«Skrupellos und aus Lappalien heraus»: Der Prozess um den Lysbüchel-Mord startet
©Bild: Telebasel
Strafgericht
Basel-Stadt

«Skrupellos und aus Lappalien heraus»: Der Prozess um den Lysbüchel-Mord startet

09.06.2024 17:39 - update 25.03.2025 15:28
Lea Meister

Lea Meister

Mitte August 2021 wurde beim Lysbüchelplatz ein Mann mit einem Klappmesser so schwer verletzt, dass er verstarb. Der mutmassliche Täter muss sich jetzt vor Gericht verantworten. Die Anklageschrift zeigt: Er war schon in jungen Jahren auffällig.

In der Nacht auf den 15. August 2021 wurde auf dem Lysbüchel-Areal ein 28-jähriger Mann getötet. Mit drei Freunden hielt sich der heute 25-jährige mutmassliche Mörder an einer Party im «Lido» an der Lysbüchelstrasse auf. Auf dem Weg zurück in die Innenstadt kamen sie an einer Gruppe vorbei. Das spätere Opfer war Teil davon.

Als zwei der Freunde des Angeklagten die Gruppe nach dem Weg fragten, soll es zu einer kurzen verbalen Auseinandersetzung gekommen sein, woraufhin einer dem späteren Opfer eine Ohrfeige verpasst haben soll. Was dann folgte, bezeichnet die Staatsanwaltschaft als «besonders skrupellos»: Der damals 22-jährige Angeklagte verpasste zwei Männern der Gruppe einen heftigen Tritt in den Oberkörper und zückte dann sein Klappmesser.

Der Angeklagte, ein 1.91 Meter grosser, über 100 Kilogramm schwerer und trainierter Mann, soll mit dem Messer auf sein körperlich unterlegenes und alkoholisiertes Opfer losgegangen sein und dieses lebensgefährlich verletzt haben. Der 28-Jährige verlor 2,7 Liter Blut und verstarb trotz lebenserhaltender Massnahmen. Der – für einen Mordprozess ungewöhnlich kurz gehaltenen – Anklageschrift ist zu entnehmen, dass sich das Opfer zuvor deeskalierend und «rein friedlich» verhalten habe – auch nach der Ohrfeige, die ihm einer der Begleiter des Beschuldigten verpasst hat.

Der Beschuldigte habe sein Opfer «völlig überraschend und mit immenser Brutalität unter Verwendung eines Klappmessers» attackiert, heisst es in der Anklageschrift. Nur zehn Minuten nach der Tat wurde der mutmassliche Täter mit Blutspuren an Händen und seinem T-Shirt angehalten und verhaftet.

Der damalige Telebasel-Beitrag vom 15. August 2021:

Delinquente Vorgeschichte bis ins Jugendalter

Die Nacht in Basel, die dem heute 25-Jährigen eine Mordanklage einbrachte, war bei Weitem nicht die einzig schwer kriminelle in seinem Leben. Seine delinquente Geschichte reicht weit zurück bis in seine Jugendjahre. Aufgewachsen ist er in Zürich, wo er auch heute noch seinen Wohnort hat. Seit seiner frühen Kindheit betreibt der Beschuldigte mit Jahrgang 1999 Kampfsport. Als Jugendlicher soll er seinem Idol Mike Tyson nachgeeifert und von einer Karriere als professioneller Boxer geträumt haben.

In seiner Jugend kam er bald in Kontakt mit Alkohol und Betäubungsmitteln – in erheblichem Ausmass, wie der Anklageschrift zu entnehmen ist. So wurde er im Ausgang immer wieder auffällig und entwickelte in Verbindung mit seiner «kurzen Zündschnur» einen gewissen Tatmodus, der sich wiederholte. Aufgrund wiederholter Vorfälle wurde er 2017 von der Jugendanwaltschaft Zürich zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.

Die nächste Verurteilung liess nicht lange auf sich warten

Zwei Jahre später folgte bereits die nächste Gefängnisstrafe: Das Bezirksgericht Zürich verurteilte ihn wegen versuchter vorsätzlicher Tötung, mehrfacher einfacher Körperverletzung, Drohung, Hausfriedensbruch und Besitz und Konsum von Betäubungsmitteln zu einer Gefängnisstrafe von 16 Monaten und 50 Tagen. Diese wurde dann aber zugunsten einer offenen Unterbringung und einer ambulanten Behandlung aufgeschoben.

Nach seinem Austritt aus dem Massnahmenzentrum verging kaum Zeit, bis der junge Mann wieder in alte Muster verfiel, seine Zeit mit Gleichgesinnten verbrachte und wieder delinquent wurde. Dabei war ihm wohl immer besonders wichtig, dass er auch sicher einen starken und harten Eindruck hinterlässt. Er betrieb weiter intensiv Krafttraining und nahm anabole Steroide zu sich. In dieser Zeit soll er zudem eine gewisse «Affinität zu Messern» entwickelt haben.

«Absolute Lappalie» als Auslöser

So eines kam dann auch 2021 ins Spiel, als er in einer Sommernacht in Zürich einem Unbekannten unmittelbar und völlig grundlos von hinten zwei Schnittverletzungen gegen den Hinterkopf zugefügt haben soll. Das Opfer wurde lebensgefährlich verletzt und tritt in diesem Prozess als einer der Privatkläger auf. Auch in diesem Fall schreibt die Staatsanwaltschaft von einer kurzen verbalen Auseinandersetzung, einer «absoluten Lappalie», die dem Gewaltakt vorausgegangen sein soll. Und: Auch hier war das Opfer dem mutmasslichen Täter zudem körperlich stark unterlegen.

Während einer anschliessenden Zufallskontrolle durch die Polizei soll er ruhig und klar geblieben sein und diverse Fragen beantwortet haben. Auch, als ihm jemand fälschlicherweise zutrug, das Opfer aus der erwähnten Nacht sei verstorben, meldete er sich nicht bei der Polizei, sondern suchte nur im Internet nach weiteren Informationen darüber.

2-5 Gramm Kokain am Tag

Neben den Vorwürfen des Mordes und des versuchten Mordes muss sich der heute 25-Jährige auch wegen einfacher Körperverletzung verantworten. Dies, weil er dem Kollegen des Opfers in der Nacht des Lysbüchel-Mordes, wie bereits erwähnt, einen «Front-Kick» verpasst haben soll, durch welchen der Geschädigte nach hinten gegen einen Tisch flog und eine Rippenprellung davontrug. Hinzu kommt noch ein Diebstahl-Vorwurf, weil er in einer Partynacht 2021 in Zürich vier Mobiltelefone geklaut haben soll.

Zudem muss er sich dafür verantworten, dass er zwischen dem 2. März 2021, also dem Tag der Aufhebung seiner ambulanten Behandlung, und dem 15. August 2021 beinahe täglich zwischen 2 und 5 Gramm Kokain konsumiert haben soll – so auch in der Nacht vom 15. August, als sein Opfer, der 28-jährige Mann, auf dem Lysbüchelplatz sein Leben verloren hat. Der Beschuldigte befindet sich seit dieser Nacht in Haft.

Der Prozess startet am Montagmorgen. Das Urteil folgt voraussichtlich am Freitag. Baseljetzt berichtet live von den Prozesstagen. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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