Wegen Inflation und Corona-Nachwehen: Dorfwirte müssen kreativ werden
©Bild: Restaurant Frohsinn
Beizensterben
Region

Wegen Inflation und Corona-Nachwehen: Dorfwirte müssen kreativ werden

26.03.2024 06:06 - update 26.03.2024 11:06

Janine Borghesi

Ob Inflation oder Pandemie: Beizen haben einen schweren Stand. Besonders prekär ist die Situation in den kleinen Dörfern. Das zwingt den einen oder anderen Wirt dazu, sich etwas Besonderes zu überlegen.

Neben klirrenden Biergläsern, Trinksprüchen und viel Gelächter hört man im Restaurant Frohsinn im solothurnischen Nunningen am Freitagabend auch das laute Summen eines Rasierapparates. Das Geräusch kommt aber nicht etwa vom Bad, sondern vom Stammtisch. Dort lässt sich ein Gast seine – zugegebenermassen schon ziemlich lichte – Haarpracht abrasieren. Seine Motivation: Er kriegt einen Liter Bier gratis.

Und auch für Gäste, die schon eine Glatze haben, lohnt sich der Abend. Für sie gibt es ein Gratis-Bier. Der «Glatzenabend» ist die Idee von Roger Henz, dem Wirts des Restaurant Frohsinns. «Wir machen auch andere Events. Franzosenabende mit französischer Küche, Musik und Dekorationen. Und wir haben auch einen Asienabend», erklärt Henz stolz.

Weniger Gäste durch Inflation

Der Wirt möchte mit ausgefallenen Ideen mehr Leute in seine Gaststätte locken. Momentan sei die wirtschaftliche Lage nämlich alles andere als einfach. Viele traditionelle Beizen sind nicht mehr rentabel und müssen ihren Betrieb einstellen.

Die Restaurants leiden besonders unter der Inflation. Die Lebensmittel werden teurer, die Strompreise explodieren und auch die Gäste müssen sparen. «Man merkt, dass beim Znüni oder beim Mittagessen weniger Leute kommen. Sie geben ihr Geld überlegter aus», meint Roger Henz, der neben seiner Tätigkeit als Wirt auch das Amt des Präsidenten des Verbands «Gastro Schwarzbubenland» innehat.

Nachfolger:innen gesucht

Roger Henz hat das Restaurant Frohsinn von seinen Eltern übernommen. Das ist in der heutigen Zeit alles andere als selbstverständlich. Es gibt nur noch wenige Leute, die bereit sind, eine Dorfbeiz zu führen.

Auch die Kinder von Louis, der ehemalige Wirt des Restaurant Sudhus in Titterten, wollten seine Gaststätte nicht übernehmen. «Wir haben auch sonst gesucht und haben es mit diversen Leuten versucht. Das hat alles nicht geklappt», so der pensionierte Wirt. Er und seine Frau haben das Restaurant Sudhaus 30 Jahre lang geführt.

«Niemand will mehr etwas in die Gastronomie investieren ausser in die gehobene Gastronomie. Das ist zwar auch gut, aber der Stammtisch geht verloren», sagt Louis. Obwohl er sein Restaurant geliebt und mit Herzblut geführt hat, mussten er und seine Frau die Gaststube mittlerweile zu Wohnungen umbauen.

Somit gibt es in Titterten nun keine Dorfbeiz mehr. Damit ist die Gemeinde nicht allein: Sechs weitere Dörfer in Baselland haben kein eigenes Restaurant mehr. Diese Zahl ist in den letzten Jahren gestiegen: 2017 waren es erst vier Dörfer.

Neue Konzepte und mehr Kreativität

Laut der Präsidentin vom Verband «Gastro Baselland» sei unter anderem auch die Coronakrise daran schuld. «Gerade jemand, der noch vor Corona frisch angefangen hat, hatte es schwer, das zu überstehen. Und nachher muss man auch die Kredite zurückzahlen», erzählt Fabienne Ballmer über die Situation der Baselbieter Gaststätten.

Trotz allen Hürden, bleibt Ballmer optimistisch: «Es wird weitergehen. Es wird einfach andere, neue Konzepte geben. Es gibt vielleicht auch gewisse Sachen, die aussterben. Aber dann kommt eine andere Generation und lebt das vielleicht ein bisschen anders».

Kochen alleine reiche also laut der Präsidentin von Gastro Baselland nicht mehr. Das Unternehmertum wird in Zukunft viel stärker in den Fokus rücken. Ob ein Glatzenabend oder ein ausgefallenes Menü: Die Restaurants in der Region werden langfristig auf mehr Kreativität setzen müssen.

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