«Das internationale Geschäft ist das Dessert, der Hauptgang bleibt aber immer das nationale»
Davide Callà
FCB

«Das internationale Geschäft ist das Dessert, der Hauptgang bleibt aber immer das nationale»

30.06.2023 06:09 - update 30.06.2023 10:13
Lea Meister

Lea Meister

An der Seite von Alex Frei stieg Davide Callà mit dem FC Winterthur auf. Gemeinsam wechselten sie dann zum FC Basel. Im Interview spricht der Assistenztrainer über das neue Trainerteam, Zweifel und die Stadt, die ihn adoptiert hat.

Baseljetzt: Davide Callà, wie haben Sie sich im neuen Trainerteam eingelebt?

Gut. Sehr gut sogar. Es ist eine sehr angenehme Arbeitsatmosphäre. Ich kenne die Situation ja, letztes Jahr war ich auch neu und weiss deshalb, wie sich das für Loïc und Timo anfühlt. Bis jetzt passt es aber sehr, sehr gut.

Wie war die Übergangsphase für Sie?

Es war viel los und es gab eine Phase, in welcher viele Fragezeichen in meinem Kopf umhergeschwirrt sind. Ich wusste nicht genau, was jetzt genau läuft und es waren viele Emotionen im Spiel. Ein Trainerwechsel ist immer kompliziert, als Staff-Mitglied kriegt man das nochmals auf eine andere Art und Weise mit als als Spieler. Die Situation war sicher nicht einfach. Ich glaube, dass wir das unter dem Strich dennoch gut gemeistert haben. Im Endeffekt ist es immer wichtig, dass die Spieler gut arbeiten können und sich wohl fühlen. Das haben wir gut hinbekommen.

Hatten Sie irgendwann in dieser Übergangsphase Zweifel?

Als es zum Wechsel gekommen ist, habe ich mir natürlich Gedanken gemacht und mir gewisse Fragen gestellt. Ich habe auch Gespräche geführt, weil ich wissen wollte, wie es weitergehen wird, wie die Planung aussieht und was der Klub will. Ich musste mich aber auch fragen: Was will ich? Ein Moment der Ungewissheit war da, wir haben uns dann aber schnell wieder alle zusammengerissen, uns gefunden und im Sinne des FCB weitergemacht.

Sie und Goalietrainer Gabriel Wüthrich sind eigentlich last men standing. Wie fühlt sich das an?

Natürlich ist es ungewöhnlich, als Assistenztrainer in ein neues Trainerteam integriert zu werden. Es gibt im Fussball aber gewisse Mechanismen, die bei allen Vereinen gleich greifen. Wir haben uns irgendwann zusammengesetzt und Gespräche darüber geführt, was wir wollen, wie wir es wollen. Wir wollten natürlich auch aus gewissen Fehlern lernen. «Last men standing» klingt verrückt. Wir sind ja erst seit einem Jahr dabei (lacht). Und im erweiterten Staff gibt es einige Personen, die schon etwas länger dabei sind.

Sehen Sie es ein Stück weit aber auch als Wertschätzung, dass Sie Teil des Trainerteams geblieben sind?

Sicher. Zuerst sagte der Verein klar, dass ich weiterhin beim FCB bleiben soll. Das war für mich das Allerwichtigste, denn im Endeffekt habe ich einen Vertrag mit dem FCB. Als Timo Schultz und ich uns kennengelernt haben, merkten wir, dass es auch zwischenmenschlich passt. Bei aller Fachkompetenz, bei allem Fussballsachverstand, bei allen Trainingsformen und Fussballphilosophen muss es am Schluss auch menschlich passen. Das war von Anfang an gegeben, deshalb war auch klar, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen werden.

Was sind die grössten Unterschiede in der Zusammenarbeit und dem Arbeitsalltag im vergangenen Jahr?

Ich sehe mich als Dienstleister für den Klub, die Mannschaft und den Trainer. Ich bin in diesem Metier noch sehr jung und muss noch sehr viel lernen. Entsprechend bin ich froh, wenn ich verschiedene Aufgaben übernehmen kann. Wie auch schon als Spieler, stelle ich mich in den Dienst der Sache. Wenn es mich für gewisse Aufgaben braucht, dann bin ich da, auch wenn ich einmal ein Training lang nur Dinge aufstellen muss. Genauso bereite ich ein Training von A-Z vor und führe es dann auch. Da bin ich sehr flexibel und froh über jede Erfahrung, die ich sammeln kann.

Wie erleben Sie das Trainingslager bisher?

Sehr gut. Die Bedingungen sind genauso gut, wie am Tegernsee. Das Wetter passt eigentlich auch. Die Jungs ziehen gut mit und was sehr wichtig ist: Bei aller Arbeit, bei aller Intensität ist die Stimmung dennoch sehr gut. Es macht wirklich Spass, so zu arbeiten.

Gibt es Schwachstellen im Team, die Sie identifiziert haben und an welchen auch nach sechs Tagen in Seefeld noch deutlich gearbeitet werden muss?

(Lacht) Dass nicht alles zu hundert Prozent geklappt hat, ist klar. Es gibt gewisse Themen, die wirklich super geklappt haben und andere, die wir langsam einführen und der Mannschaft vermitteln müssen. Das braucht Zeit und ist ein Prozess, der nie zu Ende geht. Denn selbst wenn man zufrieden ist, will man die nächste Stufe erreichen. Aber das ist völlig normal.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Was diese Woche sehr gut geklappt hat, ist das Umschaltspiel, das haben die Spieler wirklich gut drauf. Das ist sicher auch etwas, was wir im vergangenen Jahr schon gut gemacht haben. Bevor die Frage kommt, was nicht so gut geklappt hat: Das Verhalten in der Box, ob offensiv oder defensiv, braucht sicher Automatismen. Das Timing muss stimmen. Dort braucht es etwas mehr Zeit. Das Thema Timing ist immer etwas komplizierter, es braucht Vertrauen und auch das Kennenlernen der Spieler. Daran müssen wir einfach arbeiten.

«Das internationale Geschäft ist das Dessert, der Hauptgang bleibt aber immer das nationale»
Callà im Mai im Stade de Genève. Bild: Keystone

Andy Diouf ist so gut wie weg. Kann man ihn überhaupt ersetzen?

Jeder Spieler ist wichtig für uns, aber ich glaube, dass niemand unersetzlich ist. In meiner Karriere habe ich schon oft erlebt, dass man sich nach einem Abgang gefragt hat, wie man dieses Loch jetzt nur füllen soll. Dann kommt ein Spieler, den man zuvor vielleicht nicht einmal auf der Rechnung hatte, blüht völlig auf und kann die Rolle auf eine andere Art und Weise erfüllen. Natürlich bedauert man es, wenn ein guter Spieler und ein guter Typ geht. Es bietet sich dadurch aber immer auch eine Chance für den Klub, die Mannschaft und diejenigen Spieler, die dann auch gezwungen sind, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Wie stark sind Sie am Scouting-Prozess beteiligt und haben vielleicht Wunschkandidaten im Kopf?

So gut wie gar nicht (lacht). Natürlich befasse ich mich auch mit Namen, die dann jeweils herumgeistern und informiere mich genauer, ich bleibe aber grundsätzlich in meinem Bereich. Mit der Planung und Durchführung der Trainings, der Gestaltung der Tage und dem Betreuen der Mannschaft habe ich genug zu tun. Wir haben in allen Bereichen die nötigen Kompetenzen und darauf vertrauen wir auch. Ich bin sicher, dass wir am Ende eine gute Truppe zusammen haben werden. Immer im Bewusstsein dafür, dass gute Leistungen eben auch Begehrlichkeiten wecken und uns der eine oder andere Spieler auch immer wieder einmal verlassen wird.

Callà leitet am Donnerstagmorgen im Trainingslager in Seefeld eine Trainingseinheit. Video: Lea Meister

Was für eine Saison erwarten Sie?

Grob gesagt erhoffe ich mir natürlich, dass wir international etwa das Gleiche erreichen, wie in der vergangenen Saison (lacht) und national die Erwartungen erfüllen können. National haben wir die Erwartungen in der vergangenen Saison ganz klar nicht erfüllt, dafür haben wir sie international teilweise übertroffen. Hier müssen wir eine gewisse Balance finden. Das internationale Geschäft ist das Dessert, der Hauptgang bleibt aber immer das nationale. Dort müssen wir uns sicher steigern.

Arbeiten Sie auch stark im mentalen Bereich, um diese Balance zu finden?

Es kommt ein wenig darauf an. Teilweise ist es sicher nicht einfach, international in einem grossen und gut gefüllten Stadion zu spielen und einige Tage später dann ein Cupspiel gegen einen Unterklassigen ansteht. Allerdings ist das sehr stark «learning by doing», die Situation ist, wie sie ist. Vielleicht können wir auf gewisse Dinge hinweisen, hier sind aber auch die Spieler gefordert, Erfahrungen zu sammeln und daran zu wachsen; auch im mentalen Bereich.

Wie haben Sie sich ganz allgemein in Ihrer Rolle als Trainer eingefunden?

Gut, es macht mir Spass, was für mich immer das A und O ist. Ich muss am Morgen mit einem Lächeln aufstehen, so, wie ich das auch als Fussballer getan habe. Das mache ich bis jetzt auch als Trainer. Natürlich gibt es immer wieder auch Momente, die nicht ganz so einfach sind, weil man auch extrem von Resultaten abhängig ist. Ich bin aber ein sehr positiver Mensch, eine Frohnatur. Wenn es dann einmal etwas schwieriger wird, fühle ich mich umso mehr gefordert, gute Laune zu verbreiten und die Leute mit meiner positiven Energie anzustecken.

Was bereitet Ihnen bis jetzt mehr Freude, der Trainerjob oder Davide Callà als Fussballprofi?

Fussball spielen fehlt mir in diesem Sinne eigentlich nicht wirklich, aber es ist trotzdem das Schönste, auf dem Platz zu stehen. Ich bin lieber auf dem Platz gestanden als jetzt jeweils daneben, aber auch das hat seinen Reiz. Das Schöne am Trainerleben ist, dass man immer draussen ist, man steht immer auf dem Platz, riecht den Rasen und hat immer die Möglichkeit, auch wieder einmal ein paar Bälle zu schlagen. Man sitzt nicht plötzlich einfach nur noch in einem Büro und sieht den Patz nur noch aus der Ferne. Das vereinfacht den Übergang in die Zeit nach der aktiven Fussballkarriere.

«Das internationale Geschäft ist das Dessert, der Hauptgang bleibt aber immer das nationale»
Davide Callà wurde vor dem Meisterschaftsspiel zwischen dem FC Basel und dem FC Luzern am 19. Mai 2018 von den Fans verabschiedet. Bild: Keystone

Wo wohnen Sie mit Ihrer Familie? In Winterthur?

Ich bin etwa 60 Prozent der Zeit in Basel und 40 Prozent der Zeit in Winterthur, je nach Programm, welches ich gerade habe. Meine Familie lebt in Winterthur in unserem Haus, ich will meiner Frau und meinem Sohn das Fussball-Nomadenleben nicht zumuten. Sie kommen mich aber regelmässig und auch sehr gerne besuchen. Ich habe auch eine Wohnung in Basel, in der Nähe des Stadions. In Basel fühle ich mich auch sehr wohl ich sage immer, dass mich Basel in gewisser Weise adoptiert hat, obwohl ich den Dialekt nicht spreche und nicht von hier bin. Es passt zwischen mir und der Stadt.

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