«Zukunft Inklusion»
Basel-Stadt

Wie sehbehindertengerecht ist Basel?

14.06.2024 18:10 - update 25.03.2025 15:28
Michael Kempf

Michael Kempf

Trotz aller Bemühungen gibt es in der Innenstadt immer noch Orte, an denen sich sehbehinderte Menschen nur schwer orientieren können. Dies betrifft nicht nur Altbauten, sondern z.B. auch die neue Freie Strasse.

Im Rahmen der Aktionstage «Zukunft Inklusion» bietet die Stiftung Schweizerische Schule für Blindenführhunde Allschwil Führungen durch Basel an. Allerdings aus der Sicht einer sehbehinderten Person. Ronny Ramseier ist seit seinem 22. Lebensjahr blind und führt die Gruppe gemeinsam mit seiner Blindenführhündin Hetty an die schwierigen Orte.

Wie sehbehindertengerecht ist Basel?
Der Startpunkt ist auf dem Barfüsserplatz. Bild: Baseljetzt

Treffpunkt ist der Barfüsserplatz. Von dort führt Ronny Ramseier die Teilnehmenden durch die Streitgasse in die Freie Strasse. Vor dem Dreizack-Brunnen bleibt er stehen. Normalerweise hört Ronny das Plätschern des Brunnens und kann sich daran orientieren. In diesem Moment fährt jedoch ein Bagger durch die Freie Strasse, was die Orientierung für Ronny sofort erschwert.

Die neuen Pflastersteine, die die Freie Strasse schmücken, mögen vielleicht optisch überzeugen, für Sehbehinderte sei der neue Boden aber alles andere als einladend. «Es gibt weder Regenrinnen noch andere Orientierungslinien an denen ich mich in der Freien Strasse orientieren könnte», erklärt Ronny Ramseier den Teilnehmenden.

Vorbildlicher sieht es auf dem Münsterberg aus. Links und rechts wurde das alte Kopfsteinpflaster abgeschliffen, damit Sehbehinderte mit ihrem Blindenstock nicht hängen bleiben. Der Teerbelag in der Mitte erleichtert auch Menschen im Rollstuhl den Auf- und Abstieg.

Anders sieht es auf dem Münsterplatz aus. Dort ist das alte Kopfsteinpflaster noch in seiner ursprünglichen Form erhalten. «Da bleibt man mit dem Blindenstock schon mal hängen», erklärt Ramseier. Generell seien grosse Plätze wie der Münsterplatz für die Orientierung schwierig. Vor allem, wenn es keine Leitlinien gibt.

Ein Münster zum Anfassen

In der Pfalz angekommen zeigt Ronny Ramseier auf das Miniaturmodell des Basler Münsters. Das Modell wurde von Blinden-Stadtmodelle gebaut und soll blinden und sehbehinderten Menschen ermöglichen, das Münster zu ertasten, um ein Gefühl für das Aussehen des Gebäudes zu bekommen.

Zurück auf dem Münsterplatz zeigt Ramseier auf die Regenrinne. Diese dient auch Sehbehinderten als ideale Leitlinie. Es müssten nicht immer die klassischen weissen Leitlinien sein, wie man sie zum Beispiel vom Bahnhof SBB kennt, meint Ramseier. Allerdings endet die Regenrinne mitten auf dem Platz.

Menschen und Lärm

Weiter geht es durch die Augustinergasse in Richtung Rheinsprung. In der engen Gasse kommt man sich schnell in die Quere. Zum Beispiel eine Schulklasse, die den Weg versperrt. Doch als sie Ronnys Blindenführhund und Blindenstock sehen, machen sie sofort Platz. «Vielen Dank», sagt Ramseier zu den Kindern.

Anders sieht es bei Radfahrern und Joggern aus. Diese nehmen weniger Rücksicht auf den Sehbehinderten. Während sich eine Velofahrerin an Ronny vorbeischlängelt, rennt eine Joggerin direkt vor Ronnys Nase vorbei. Ronny bleibt gelassen. «Das gehört leider zum Alltag in der Stadt.»

Wie sehbehindertengerecht ist Basel?
Eine Velofahrerin fährt knapp an Ronny Ramseier vorbei. Bild: Baseljetzt

Der Verkehrslärm und die Baustelle vor dem Globus machen es einem Sehbehinderten nicht leicht, sich zu orientieren, erklärt Ramseier. Gefährlich wird es auch an der Kreuzung Marktplatz/Gerbergasse. «Wegen den Tramlinien gibt es hier keine Zebrastreifen. Das macht das Überqueren umso schwieriger, weil man genau hinhören muss, ob gerade ein Tram, ein Velo oder ein Auto kommt», sagt Ramseier.

Wie sehbehindertengerecht ist Basel?
Eine gefährliche Kreuzung für Sehbehinderte. Bild: Baseljetzt

Weiter geht die Führung durch die Gerbergasse. Diese verfügt links und rechts über Regenrinnen, die sich auch ideal als Leitlinien anbieten. Allerdings zeigt sich da bereits das nächste Problem. Auf den Regenrinnen stehen zum Teil Schilder, Tische oder Stühle der Restaurants und Cafés. «Ohne Blindenführhund würde ich da wohl immer in die Objekte laufen», meint Ramseier mit einem Schmunzeln.

Mehr Rücksicht bei der Architektur

Grundsätzlich ist Ronny Ramseier gerne in Basel unterwegs. Vor allem entlang des Rheins. Dort kann er sich gut orientieren. Wenn er mit seiner Blindenführhündin unterwegs ist, fällt es ihm auch leichter, gewisse Plätze zu überqueren.

Dennoch hat er einen Wunsch für künftige Bauprojekte. «Wie das Beispiel der Freien Strasse zeigt, werden die Bedürfnisse blinder Menschen gerne vergessen. Ich finde, darauf sollte schon bei der Architektur Wert gelegt werden.» Aus seiner Sicht müssten es nicht immer die klassischen weissen Leitlinien sein. Aber gerade die Regenrinnen zeigen, dass auch natürliche Leitlinien bei einer Neugestaltung berücksichtigt werden könnten.

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Kommentare

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14.06.2024 16:47

Thanatos

Spannender Einblick!

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