kurzfristig entschärft werden sollen. Zielgruppe hier seien Schülerinnen und Schüler, die aus absehbaren Krisensituationen heraus den Unterricht stören und deshalb eine temporäre Auszeit aus der Regelklasse angesagt sei, wie die Leiterin Primarstufe, Gaby Hintermann sagte.

Schliesslich sollen die bestehenden Spezialangebote für Schülerinnen und Schüler «mit massiv erhöhtem Förderbedarf» ausgebaut werden. Geplant ist die Schaffung eines Spezialangebots plus für Schülerinnen und Schüler mit selbst- oder fremdgefährdendem Verhalten.

Bessere Förderung auf Kindergartenstufe

Neu ins Massnahmenpaket aufgenommen wurden Massnahmen zur Verstärkung der Betreuung im Vorschulalter und auf der Kindergartenstufe. Hintermann bezeichnete die verbesserten Möglichkeiten, sich möglichst früh intensiv mit verhaltensauffälligen oder lernschwachen Kindern beschäftigen zu können, als «Filetstück» des Pakets.

Und schliesslich möchte die Basler Regierung wegen der erhöhten Nachfrage die Ressourcen für Logopädie- und Psychomotorik-Massnahmen ausbauen.

Zeitpunkt und Umsetzung der Massnahmen

Conradin Cramer würde gerne auf das nächste Schuljahr 2024/2025 mit den umgesetzten Massnahmen beginnen. Nach seinen Aussagen, sei aber die Initiative der Förderklassen ein Stolperstein, den das Erziehungsdepartement noch aufhalten könnte. Ganz anders sieht dies Roland Stark des Initiativkomitees, er behauptete gegenüber baseljetzt, dass beide Anliegen parallel laufen könnten. Das Massnahmen-Packet wird jedoch jetzt vom ED genutzt als Gegenvorschlag zur Initiative vorgelegt. Somit könnte zu eigens verschuldeten Zeit Verzögerungen kommen. Roland Stark sowie Jean-Michel Héritier von der freiwilligen Schulsynode Basel sind der Meinung, dass es frühstens in einem Jahr losgehen könnte mit der Umsetzung der Massnahmen. (sda/mbr/isr)

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