Fehlende Barrierefreiheit erschwert Schutz für Frauen mit Behinderungen
©Symbolbild: Keystone / Montage: Baseljetzt
Frauenhäuser
Basel-Stadt

Fehlende Barrierefreiheit erschwert Schutz für Frauen mit Behinderungen

27.11.2025 18:53 - update 27.11.2025 18:54
Jennifer Weber

Jennifer Weber

Frauen mit Behinderungen haben in der Schweiz eingeschränkten Zugang zu Frauenhäusern, da nur wenige Einrichtungen rollstuhlgängig sind. Finanzielle Mittel für notwendige Anpassungen fehlen. Auch die Frauenhäuser in der Region sind betroffen.

Frauen mit Behinderung sind zwei- bis dreimal häufiger von Gewalt betroffen als der Rest der Gesellschaft. Nur bekommen sie hierzulande nicht ausreichend Schutz, wie eine Recherche von CORRECTIV.Schweiz zeigt. Die wenigsten Schweizer Frauenhäuser seien rollstuhlgängig, manche nehmen überhaupt keine Frauen mit Behinderungen auf. Die Gründe dafür seien oft strukturell: Frauenhäuser können sich finanziell kaum über Wasser halten.

Von den 23 angefragten Frauenhäusern in der Schweiz und Liechtenstein sind gerade mal zwei rollstuhlgängig. Zwei weitere Frauenhäuser sind teilweise rollstuhlgängig, neun sind nicht rollstuhlgängig. Zehn Frauenhäuser haben keine Angaben gemacht.

Frauen, die sehr viel Pflege benötigen, könne man in den Frauenhäusern nicht betreuen. Dazu seien die Angestellten nicht ausgebildet. So klingt es gemäss den Recherchen von CORRECTIV.Schweiz von den meisten Frauenhäusern im Land.

CORRECTIV.Schweiz

Das von CORRECTIV.Schweiz gegründete Netzwerk mit Lokaljournalistinnen und -journalisten fördert investigative Recherchen vor Ort. Gemeinsam werden Missstände aufgedeckt, Daten ausgewertet oder die Bevölkerung für Recherchen einbezogen. Das Ziel ist, Lokaljournalismus zu stärken und einander zu unterstützen.

Frauenhäuser in der Region nicht rollstuhlgängig

Auch das Frauenhaus beider Basel ist nicht rollstuhlgängig, wie die Recherche von CORRECTIV.Schweiz aufzeigt. «Wenn eine Frau wirklich sehr stark in der Mobilität eingeschränkt ist, wenn sie immer auf den Rollstuhl angewiesen ist, ist es schwierig», sagt Bettina Bühler, Geschäftsführerin Frauenhaus beider Basel, im Interview mit Baseljetzt. Frauen mit anderen Einschränkungen könne man in Basel aber aufnehmen. Als Beispiel nennt Bühler eine gehörlose Frau. «Sie hat bei uns Schutz gesucht und auch Schutz erhalten.» Man habe ihr ein reguläres Angebot bieten können, mit Beratung und Unterkunft. «Wir haben mit Gebärdensprache übersetzt», so Bühler.

Auch die Heilsarmee bietet Schutz vor häuslicher Gewalt. Das Frauenhaus Wohnen für Frauen und Kinder setze sich dafür ein, das Angebot «schrittweise inklusiver zu gestalten», heisst es auf Anfrage. «Das bedeutet einerseits, Barrieren abzubauen – baulich wie auch organisatorisch – und andererseits, Mitarbeitende für die besonderen Bedürfnisse von Frauen mit körperlichen oder kognitiven Beeinträchtigungen zu sensibilisieren», sagt Nathalie Babst von Wohnen für Frauen und Kinder. Wo möglich, werde mit spezialisierten Fachstellen zusammengearbeitet, um den Betroffenen angemessene Unterstützung zu bieten.

Das Frauenhaus der Heilsarmee im Raum Basel verfüge über einen Lift. Frauen mit Gehschwierigkeiten können aufgenommen werden. «Vollständig rollstuhlgängig ist unser Haus jedoch nicht», so Babst. «Je nach individueller Situation können wir aber Lösungen finden oder Alternativen organisieren.»

«Wenn eine Frau im Rollstuhl Schutz sucht, prüfen wir sofort, ob wir die notwendige Mobilität und Sicherheit gewährleisten können.» Wenn eine Unterbringung sichergestellt werden könne, würden Abläufe individuell angepasst. «Zum Beispiel durch Zimmerzuteilung in erreichbaren Bereichen, Unterstützung bei Transfers oder Begleitung im Alltag», erklärt Babst. Falls das Haus die benötigte Barrierefreiheit nicht bieten könne, werde die betroffene Frau unterstützt, ein geeignetes Schutzangebot zu finden. Auch das Frauenhaus beider Basel unterstütze die Frauen bei der Suche nach alternativen Lösugen, sollten sie nicht aufgenommen werden können, sagt Bühler.

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Geld fehlt

Um die Frauenhäuser rollstuhlgängig zu machen, fehle das Geld. Das Frauenhaus beider Basel ist privat geführt. Die Kantone Basel-Stadt und Baselland sprechen für das Frauenhaus beider Basel für die Jahre 2025 bis 2028 rund 2’684’000 Franken. Das reiche jedoch nicht. Es brauche eine volle Finanzierung der Schutzplätze, sagt Bettina Bühler. «Es ist eine staatliche Aufgabe, also muss der Staat für die Kosten aufkommen. Wenn ich aber realistischer denke und nicht nur in Wünschen, dann müssten es mindestens 75 Prozent sein.» Aktuell seien nur 60 Prozent der Kosten durch die beiden Basel gedeckt.

Das könnte sich ändern. In Basel liegt eine Motion des Grossrats Christoph Hochuli vor. Der EVP-Politiker fordert mehr Geld für die Frauenhäuser. Die Motion ist politisch breit abgestützt.

Die Präventionskampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» stellt dieses Jahr Menschen mit Behinderungen ins Zentrum. Auch die beiden Basel engagieren sich. «Der Kanton nimmt das Thema, dass die UNO-Behindertenrechtskonvention umgesetzt werden muss und die Istanbul-Konvention auch für Frauen mit Behinderungen gilt, sehr ernst», sagt Natalie Berger, Leiterin Fachstelle Rechte von Menschen mit Behinderungen, im Interview. «Man analysiert mit beiden Frauenhäusern, wie barrierefreie Zugänglichkeit gewährleistet werden kann und was es braucht, um die Situation zu verbessern.»

Ob es mehr Geld für Frauenhäuser gibt und damit auch solche Barrieren wegkommen, dürfte am Schluss aber am langwierigen politischen Weg liegen.

Mitarbeit: Stefan Plattner

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28.11.2025 07:10

Thomy

Prima das in Angriff zu nehmen

0 0
27.11.2025 17:57

Borki74

ein weiterer Umstand um den Schutz von Frauen voranzutreiben und schleunigst zu verbessern

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