Ist es rechtlich überhaupt möglich, alle Demos zu verbieten?
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Demo-Verbot
Basel-Stadt

Ist es rechtlich überhaupt möglich, alle Demos zu verbieten?

19.10.2023 17:54 - update 19.10.2023 19:43

Ann Weber

Die Basler Polizei hat am Mittwoch alle Demonstrationen, Kundgebungen und Mahnwachen für das kommende Wochenende verboten. Als Grund wurde die Eskalation im Nahen Osten genannt. Doch ist dies rechtsmässig?

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel läuft es in der Welt drunter und drüber. Obwohl westliche Länder nicht direkt ins Kriegsgeschehen involviert sind, ist die Spannung allgegenwärtig. Weltweit gibt es Hassverbrechen gegen Muslime und Juden unter dem Vorwand der Spannungen im Nahen Osten.

Auch in Basel waren am vergangenen Freitag im Zuge des Nahostkonflikts Kundgebungen geplant. Diese wurden kurzerhand wegen der hohen Sicherheitsgefahr abgesagt. Am kommenden Wochenende war eine bewilligte Demonstration von Corona-Massnahmekritiker:innen geplant gewesen, sowie eine unbewilligte Gegendemonstration von «Basel Nazifrei». Beide wurden per Allgemeinverfügung verboten. Doch darf die Polizei das überhaupt?

Im Interview mit Felix Uhlmann, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Zürich, standen die rechtlichen Fragen rund um das Rundumverbot der Kantonspolizei Basel im Zentrum:

Baseljetzt: Basel hat Demonstrationen, Kundgebungen und Mahnwachen für das kommende Wochenende aufgrund der Sicherheitslage verboten. Was sagen sie aus staatsrechtlicher Sicht zum Verbot?

Felix Uhlmann: Ich war überrascht, dass alle Demonstrationen verboten wurden. Die Sicherheitslage ist ein sehr diffuses Argument, wobei es natürlich richtig und korrekt wäre, wenn die Demonstrationen aus Sicherheitsgründen nicht stattfinden könnten. In dieser Allgemeinheit wirft es aber Fragen auf.

Können Sie das präzisieren? Hätten Sie sich einen spezifischeren Punkt gewünscht?

Die Behörden haben die Pflicht, jede Veranstaltung einzeln zu betrachten und das Risiko jeder Veranstaltung zu bewerten: Können wir die Sicherheit gewährleisten – oder nicht? Dass diese Gewährleistung der Sicherheit nun pauschal für alle Veranstaltungen nicht möglich sein soll, ist etwas ungewöhnlich.

Eine der beiden Demonstrationen wird von Corona-Kritikern organisiert, bei der auch eine AFD-Politikerin vor Ort sein soll, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird. Kann man solche Demonstrationen verbieten?

Inhaltlich kann man natürlich keine Demonstration verbieten. Auch Meinungen, die beispielsweise im Nahostkonflikt derzeit schwer erträglich sind, dürfen nicht unterdrückt werden. Nur, wenn es die Sicherheitslage erfordert, oder Straftaten zu erwarten sind, darf eingegriffen werden.

Es wurde nun eine Allgemeinverfügung erlassen um diese Demos zu verbieten. Was ist das genau?

Eine Allgemeinverfügung ist eigentlich etwas Ähnliches, wie wir es zu Coronazeiten hatten. Es ist eine flächendeckende Massnahme, die sich auf einen konkreten Anlass bezieht, hier jetzt auf das kommende Wochenende. Wie es in der Pressemitteilung heisst, ist für dieses Wochenende jede Demonstration verboten. Was wiederum Fragen aufwirft, ist die Tatsache, dass bereits genehmigte Veranstaltungen ebenfalls verboten wurden.

Halten Sie es für möglich, dass sich der Verein «Mass-Voll» (Organisator der Demonstration) gegen diese Allgemeinverfügung rechtlich wehren könnte?

Die Schwierigkeit ist natürlich die Zeit. Sie müssen im Prinzip ein Gericht finden, allenfalls der Regierungsrat, aber der Regierungsrat hat die Verfügung möglicherweise selbst angeordnet, der innerhalb von Tagen entscheidet. Solange sie keine positive Bewilligung für die Durchführung haben, wird ihnen das nichts bringen. Es kann aber natürlich sein, dass das Gericht sehr schnell entscheidet. Das haben wir vor allem in Zeiten von Corona erlebt. Es ist nicht ausgeschlossen, aber schwierig.

Wie beurteilen Sie das Verhalten der Basler Polizei? Was für ein Signal wird durch diesen Entscheid gesendet?

Ich denke, man sollte mehr über die Entscheidung wissen. Bisher wirft die Pressemitteilung durch ihre allgemeinen Formulierungen zur Sicherheitslage vor allem Fragen auf (Anm. d. Red: Das Interview wurde geführt, bevor die Polizei im Detail informiert hat). Ich kann die Sicherheitslage nicht beurteilen, das will ich mir auch nicht anmassen. Aber es muss schon eine sehr bedenkliche Sicherheitslage sein, wenn man in dieser Allgemeinheit alle Demonstrationen verbieten kann. Es ist vielleicht auch zusätzlich unglücklich, dass es ausgerechnet eine Demonstration trifft, die nicht die Sympathie der breiten Öffentlichkeit hat. Dieser unglückliche Zufall lässt den Verdacht aufkommen, dass die Demonstration wegen ihres Inhalts verboten wurde, was nicht zulässig wäre. Ich unterstelle das natürlich nicht, aber gerade in dieser Konstellation ist die Begründung der Polizei noch etwas dürftig. Wenn die Polizei mehr sagen kann, soll sie es tun.

Der Basler Anwalt Andreas Noll äussert sich sehr positiv über dieses Verbot. Was denken Sie, hat die Basler Polizei einen Weg durch die Hintertüre gesucht, um eine problematische Demo zu verbieten?

Wie gesagt, ich möchte die Sicherheitslage nicht beurteilen. Ich kann nicht einschätzen, wie viele Kräfte der Basler Polizei beispielsweise für den Schutz jüdischer Einrichtungen gebunden waren. Insofern bin ich etwas überrascht, wenn ich mir zum Beispiel die «Freiheitsstrychler» anschaue. Ich hatte nicht den Eindruck, dass die ständig durch Straftaten und Gewalt auffallen. Sie sind auch ziemlich weit weg vom Thema Nahostkonflikt. Von daher sehe ich zumindest bei dieser Demonstration nicht, warum die Spannungen im Nahen Osten das verschärfen sollten. Natürlich hängt das alles zusammen, denn wenn die Sicherheit im Kanton nicht gewährleistet werden kann, ist es als letztes Mittel möglich, alle Demonstrationen zu verbieten.

Hinweis: Stephanie Eymann, Vorsteherin des Justiz- und Sicherheitsdepartements, äussert sich heute Abend auf Telebasel im Punkt 6 Thema zum Demo-Verbot.

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